Sicherheit und Ordnung auf Leipziger Gewässern. Immer wieder

wird damit argumentiert, dass die Schiffbarkeit der Leipziger Gewässer auch wegen Sicherheit und Ordnung auf diesen erforderlich sei. NuKLA hat eine eigene Meinung dazu. Diese möchten wir Ihnen nachfolgend zur Kenntnis geben.

Sicherheit und Ordnung im Schiffahrtsverkehr!

(BBergG, SächsWG, SächsPolG, BGB, Allgemeinverfügung Cospudener See, Markkleeberger See)

Anliegen:

Sowohl die kommunale Leipziger und die Umlandpolitik (Landkreise Leipzig und Nordsachsen), als auch sächsische Landespolitik (Landesdirektion Sachsen) wollen den motorisierten Wassertourismus zu einer tragenden wirtschaftlichen Säule werden lassen.

Hierfür soll die Schiffbarkeit beginnend mit dem sogenannten „Kurs 1“, der vom Leipziger Stadthafen über die Gewässer des Leipziger Auwaldes, den Cospudener See bis zum Zwenkauer See führen soll, erklärt werden. Parallel zu dieser in Arbeit befindlichen „Schiffbarkeitserklärung“ soll nunmehr auch das Sächsische Wassergesetz novelliert werden.

Mit der Begründung von „Deregulierung und Verwaltungsvereinfachung“ soll ohne weiteres Verfahren, ohne Einbeziehung von Umweltverbänden, Anliegern, Erholungssuchenden dieSchiffbarkeit auf den Tagebaurestseen im Süden von Leipzig (Cospudener, Zwenkauer, Markkleeberger und Störmthaler See) erklärt werden.

Für die Erklärung der Schiffbarkeit, so wie für den Bau eines Wasserkraftwerkes oder eines Hafens, bedarf es einer wirtschaftlichen Begründung, die weder im Leipziger Auwald, noch auf den an den Auwald grenzenden Tagebaurestseen vorliegt. Tourismus ist kein „wirtschaftlicher“ Grund im Sinne des Wassergesetzes. Ein wirtschaftlicher Grund liegt nur bei Vorliegen eines namhaften Güter- oder Personentransportes vor. Da das Vorliegen dieser Voraussetzung fehlt, wird das Argument der Verbesserung von Sicherheit und Ordnung auf den Gewässern in sein Gegenteil verkehrt. Denn: Erst dann, wenn es eine Begründung für eine Schiffbarkeitserklärung gibt (nämlich namhaften Güter- oder Personentransport), ist es notwendig und erforderlich, diese Schiffbarkeit (da mit ihr eine quantitative und qualitative Begrenzung z.B. durch Sondergenehmigungen entfällt) auch zu regulieren, mithin für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Die Fokussierung auf „Sicherheit und Ordnung“ dient jedoch derzeit genau andersherum als wesentliche Begründung für die angebliche Notwendigkeit einer Erklärung der Schiffbarkeit: Es ist paradox, die Notwendigkeit einer Schiffbarkeitserklärung mit „Sicherheit und Ordnung“ zu begründen, da mit derSchiffbarkeitserklärung und dem damit ermöglichten qualitativ und quantitativ  uneingeschränkten motorisierten Schiffsverkehr erst die Gefahren für die Gemeingebrauchsnutzung (Baden, Surfen, Paddeln, Segeln) geschaffen werden – die mit Hilfe der Schiffbarkeitserklärung angeblich „beseitigt“ werden sollen! In der Gesetzesbegründung zur geplanten Novellierung des SächsWG wird explizit darauf hingewiesen, dass mit Erklärung der Schiffbarkeit die Gewässernutzung weit über die Gemeingebrauchsnutzung hinausgeht bzw. als weit darüber hinausgehend angestrebt wird. Dabei bleibt jedoch unerwähnt, dass die Gemeingebrauchsnutzung durch eine erklärte Schiffbarkeit überhaupt erst gefährdet wird. Ebenso wird verschwiegen, dass eine Einschränkung des Gemeingebrauchs grundsätzlich nur im Interesse des (wasserrechtlichen) Allgemeinwohls zulässig wäre!

Mit Fragen der Sicherheit und Ordnung zu argumentieren, ist also offensichtlich irreführend, zumal es für diese Bereiche praktikable Konzepte ohne Erklärung der Schiffbarkeit gibt (ausführlich hierzu: Juristisches Gutachten zum WTNK, erstellt im Auftrag der Stadt Leipzig, 2005). Insbesondere ist der sogenannte Gemeingebrauch („Baden, Tränken, Schöpfen mit Handgefäßen, Eissport und Befahren mit kleinen Fahrzeugen ohne eigene Triebkraft“), nur zum Zwecke der Wasserversorgung, zum Hochwasserschutz, der Sicherstellung der Erholung, des Schutzes der Natur, der Erreichung der Bewirtschaftungsziele einzuschränken oder zu untersagen. Für eine touristische Schiffbarkeit ist der Gemeingebrauch explizit nicht einzuschränken. Durch die „Erklärung der Schiffbarkeit“ wird der Gemeingebrauch eingeschränkt für Ziele, die nicht im Gesetz vorgesehen sind – nicht einmal dann, wenn das Gesetz entsprechend novelliert würde! Das hängt im Wesentlichen mit der fehlenden wirtschaftlichen Begründung (einem fehlenden nicht nur unwesentlichen Güter- oder Personentransport), der geringen Größe der Gewässer und dem erklärten Schutzzweck zusammen.

Eine mögliche Erklärung der Schiffbarkeit hätte außerdem auf Grundlage des Zweckes des Sächsischen Wassergesetzes zu erfolgen. Dieser besteht im

Schutz des Wassers für die Allgemeinheit : „Im Interesse der Allgemeinheit und zum Wohle des Einzelnen ist die Lebensgrundlage Wasser nach dem Grundsatz der Vorsorge zu schützen, insbesondere in seinen natürlichen Eigenschaften zu erhalten und zu sichern. Die Erhaltung und die Wiederherstellung der ökologischen Funktionen der Gewässer sind vorrangig zu berücksichtigen.“ Dieses „Wohl der Allgemeinheit“ „verlangt insbesondere, dass nutzbares Wasser in ausreichender Menge und erforderlicher Beschaffenheit zur Verfügung gestellt und die öffentliche Wasserversorgung nicht gefährdet wird, die Gewässer vor Verunreinigungen geschützt werden, ein naturnaher Zustand der Gewässer gesichert und nach Möglichkeit wiederhergestellt wird, das Selbstreinigungsvermögen der Gewässer gesichert und das Wasserrückhaltevermögen nach Möglichkeit wiederhergestellt und verbessert werden, Hochwasserschäden und schädliches Abschwemmen von Boden verhütet werden, die Bedeutung der Gewässer und ihrer Uferbereiche als Lebensstätte für Pflanzen und Tiere, ihre Vernetzungsfunktion und ihre Bedeutung für das Bild der Landschaft berücksichtigt werden, landwirtschaftlich und anders genutzte Flächen unter Beachtung des Naturschutzes und der Landschaftspflege be- und entwässert werden können, der freie Zugang zu fließenden und stehenden Gewässern sowie Quellen zur Erholung ermöglicht wird, soweit nicht durch dieses Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes Beschränkungen des Zugangs geregelt sind.“

Theoretisch kann die Schiffbarkeit erklärt werden, wenn es Gründe gibt, die das Sächsische Wassergesetz hierfür vorsieht . Die Erklärung der Schiffbarkeit könnte bei der derzeitigen Gesetzeslage nur unter Berücksichtigung des Wohles der Allgemeinheit, das im SächsWG normiert ist, erfolgen! Mit der geplanten Novellierung wird jedoch versucht, diese Kausalität auszuhebeln, indem man das Sächsische Wassergesetz dahingehend ändert, dass für die genannten Tagebaurestseen die Schiffbarkeit bereits auf der Ebene des bis dato die Schiffbarkeit nur begründet zulassenden Gesetzes ermöglicht und Kontrollen und Einschränkungen den Behörden überlässt. Eine Erklärung der Schiffbarkeit hat sowohl nach altem, als auch nach neuem Gesetz nach den beschriebenen Grundsätzen zu erfolgen. Das wird bei den Seen umgangen, in dem sie schon im Gesetz (Anlage 2) für schiffbar erklärt werden.

Politik und Verwaltung arbeiten gerne mit einer Analogie zum Straßen- und Straßenverkehrsrecht. Hier insbesondere mit den Argumenten von Ordnung und Sicherheit und der „Leichtigkeit des Verkehrs“. Eine Analogie zum StVG (Straßenverkehrsgesetz) und zur StVO (Straßenverkehrsordnung) ist allerdings auch bei bestem Willen nicht herstellbar: Im Straßenrecht ist die ausschließliche Gesetzgebung des Bundes vorgesehen, Landesrecht gibt es hier nicht. Deshalb weiß der Verkehrsteilnehmer schon, wenn er an der Zugspitze mit dem Fahrzeug losfährt, welche Regeln in Anklam gelten. Das ist im Wasserrecht anders: Hier sind landesgesetzliche Regelungen, selbst neben bundesrechtlichen Regelungen möglich. Das führt zu einem wasserrechtlichen „Flickenteppich“. Selbst für die Schifffahrtsstraßen 1. Ordnung gilt die BiSchStrO (Binnenschifffahrtsstraßenordnung) nur auf den ausdrücklich aufgeführten Strecken. Das geht so weit, dass für bestimmte Wasserstraßen ein gesondertes „Patent“ nötig ist. Diese Tatsache hat das Bundesverkehrsministerium zur Herausgabe von Hinweisen zur Beachtung von Regeln in der Schiffahrt veranlasst (http://www.bmvbs.de/dokumente/ ,302.1913/Publikationen/dokument.htm). Es gilt der Grundsatz: „Erkundigen Sie sich nach den vor Ort geltenden Regeln! Hierfür ist jeder selbst verantwortlich. Beachten Sie weiterhin das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme!“ Dieses Gebot, auch in § 1 der StVO normiert, ist eines, das universell gültig ist. Es bedarf zu seiner Geltendmachung keines Gesetzes. Darüber hinaus regelt das StVG die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeuges, d.h. der bestimmungsgemäße Gebrauch eines Kfz wird selbst schon als eine Gefährdung bewertet mit der Folge, dass der Unfall eines Kfz mit einem strukturell schwächeren Verkehrsteilnehmer (Fußgänger, Radfahrer) per se schuldhaft ist. Hiervon kann sich befreien, wer nachweisen kann, weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt zu haben und das Ereignis „unvermeidbar“ war. Diese Verschuldenshaftung soll zu größerer Sicherheit und Aufmerksamkeit beitragen, um Unfällen vorzubeugen. Eine entsprechende Regelung gibt es im Schifffahrtsrecht gerade nicht! Das heißt, dass die Sicherheit bei motorisierter Schifffahrt deutlich geringer ist, als die Sicherheit bei motorisiertem Autoverkehr. Dabei können gem. § 34 WaStrG (Wasserstraßengesetz) den Verkehr regelnde Schilder sehr wohl auch ohne Schiffbarkeitserklärung errichtet werden. Wenn also die Auffassung vertreten wird, dass die Menschen nicht in der Lage sind, sich gegenseitig Respekt und Rücksicht entgegenzubringen, könnte auch ohne Schiffbarkeitserklärung die notwendigen Hinweise erfolgen, wie man sich auf dem Wasser zu begegnen hat. Darüber hinaus hat das SächsWG (Sächsische Wassergesetz) mit dem Instrument der Allgemeinverfügung sowohl für den Gemeingebrauch, als auch für darüber hinausgehende Nutzungen, wie z.Bsp. das Segeln mit E-Motor, ein bewährtes Instrumentarium zur Verfügung gestellt.

Selbst nach Einführung der Schiffbarkeit wäre die Nutzung von Wasserski, Jetski und Amphibienfahrzeugen verboten (§ 7 III SächsSchiffVO)! Ohne Erklärung der Schiffbarkeit ist diese Nutzung per se verboten. Wie jedoch jeder sehen kann, lässt das LRA diese Nutzungen jetzt schon zu, fördert sie sogar. Die Landesdirektion Leipzig sieht dem tatenlos zu. Tatsache ist außerdem, dass die für den Cospudener See zuständige Untere Wasserbehörde Landratsamt Landkreis Leipzig entgegen der geltenden Allgemeinverfügung und entgegen dem SächsWG verbotene Sondernutzungen, wie z. Bsp. die Benutzung von Verbrennungsmotoren für andere als behördliche Fahrzeuge zulässt.

Auch für den Einsatz der Polizeibehörden ist eine Schiffbarkeitserklärung unnötig. Das Regelungsinstrumentarium des SächPolG ist hierfür deutlich wirksamer, als das SächsWG (WTNK, juristische Expertise, Ziff. 2.2.2.(4); §§ 1, 64 I Nr. 4, 68 II, 70 IV SächsPolG). Auch dafür bedarf es somit keiner, vermeintliche Sicherheit vorgaukelnder Regelungen, wie einer Schiffbarkeitserklärung! Wenn eine „Schiffbarkeit mit Einschränkungen“ erklärt würde, müssten Auswärtige sich nach diesen Einschränkungen erkundigen. Sie wüssten nicht, ob überhaupt und wenn ja, wo und zu welchen Zeiten sie mit ihren Booten fahren könnten. Ein weiterer angestrebter Zweck der Erklärung (Vereinfachung und Erleichterung der Nutzung) würde somit nicht erfüllt. In der juristischen Expertise zum WTNK wird davon abgeraten, motorisierten Schiffsverkehr in Allgemeinverfügungen, der Vorstufe zu einer „Erklärung der Schiffbarkeit“, aufzunehmen. Statt dessen sollte das Instrument Sondernutzung (§ 46 a SächsWG) genutzt werden, um quantitative Einschränkungen, die natürlich zulässig sind, vorzunehmen und auf diesem Weg den Gemeingebrauch abzusichern. Das juristische GA stellt ebenfalls fest, dass Verkehrsregelungen in diesen Sondergenehmigungen zulässig sind: zur Sicherung des Gemeingebrauchs und für eine ökologisch verträglich Nutzung seien diese sogar erforderlich (S. 146 f.): http://www.revosax.sachsen.de/Details.dosid=4516415091834&jtyp=akt ! Schlussendlich erlauben Sie uns bitte noch den Hinweis darauf, dass auch Sachsen ab 2013 die Vorgaben der EU zur Qualität der Oberflächengewässer erfüllen muss, da ansonsten dem Freistaat Strafzahlungen in Größenordnungen drohen: nach neuesten Untersuchungen erfüllen derzeit nicht mal 5% (sic!) der sächsischen Gewässer diese Standards! Ist es – auch vor diesem Hintergrund – tatsächlich gerechtfertigt, die (derzeit noch sauberen) Tagebaurestseen für kraftstoffbetriebene, also die Gewässer belastende, Nutzung uneingeschränkt frei zu geben?

Sehr geehrte Damen und Herren, wir bitten Sie höflichst zu prüfen, ob die Novellierung des Sächsischen Wassergesetzes unter Berücksichtigung der von uns ausgeführten Punkte sowie im Hinblick auf die von Ihnen mit der Änderung verbundene Intention und die bevorstehenden EU-Anforderungen tatsächlich sinnvoll und zielführend ist!

Mit Dank für Ihre Mühewaltung und freundlichen Grüßen!

Wolfgang E. A. Stoiber, Vorsitzender

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