Die Hintergründe für die Motorboot-Strategie im Neuseenland:

 WTNK, Massentourismus, Naturschäden, Wasserstraßen,Wirtschaftlichkeit durch Motorboottourismus – Gesamtkonzept ? „Die Idee des Gewässerverbundes zielt darauf ab, die einzelnen Gewässerabschnitte miteinander zu verbinden, um damit nicht nur eine quantitative Ausweitung sondern auch eine neue Qualität zu erreichen. Durch den Neubau und Umbau von Gewässerabschnitten, Bau von Schleusen und Fisch-Boots-Pässen, Neu- und Umbau von Brücken, soll die Bootsgängigkeit der Gewässer hergestellt werden”, so heißt es im Wassertouristischen Nutzungskonzept der Region Leipzig (WTNK). Und weiter: “Mit dem weiteren Ausbau der wassertouristischen Infrastruktur wie Häfen, Steganlagen, Umtrageeinrichtungen und Einsatzstellen soll zusätzlich die Attraktivität und der Nutzungskomfort verbessert werden.“

Ziel der Verfasser war also: Wassertourismus. Und Tourismus kommt immer von außerhalb. Alles andere ist Naherholung. Mit der wird aber keine zusätzliche Wirtschaftskraft reingeholt. Deshalb bestand auch von vornherein die Absicht, den Elster-Saale-Kanak (E-S-K) zu bauen. Denn nur so lässt sich Tourismus generieren. Deshalb auch von vornherein der Plan des „Kurs 1“ – durch den Auwald, durch den Floßgraben in die Tagebaurestseen. Der natürlich, neben den weiteren Gewässern ausgebaut werden muss (der Ausbau des Floßgrabens wird im WTNK gefordert). Das WTNK umfasst die Verbindung von der Saale bis zur Wyhra und zur Elster – die Anbindung an das europäische Wasserstraßennetz. Dass das Wirtschaftlichkeits-Gutachten zum WTNK diese These ad absurdum führt, ficht allerdings niemand an.
Vor und nach diesem Satz im WTNK steht noch viel „Nettes“ zu Natur und deren Erhalt. Auch, dass durch diesen geplanten Betrieb zum Beispiel der Eisvogel am Floßgraben gefährdet und dessen Vergrämung in Kauf genommen wird. Aber dafür werde ein Monitoring durchgeführt. Wie beschrieb Norman Volger, Stadtrat der Grünen in Leipzig, die Folgen eines Monitoring zum Nahleauslasswehr: „Untersuchungen, die im Nachgang stattfinden, sind nichts wert und produzieren Ergebnisse, die an den bestehenden Verhältnissen nichts mehr ändern können oder sie sowieso bestätigen.“

Das Monitoring ist in der Tat nichts wert. Im WTNK wurde festgestellt, dass durch den Bootsbetrieb mit der Vergrämung des Eisvogels gerechnet werden müsse. Was durch das Monitoring dann erwartungsgemäß bestätigt wurde. Ein rechtswidriger Zustand wurde also bestätigt und wird durch die weitere Nutzung zementiert. Was sagt die grüne Stadtratsfraktion dazu?
Wie Angela Zabojnik, die zuständige Abteilungsleiterin bei der Stadt, am 19. März 2013 zu einer Veranstaltung zum WTNK vortrug, sei die Vergrämung des Eisvogels aber kein Problem, schließlich gäbe es Ausweichflächen. Welche das seien, wie der Eisvogel dorthin käme und warum diese Ausweichquartiere bis jetzt noch nicht besetzt seien – keine Antwort. Dafür die Forderung von Zabojnik nach ausschließlich konstruktiver Kritik. Die in diesem verstandenen Sinne keine am generellen Konzept des WTNK sein könne.

In großer Runde wurde ebenfalls nachfragelos (bis auf NuKLA) hingenommen, dass bei Schleusungsgängen Motorboote natürlich (! – O-Ton Zabojnik) Vorfahrt vor muskelbetriebenen Booten hätten! Wie ein ebenfalls von NuKLA unterbreiteter Vorschlag, wie denn zumindest an der Connewitzer Schleuse geprüft werden könne, ob Motorboote eine geltende Genehmigung hätten, umgesetzt werden könne – keine Aussage. Dafür ein Fauxpas des Vertreters der Schifffahrtsdirektion mit der Bemerkung, dass ja nun bald der angeblich gesetzlose Zustand mit der Novelle des SächsWG beendet sei. Tja, das kam aus berufenem Mund.

Natürlich ist es weltfremd anzunehmen, dass a) eine nennenswerte Zahl von Hardcore-Kanuten von Leipzig nach Halle, geschweige denn nach Hamburg fährt und b) der Elster-Saale-Kanal (E-S-K) und die bisher schon errichteten Schleusen einer nichtmotorisierten Nutzung dienen würden. An das europäische Wasser-„Straßen“-netz wird keine nicht-motorisierte Nutzung angeschlossen – sondern nur die motorisierte.

Letzteres hat Andreas Berkner, Leiter des Regionalen Planungsverbandes Leipzig-Westsachsen, schon im Mai 2010 zu einer öffentlichen Veranstaltung im Rathaus Leipzig zum Thema Schiffbarkeit erklärt: „Ja glauben Sie denn, dass die Schleusen für Kanuten errichtet wurden?!“ – an die Protestler gerichtet. Das heißt, es sollte nicht nur Tourismus, sondern motorisierter Wassertourismus hereingeholt werden. Der lässt sich jedoch nicht mit jeweils separaten § 46 a SächsWG-Genehmigungen, die jeder einzelne Bootseigner vorher einholen muss, erreichen. Das geht nur durch eine allgemeine Erklärung der Schiffbarkeit.

Mit anderen Worten, alle wissen, dass Bootsgängigkeit diejenige für Motorboote meint. Jedenfalls wissen das alle, die sich mit dem Wassertouristischen Nutzungskonzept (WTNK) beschäftigen. Diejenigen haben sich auch mit der juristischen Expertise des WTNK befasst. Sollten es zumindest.

Sowohl Bundes- als auch Landesgesetzgebung sind an das Grundgesetz und an die Rechtssprechung des Bundesverfasssungsgerichts gebunden. Danach ist „Schiffsverkehr“ = „Verkehr“. Und Binnenwasserstraßen sind „Straßen“. Diese dienen dem „allgemeinen Verkehr“. (BVerfGE 15/8) Danach unterscheiden sich Wasserstraßen von den übrigen Wasserflächen durch ihre „Verkehrsfunktion“ (BVerfGE 15/10). Um die Verwirrung komplett zu machen: zu den Binnenwasserstraßen „gehören herkömmlich nicht die Häfen“. (Maunz/Düring zu Art. 74 GG, Rz. 232 ff.)

Nach dem Wasserhaushaltgesetz (WHG) und dem Sächsischen Wassergesetz ist der sogenannte Gemeingebrauch (Baden, muskelbetriebene und kleine Segelboote) nur an natürlichen Gewässern zugelassen. Das heißt viererlei.

1. Nämlich, dass an natürlichen Gewässern grundsätzlich nur der Gemeingebrauch zugelassen ist.

2. Gewerbliche Nutzung generell verboten ist. Was auch den Verleih von muskelbetriebenen Booten und Segelschiffen einschließt.

3. Motorisierte Nutzung generell verboten ist (für Rettungs- und Katastrophenzwecke gibt es spezielle Gesetze)

4. An künstlichen Gewässern jegliche Nutzung verboten ist.

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Diese rechtliche Konstruktion bedeutet, dass der Gemeingebrauch nur an natürlichen, das heißt unveränderten, Gewässern zulässig ist. Sind diese natürlichen Gewässer ungeeignet, sind sie nicht bootsgängig. Werden sie bootsgängig gemacht, sind es keine natürlichen Gewässer mehr, sondern künstliche. Für die ist dann: richtig: jegliche Nutzung untersagt. Wird hierfür eine Nutzung im Sinne einer „Schiffbarkeit“ gestattet, ist dieses künstliche Gewässer eine Straße (Widmung) (das natürliche Gewässer ist dann auch eine „Straße“.) Und zwar in dem verstandenen Sinne – „Straße“. Mit der Folge, dass dort der „Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs“ der Vorrang einzuräumen ist.

Diesen Schritt ist die Leipziger Stadtverwaltung – sprich: das Amt für Stadtgrün und Gewässer (ASG) – schon gegangen, in dem dem motorisierten Verkehr in den Schleusen der Vorrang eingeräumt ist. In logischer Konsequenz der Forderung der Stadt Leipzig an die Landesdirektion Sachsen (LDS), das Verfahren zur Erklärung der Schiffbarkeit nicht nur für den Kurs 1 zu führen, sondern auch auf die Kurse 2 und 7 auszuweiten. Dieser Forderung ist die LDS natürlich freudig nachgekommen.

In der Kommentierung zum Sächsischen Wassergesetz von Zeppernick wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „Schiffbarkeit“ im Sinne einer touristischen Nutzung keine wirtschaftliche Nutzung im Sinne des Sächsischen Wassergesetzes sei. Eine entsprechende „Schiffbarkeits-Erklärung” also nicht möglich ist. Was den Freistaat Sachsen nicht hat davon abhält, eine Vielzahl von Gewässern gleichwohl für schiffbar zu erklären. Das hierzu erforderliche Bedürfnis wird offensichtlich in dem Wunsch nach Liberalisierung gesehen

Da der Gesetzgeber für den Gemeingebrauch den gesunden Menschenverstand unterstellt hat, hat er für diesen keine Regelungen aufgestellt. Ohne motorisierter Nutzung bedarf es also keiner Regelungen für Sicherheit und Ordnung. Dieser Regelungen bedarf es erst, wenn schwächere und stärkere „Verkehrs“-teilnehmer aufeinander treffen. Insofern betreibt die Landesdirektion Sachsen mit ihrer Begründung zur Schiffbarkeit hinsichtlich Sicherheit und Ordnung bewusst einen logischen Zirkelschluss. Jeder andere, der diese Forderung stellt, natürlich auch.

Auch von anderen erklärte Forderung nach Aufstellung von Regeln unterstützt dies. Jedenfalls dann, wenn nicht gleichzeitig erklärt wird, was geregelt werden soll. Was zum Beispiel Jürgen Kasek als Vorsitzender des BUND Leipzig mit seiner nicht spezifizierten Forderung nach Regelungen für den Bootsverkehr im Auwald macht. Auch, wenn er etwas anderes meint. Die Landesdirektion jauchzt ob dieser Forderung.

Der Kommentar zur “Schiffbarkeit” im Sächsischen Wassergesetz:
http://dl.dropbox.com/u/27206837/BI%20Cospuden/Gutachten/S%C3%A4chsWG%20Kommentar%20-(Auszug)-Begr%C3%BCndung%20der%20Schiffbarkeit%20(2).pdf

Das Gutachten zu den Rechtsgrundlagen einer wassertouristischen Nutzung im Neuseenland:
http://dl.dropbox.com/u/27206837/BI%20Cospuden/Gutachten/WTNK-juristisches%20GA%20Oldiges.pdf
In der Gesamtschau heißt das, dass jeder, der „Bootsgängigkeit“ für einen Wassertourismus fordert, explizit einen Gewässerausbau fordert. Diese Forderung schließt jedoch auch die Forderung nach einer motorisierten Nutzung ein. Bewusst, oder fahrlässig unbewusst. Diese Forderung wiederum zieht die Forderung nach einer Schiffbarkeitserklärung zwingend nach sich. Wasser-„Straßen“ für ausschließlich muskelbetriebene Nutzung gibt es nach der bestehenden bundes- und hierauf fußenden landesrechtlichen Konstruktion nicht.

Ex-Umweltpfarrer und Ex-Regierungspräsidiums-Präsident Walter Christian Steinbach hat dies auf einer Veranstaltung des Grünen Rings Leipzigs (der GRL hat unter Federführung des Leipziger Amtes für Stadtgrün und Gewässer das Wassertouristische Nutzungskonzept (WTNK) erstellt) schon 2008 gefordert. Die Tagebaurestseen müssten „wirtschaftlich“ betrieben werden. Und natürlich auch die sie verbindenden Gewässer. Hintergrund dieser Forderung sind 3,5 Milliarden Euro an „Investitionen“, die in die Tagebaurestseen geflossen sind.

In Wahrheit jedoch sind diese 3,5 Milliarden keine Investitionen, sondern bergrechtlich vorgeschriebene (und damit Teil der Braunkohleförderung) Sanierungskosten. Einem Regierungspräsidenten Unwissenheit zu unterstellen, schickt sich wohl nicht. Täuschung aber auch nicht.

Und letztlich, ich wiederhole mich hier, ist die Wassermotorisierung nur eine Fortsetzung dessen, was schon in den Tagebauen durchgeführt wurde. Das Staatsunternehmen LMBV schreibt: Mit Motorsport wird die Region vorangebracht ….

Und auch hier wiederhole ich mich, das WTNK ist kein regionales, sondern ein landes-, wegen der Tagbausanierung (incl. der Mittel aus dem Bund-Länder-Abkommen) auch ein bundespolitisches Thema. Auch, wenn es lächerlich erscheint: der Ausbau des Floßgrabens ist, weil Teil des WTNK, auch ein überregionales Thema. So, wie jeder andere Teil-Gewässerausbau (Wasserschlange, Harth-Kanal, E-S-K, Schiffshebewerk, Schleusen etc.) Teil des Gesamtkonzeptes ist und somit nicht für sich betrachtet werden kann – sondern immer nur als Teil des Ganzen. Wer die einzelnen Gewässerabschnitte separiert, betreibt das Geschäft der motorisierten Gewässernutzung. Das haben verschiedene Politiker noch nicht verstanden ….Ein Gastbeitrag von Olaf Maruhn.

Der Artikel steht in der Leipziger Internet Zeitung und ist mit Bildmaterial und weiteren passenden Themen hinterlegt. www.li-z.de

http://www.l-iz.de/Politik/Region/2013/04/Motorboot-Strategie-im-Neuseenland-1-47653.html

http://www.l-iz.de/Politik/Region/2013/04/Hintergruende-fuer-die-Motorboot-Strategie-im-Neuseenland-47668.html

http://www.l-iz.de/Politik/Region/2013/04/Die-Hintergruende-f%C3%BCr-die-Motorboot-Strategie-47685.html

Schnellbericht zur Bürgerumfrage 2012: Was für ein Neuseenland wollen die Leipziger eigentlich?

http://www.l-iz.de/Politik/Region/2013/04/Schnellbericht-zur-2012er-Buergerumfrage-47679.html

Ein Artikel von Ralf Julke.

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