Die Gefährdung der Artenvielfalt und was dagegen zu tun ist

1. Wozu brauchen wir Biodiversität?

Biodiversität, auch biologische Vielfalt meint die Vielfalt der Pflanzen- und Tierarten, der Lebensräume sowie die Vielfalt genetischer Ausprägungen einer Art. Seit der Internationalen Konvention zum Schutz der Biodiversität 1992 ist sie zu einem Leitbild des Naturschutzes geworden. Von der biologischen Vielfalt hängt das Überleben der Menschheit ab, denn sie schafft Boden, säubert Wasser und Luft, ist Nahrungsgrundlage und Schatzkammer für Arzneimittel. Zur Bewahrung dieser Lebensgrundlagen müssen sich Ökosysteme trotz Nutzung regenerieren können. Überall in der Welt, auch in Sachsen, sind bestimmte Lebensräume mit ihren Arten akut gefährdet. Die Menschheit wirtschaftet so, als ob Boden, Wasser, Luft, Fauna und Flora unerschöpflich zur Verfügung stünden – welch’ Täuschung!

2. Ursachen der Gefährdung

Die seit etwa 70 Jahren immer industrieller betriebene Landwirtschaft zerstört Vielfalt. Sie schafft mit wenigen Pflanzensorten, der Verkürzung von Fruchtfolgen, der Vergrößerung der mit nur einer Feldfrucht bestellten Ackerfläche (sog. Schlag) sowie der intensiven Düngung und Ausbringung von “Pflanzenschutzmittel” genannten Giften eine immer ödere Umwelt. Auf den 720.000 Hektar sächsischen Ackerlands werden zu 55 Prozent Getreide, zu 19 Prozent Raps und zu 12 Prozent Mais angebaut. Nur 14 Prozent bleiben für andere Kulturen.

Häufige Bodenbearbeitung, kurze Ruhezeiten der Felder nach der Ernte (Stoppelzeiten) und dichte Halmstände verschlechtern die Überlebensbedingungen der auf Äckern lebenden Tiere dramatisch. Rebhuhn und Hamster stehen vor dem Aussterben. Die Überdüngung führt zu einer gefährlichen Überfrachtung von Boden und Wasser mit Nährstoffen. Der Einsatz von Bioziden oder Pestiziden wie Glyphosat verursacht Schäden in der Nahrungskette – über Pflanzen und Tiere bis hin zum Menschen.

In sächsischen Wäldern dominieren mit Fichtenplantagen Monokulturen, die für Stürme und Borkenkäfer höchst anfällig sind und dem Klimawandel nicht standhalten können. Im Zuge “ordnungsgemäßer” Forstwirtschaft werden außerdem wertvolle Altbäume und Totholz beseitigt, die auf sie spezialisierte Käfer beherbergen.

Obwohl die chemische Verschmutzung der Gewässer im Freistaat seit der Wende verringert werden konnte, ist ihr ökologischer Zustand weiterhin verbesserungswürdig. Zudem hat die seit dem 19. Jahrhundert betriebene Begradigung und Kanalisierung von Flüssen wie der Elbe diese Gewässer in ein festes Bett gezwängt und von ihren Auen abgetrennt. Aufgrund der fehlenden regelmäßigen Überflutung gingen typische Lebensgemeinschaften verloren.

Als wäre das nicht genug, werden in Sachsen immer noch etwa acht Hektar Land pro Tag versiegelt. Dennoch können heute Tiere und Pflanzen in städtischen Parks und naturnahen Gärten oft besser als in der ausgeräumten Agrarsteppe überleben. Umso tragischer ist die in Sachsen erfolgte Abschaffung kommunaler Baumschutzsatzungen durch die CDU/FDP-Staatsregierung. Wertvolle Altbäume fallen nun dem Unverstand zum Opfer. Leider ist auch die Vernichtung von Nistgelegenheiten an Gebäuden und die Verwendung von Chemie im Garten kein Tabu.

 3. Ein Umdenken ist notwendig

Der Freistaat ist seit 2002 zum Aufbau eines Biotopverbunds auf zehn Prozent der Landesfläche verpflichtet. Seit 2010 besitzt er ein Programm zum Schutz der Biodiversität. Dennoch ist bis heute wenig geschehen.

Wir brauchen naturnahe und nutzungsfreie Wälder sowie Flussauenlandschaften. Traditionelle Kulturlandschaften bäuerlicher Landwirtschaft müssen mit ihrer Artenvielfalt bewahrt werden. Fast alle Flussläufe Sachsens sind als europäische Schutzgebiete ausgewiesen. Leider haben diese FFH-Gebiete oft nicht die erforderliche Qualität, da der Freistaat besondere Bewirtschaftungsanforderungen ablehnt.

Obwohl Sachsen über wertvolle Großschutzgebiete wie etwa den Nationalpark Sächsische Schweiz, das Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft oder das NSG Königsbrücker Heide verfügt und sich der Förderung einer umweltgerechten Landbewirtschaftung mit dreistelligen Millionensummen rühmt, hat sich das Artensterben seit der Wende beschleunigt. Die Europäische Union verlangt nun ab 2013, sieben Prozent der landwirtschaftlichen Betriebsfläche als “ökologische Vorrangflächen” zu behandeln. Notwendig sind Artenschutzmaßnahmen wie Hecken, Baumgruppen oder Nassstellen in der ausgeräumten Agrarsteppe, Blühstreifen zwischen den Schlägen sowie Stoppelbrachen, wechselnde Frucht- und Bearbeitungsabfolgen, die den Tieren Fluchtmöglichkeiten lassen. Die Agrarförderung darf nicht mehr an der Fläche anknüpfen, sondern an Umweltschutzerfolgen wie etwa dem Vorhandensein bestimmter Arten.

Ebenso selbstverständlich wie wir Verkehrs- und Versorgungsnetze brauchen, benötigen wir ein Biotopverbundsystem verschiedener Lebensräume aus bestehenden Schutzgebieten, Wildnisgebieten, Kulturlandschaften und neuen Verbindungsflächen, in denen sich die Arten, für die Sachsen eine besondere Verantwortung trägt, in überlebensfähigen Populationen ausbreiten können. Denn jedes Naturgeschöpf und jede Naturbildung ist als unsere eigene Lebensgrundlage wertvoll und schützenswert.

Quellenhinweis: SAXGRÜN Zeitschrift der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

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