Wie funktioniert das mit dem Hochwasserschutz! NuKLA fragte nach!

Am 8. Mai 13 wurde das Hochwasserentlastungsbauwerk am Standort Zitzschen (Zwenkauer See) von Herrn Ministerpräsident Tillich übergeben. In diesem Zusammenhang wollte NuKLA wissen, wofür wir dieses Werk benötigen,  und fragte zeitgleich, ob dann dennoch das Nahleauslasswerk in der Burgaue gebraucht würde.  Die 3. Frage war, wofür an der Neuen Luppe, Höhe Lützschena,  die kilometerlange, hohe Spundwand zum Hochwasserschutz in 2011 errichtet wurde. Mit diesen Fragen wandte sich NuKLA am 09. Mai an etliche Fachleute. Inzwischen haben sich die Ereignisse überschlagen.

Hierzu erhielt NuKLA eine Antwort von Frau Sabrina Hansmann, einer ehrenamtlichen Naturschützerin:  “Ich fange einmal ganz von vorn an, anders geht es nicht, diese Fragen zu beantworten. Das Auslaufbauwerk am Zwenkauer See ist für unsere Stadt in Zeiten von Klimaanomalien überlebensnotwendig. Das haben wir alle aktuell gesehen. Sie fragen aber: was ist mit dem Nahleauslassbauwerk? Darum habe ich mir auch viele Gedanken gemacht. Heute Nacht 3.06. und morgen 04.06. brauchen wir es auf jeden Fall. Die goldene Frage ist: brauchen wir es in Zukunft? Vermutlich ja – wenn nicht grundlegend was verändert wird.

Fakt ist, unsere Flüsse (nicht nur in ganz Deutschland) haben ein gewaltiges Problem, und dieses Problem macht uns in allen Bundesländern mächtig nasse Füße! Egal wie schmal oder wie flach ein Fluss oder Bach aussieht, das ist nur seine permanente Erscheinungsform! Flüsse (und Bäche) sind extrem wandelbar, und wir sehen gerade, was passiert, wenn es eine Woche lang mal richtig regnet. Die Breite eines Flusses ist nicht die, die wir in der Regel sehen, sondern die Breite eines Flusses ist die, die wir jetzt sehen! Alles, was gerade überflutet wird, befindet sich in Gebieten, in denen eigentlich nichts stehen dürfte. All das sind Gebiete, die dem Fluss gehören, und er wird immer darauf bestehen, dass es seine Gebiete sind, egal wie hoch wir Deiche bauen. Ein jeder Fluss braucht diesen Freiraum, um gesund zu bleiben – in Wasserqualität, Durchlaufgeschwindigkeit, als Lebensraum. Ein gesunder, freier Fluss, dem man Platz zum Leben lässt, bringt uns allen also viele Vorteile. Der Nachteil: der Fluss braucht Platz. Das wiederrum gefällt den Menschen nicht, und sie haben den Flüssen schon im frühen Mittelalter Meter für Meter abgerungen. Sie brauchten das Wasser für Mühlen (Pleißemühlgraben), als Verkehrsweg (siehe Floßgraben), als Nahrungsgrundlage (Fischerei) usw. Und ebenfalls früh hat der Mensch angefangen, die Flüsse nach seinen Zwecken umzugestalten. Da er aber nur geringe Mittel hatte, hatte die Natur dabei stets genug Zeit, sich wieder von den Eingriffen zu erholen. Solch gigantische Eingriffe wie in der heutigen Zeit waren früher technisch gar nicht möglich (und auch nicht notwendig). Die industrielle Revolution hat dies grundlegend geändert, und wenn Stadtteile von Leipzig heute Nacht überflutet worden wären, hätte dies nichts anderes bedeutet, als dass wir für die Sünden unserer Vorfahren jetzt büßen müssen. An all den anderen Flüssen ist die Geschichte ähnlich verlaufen. Es gibt für all unsere Flüsse auf ihrer gesamten Fließstrecke viel zu viele Baumaßnahmen und Eingriffe in den letzten 200 Jahren, dass es schwer fällt, zu sagen, wo man anfangen sollte.

Ja, es muss definitv Deichrückverlegungen geben, die Frage ist nur, wo und in welcher Reihenfolge! In Bayern hat man damit klugerweise ja schon angefangen, aber eben nur angefangen. Weshalb Rosenheim trotzdem keine Chance hatte, davon zu profitieren.

Allerdings muß man dabei schon an der Quelle anfangen und nicht erst an der Mündung: Statt die kleinen Gebirgsbäche zu kanalisieren, wie z.B. im Erzgebirge, geht es da schon los, dass man Raum lässt für natürliche Ausdehnungen zu Hochwasserzeiten. Schon als kleiner Bach braucht der später große Strom Platz, wo er sich ausbreiten kann, nicht erst in Leipzig! Denn sonst kommt es jetzt, wie wir gerade sehen, zu Wassermassen, denen wir hilflos gegenüberstehen. Bis zu seiner Mündung braucht jeder Fluss an jeder Stelle Platz, wo nur Platz für ihn geschaffen werden kann. Die Deichrückverlegungen dürfte es also nicht nur in Leipzig geben, sondern überall anders auch. Denn Leipzig ist zu dicht besiedelt, um mit seinem Auwald für die Sünden seiner Vorgängerkommunen zur Quelle hin zu büßen. Die Flut ist sonst wie ein Wanderpokal, den eine Ortschaft zur nächsten Ortschaft durchreicht, bis es an einer ungünstig gelegenen Ortschaft wie Dresden oder Leipzig zur Katastrophe kommt.

Und wenn ich mir überlege, wieviel Zeit es kosten wird, diese ganzen Kommunen und Bundesländer einig an einen Tisch zu bringen…. da ist es vielleicht in der Tat besser, bis dahin dieses Bauwerk in Ordnung zu halten. Denn wie wir gerade sehen, saufen wir sonst ab, bevor wir dieses gesamtgesellschaftliche Projekt gestemmt haben. Das ist völlig schizophren, aber es geht nicht anders!

Was ich aber in Politik und Verwaltung vermisse, ist der Blick nach vorn und sind Planungen für die Zukunft, und das ist meiner Ansicht nach das Problem. Denn unsere Gesellschaft muss jetzt nicht nur wie ein Flickwerk Deiche sanieren, am nächsten Flusskilometer mal ein wenig Deich zurückverlegen und beim übernächsten Flußkilometer ein Auslaufbauwerk sanieren. Unser gesellschaftliches Wir muss jetzt neben diesem “Tagesgeschäft” für morgen sorgen, und zwar dringend!

Ich fasse einmal zusammen: Um fürs erste für Sicherheit zu sorgen: ja, es ist richtig dieses Bauwerk zu sanieren, da haben die Behörden recht. Aber nur, wenn man gleichzeitig und trotzdem die anderen Maßnahmen in Angriff nimmt, und hier haben diejenigen recht, die vehement die Rückverlegung der Deiche und Retentionsgebiete fordern! hat der AHA Halle recht!

Der Witz liegt im “UND” statt “Entweder-oder” und in der Reihenfolge. Das gesellschaftliche Wir muss unbedingt am Ball bleiben, dass die Deichrückverlegungen, das Schaffen von Retentionsräumen usw. in Zukunft passieren wird! Denn jedes Fleckchen gehört jemandem, und wenn der nicht will, geht teilweise gar nichts mehr. Das wird kein Zuckerschlecken, aber die Gesellschaft ist darauf dringend angewiesen. Deswegen muss man anfangen, darüber zu reden”!

Vielen Dank, Frau Hansmann. Es ist gut zu wissen, dass auch bezogen auf den Hochwasserschutz ein Weiter- und Andersdenken in Gang kommen muss – wie es bereits in andern Bundesländern geschieht.

Sehen Sie hierzu auch die Presserklärung in diesem Link: http://www.l-iz.de/Melder/Melder/2013/06/AHA-fordert-nachhaltigen-Hochwasserschutz-48766.html

Und den zum Thema passenden Artikel der Leipziger Internetzeitung: http://www.l-iz.de/Politik/Leipzig/2013/06/Hochwasserschutz-in-Leipzig-48805.html

WWF & NABU kritisieren Hochwasserschutz in Sachsen: http://www.l-iz.de/Politik/Sachsen/2013/06/WWF-und-NABU-kritisieren-Hochwasserschutz-in-Sachsen-48838.htmlhttp://www.l-iz.de/Politik/Sachsen/2013/06/WWF-und-NABU-kritisieren-Hochwasserschutz-in-Sachsen-48838.html

Lehren aus dem Hochwasser ziehen: http://www.l-iz.de/Politik/Region/2013/06/Lehren-aus-dem-Hochwasser-2013-48879.html

Aufruf nach Dresden: http://www.l-iz.de/Politik/Region/2013/06/Analyse-der-Hochwasserereignisse-notwendig-48970.html

Wie teuer darf´s denn sein?: http://www.l-iz.de/Politik/Region/2013/06/Technischer-versusu-nachhaltiger-Hochwasserschutz-49003.html

Will Leipzigs Stadtverwaltung oder will sie nicht!: http://www.l-iz.de/Politik/Leipzig/2013/06/Wem-nutzen-Leipzigs-Polder-49136.html

Die Konzepte schlafen ihren Dornröschenschlaf, seit 80 Jahren kämpft man für die Rettung des Auwaldes: http://www.l-iz.de/Politik/Leipzig/2013/06/Leipzigs-Hochwasserschutz-Rueckhaltebecken-und-Polder-49134.html

Wissenschaftliche Untersuchungen zum Hochwasserschutz: http://www.l-iz.de/Bildung/Forschung/2013/06/Umweltforschungszentrum-Leipzig-Vier-Saeulen-fuer-Hochwasservorsorge-49187.html

Hochwasserdebatte im Sächsischen Landtag: http://www.l-iz.de/Politik/Sachsen/2013/06/Hochwasserdebatte-im-Saechsischen-Landtag-49225.html

Gisela Kallenbach hat auch ein paar spezielle Fragen zu Leipzig: http://www.l-iz.de/Politik/Sachsen/2013/06/Hochwasserschutz-in-Sachsen-Gisela-Kallenbach-hat-Fragen-49234.html

Was schützen denn die nördlichen Deiche ?: http://www.l-iz.de/Politik/Brennpunkt/2013/06/Was-schuetzen-die-noerdlichen-Deiche-49292.html

SPD WiederaufbauhilfePlus für Umzugswillige: http://www.l-iz.de/Politik/Sachsen/2013/06/WiederaufbauhilfePlus-fuer-Umzugswillige-49314.html

Hochwasserschutz: leider kein Umdenken in Sicht: http://www.l-iz.de/Politik/Sachsen/2013/06/Rede-Tillichs-Bundestag-Hochwasserpolitik-in-Sachsen-49365.html

Das Denken beginnt die Richtung zu ändern: http://www.l-iz.de/Politik/Sachsen/2013/06/Kein-Risiko-durch-Neubauten-am-Fluss-eingehen-49426.html

NABU fordert generelles Bebauungsverbot in Flussauen: http://www.l-iz.de/Politik/Sachsen/2013/06/Generelles-Bebauungsverbot-fuer-Flussauen-49428.html

Länderübergreifender Hochwasserschutz, besser wäre das Wort  Hochwasservorsorge: http://www.l-iz.de/Melder/Melder/2013/07/Laenderuebergreifender-Hochwasserschutz-an-Elbe-Mulde-49546.html

NuKLAs Aufruf an Frau Merkel: http://klassischekartoffelkonzerte.de/2013/07/nuklas-aufruf-an-bundeskanzlerin-angela-merkel-frau-merkel-muss-handeln/

Nachhaltige Hochwasser Schutzkonzeption:  http://www.l-iz.de/Politik/Region/2013/07/AHA-haelt-nachhaltige-Hoch–und-Grundwasserkonzeption-fuer-noetig-49802.html

Bündnis90/Die Grünen schlagen vor: http://www.l-iz.de/Politik/Sachsen/2013/08/Hochwasserschutz-in-Sachsen-Vorschlaege-f%C3%BCr-Ueberflutungsflaechen-50314.html

 

 

 

 

 

 

 

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