AHA hält Rosenthals Vorschläge zum „Hochwasserschutz“ in Leipzig für weitgehend ungeeignet !

Gastbeitrag von Andreas Liste. Das Junihochwasser 2013 ist nunmehr über ein halbes Jahr her und das Frühjahrshochwasser 1994 jährt sich in diesem Jahr zum zwanzigstenmal. In dieser Zeit ist es nach Auffassung des Arbeitskreises Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) u.a. den Verantwortlichen des Freistaates Sachsen und der Stadt Leipzig nicht gelungen, erstens die Ursachen der Hochwasser zu ermitteln bzw. festzustellen, zweitens ordnungsgemäße Schlussfolgerungen daraus zu ziehen und letztendlich drittens ein Konzept zum Umgang mit dem Hochwasser zu erstellen, welches auch den Namen verdient. Der Katalog der angedachten 23 Maßnahmen, welche der linke Umweltbürgermeister Leipzigs Heiko Rosenthal jüngst in den Medien präsentiert hat, ist Ausdruck eines nicht sorgfältig, wissenschaftlich fundiertem Auseinandersetzens mit den Ursachen der Hochwasser sowie eines damit verbundenen unausgereiften, wenig nachhaltigen Konzepts mit ökologisch Zügen und trägt zudem klar und deutlich fast nur die Züge eines Sammelsuriums wasserbaulicher Maßnahmen. Überlebt gedachten Umgangs mit Fließgewässern und ihrer mehr oder minder vorhandenen Auen wie Grundberäumungen des Zauchgrabens, des Schaukelgraben und des Hohen Grabens, Entschlammungen des Sommerfelder Grabens, des Bahngrabens in Lützschena und des Bauerngrabens, Anlage, Ausbau und Ertüchtigung von Poldern, Bau eines Hochwasserschutztores im Karl-Heine-Kanal sowie Revitalisierung des Zschampert und des Floßgrabens, lassen im Falle einer Umsetzung böses erahnen. Es ist nach Auffassung des AHA deutlich zu erkennen, dass man ein gigantisches steuerfinanziertes Ausbauprogramm an und in Fließgewässern sowie in den Auen in der Planung hat. Dabei erscheinen Fließgewässer nur noch als Abflussrinnen und Verkehrstrassen. Nunmehr gehört es aber schon zum Allgemeinwissen, dass begradigte und eingetiefte Fließgewässer neben ihres Verlustes an ökologischer Vielfalt und Struktur, nur als naturnahe, mäandrierende Bäche und Flüsse dem Hochwasser die Kraft nehmen und sich so nicht noch weiter eintiefen können. Dabei ist auch hinlänglich bekannt, dass eingetiefte bzw. sich eintiefende Fließgewässer während Hochwassersituation dieses Mehrwasser nicht an die natürlichen Überflutungsgebiete –die Auen- abgeben können und somit mit unverminderter Kraft und Menge auf das nächste Fließgewässer oder Siedlungen der Menschen zuströmen kann. Man reicht also praktisch das Hochwasser einfach weiter. In Trockenzeiten können diese Fließgewässer kein Wasser an ihr näheres Umfeld abgeben, was Austrockung in der Aue bedeutet. Darunter leiden nicht nur die Auenlandschaften, sondern auch die Landwirtschaft. Beides benötigen gerade auch im Zenit der Vegetationsperiode, also im Sommer, umfassende Wasserversorgung. Angesichts der bereits deutlich erkennbaren Veränderungen der Klima- und damit verbundenen Wettersituationen, welche u.a. zunehmende lange Trockenzeiten aufzeigen, eine verheerende Situation.

Anstatt Fließgewässer zu entschlammen, sollte sich mal Herr Rosenthal mit der Ursache des vermehrten Eintrags von Schlamm in Bächen und Flüssen auseinandersetzen. Während zu DDR-Zeiten bis 25 verschiedene Ackerkulturen auf den Feldern standen, hat sich die Vielfalt auf 6 – 7 Kulturen verarmt. Während einst im Rahmen der Fruchtfolge auch Humusmehrer wie Luzerne, Phacelia und Klee-Gras-Gemische zur Verbesserung der Bodenstruktur beitrugen, dazu noch idealen Lebens- und Nahrungsraum für zahlreiche Tiere boten, prägen heute hohe, undurchdringliche, humuszehrende Kulturen wie Mais und Raps das Bild der Agrarräume. Es folgt Humusabbau, geringere Wasserdurchlässigkeit mit einhergehender Bodenverdichtung. Auf Grund des von Monokulturen veranlassten und beförderten Abbaus der Artenvielfalt auf der Fläche, Rückgangs des Humusbestandes mit einhergehender Minderung des Puffervermögens, Wasserdurchlässigkeit und Bodenverdichtung, versucht man mit verstärkten mineralischen Düngemittelgaben und Ausbringen von Pestiziden das gestörte Gleichgewicht auf den Flächen auszugleichen. Angesichts der immer mehr zunehmenden, klimatisch bedingten Starkniederschläge und der verminderten geringeren Wasseraufnahmefähigkeit der Böden, fließt das Wasser oberflächlich ab und erodiert dabei den häufig stark mit Nährstoffen und Pestiziden angereicherten Boden. Neben der Tatsache, dass somit eine Ursache von Hochwasser benannt ist, führt dies zur zunehmenden Verschlammung und Eutrophierung von Gewässern. Jedoch in Trockenphasen sorgen Winderosion sowie Abdrift von Düngemitteln und Pestiziden für eine ähnliche Wirkung. Häufig fehlende Gewässerschonstreifen verstärken und befördern diesen Prozess.

Nach Auffassung des AHA gilt es daher, alles zu unternehmen, die Vielfalt der Anbaustruktur und somit die Fruchtfolge zu verbessern, Gewässerschonstreifen von mindestens beidseitig 10 m zu belassen sowie den Gehölzbestand mit krautigen Saumstreifen sukzessiv oder pflanzend zu erweitern.

Mit der Revitalisierung des Zschampert und des Floßgrabens meint offenbar Herr Rosenthal, wenn man den Begriff wörtlich nimmt, den Ausbau für den motorisierten Bootsverkehr in Verbindung mit dem Saale-Elster-Kanal, dem Kulkwitzer See und der Neuseenlandschaft im Süden Leipzigs. Eine Maßnahme, die nichts mit einem nachhaltigen Umgang mit Hochwasser, aber mit Verlärmung und Abgasbelastung sowie Störung bzw. Zerstörung von Auenlandschaften zu tun hat.

Nicht nur, dass praktisch alle Rosenthal-Maßnahmen eher Auen und Fließgewässer weiter beeinträchtigen und somit klar gegen die europäischen Wasserrahmenrichtlinien (WRRL) verstoßen, möchte man nur einen wasserbaulich geprägten Umgang mit Hochwasser praktizieren. Diese betten sich in den Ausbau der Deichsysteme entlang der Luppe mit einhergehenden Abholzungen sowie der Errichtung eines neuen Nahle-Auslassbauwerk zu der Burgaue, welche man so zu einem Polder degradiert.

Der AHA fordert daher Herrn Rosenthal auf, endlich als Umweltbürgermeister zu agieren und ein ökologisch-nachhaltiges Hochwasserkonzept für Leipzig vorzulegen, welches mit den Freistaaten Sachsen und Thüringen sowie dem Land Sachsen-Anhalt abgestimmt ist. Darin sollte nach Auffassung des AHA enthalten sein, generell weitere neue Verbauungen und Versiegelungen –insbesondere in der Aue- auszuschließen und Rückbaumaßnahmen zu prüfen; sich für eine vielfältigere, ökologisch orientierte Landwirtschaft einzusetzen; Fließgewässer von Querbauwerken, Sohl- und Uferbesfestigungen zu befreien, zu renaturieren und mindestens eine naturnahe Gewässerentwicklungen mit Uferschonstreifen von mindestens beidseitig 10 m Breite zuzulassen und zu befördern; Umfassende Deichrückverlegungen vorzunehmen und somit von den Fließgewässern getrennte Auenwälder –z.B. in der Elster-Pleiße-Aue im Süden Leipzigs und die Burgaue- wieder anzuschließen und somit Überflutungsraum zurückzugeben. Als Ausgangspunkt sei sich in dem Zusammenhang folgende Situation vor Augen geführt, welche u.a. Dr. Hans-Dieter Kasparidus vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung im Rahmen des 5. Leipziger Auensymposiums am 16.04.2011 darlegte. Er bezifferte die Auenfläche mit 4.563 ha. Weiter führte er aus, dass davon 3.934 ha Altaue sowie 524 ha rezente Aue und 105 ha Fläche Fluss umfassen. Prozentual bedeutet dies, dass 86,22 % zwar morphologisch Aue sind, aber in der Regel durch Deiche abgetrennt, keine Überflutung mehr erfahren sowie nur 13,78 % einer Überflutung zur Verfügung stehen.

Nach Auffassung des AHA hilft nur ein verantwortungsvoller und wissenschaftlich begründeter Schutz und eine entsprechende Entwicklung von Umwelt, Natur und Landschaft und nicht noch mehr Beton, höhere und breite Deiche und ausgebaute Fließgewässer für einen ordnungsgemäßen, nachhaltigen Umgang mit Hochwasser.

Hochwasser an sich ist eine Katastrophe, die Auen brauchen es. Nur der Mensch hat es geschafft Hochwasser zu Katastrophen zu machen.

Der AHA ist jedenfalls bereit im Rahmen seiner ehrenamtlichen Möglichkeiten an der Prüfung und Erarbeitung aktueller Konzeptionen zum nachhaltigen Schutz und Entwicklung der Auen und einer eng damit verknüpften Hoch- und Grundwasserkonzeption mitzuwirken. Darüber hinaus ruft der AHA zur aktiven Mitwirkung interessierter Bürgerinnen und Bürger in den Städten Leipzig, Markkleeberg und Schkeuditz auf, sich mit einzubringen.

Halle (Saale), den 02.02.2014            Andreas Liste,   Vorsitzender

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