Die Stadt, der Eisvogel und der Floßgraben. Oder: Was nicht passt, wird passend gemacht.

Es ist nicht fair, böse Absichten zu unterstellen. Aber die offiziellen Fakten sprechen bisweilen für sich. „Zum Artenschutz im Floßgraben“ ist die gestrige Pressemitteilung aus dem Rathaus überschrieben. Sie informiert über eine Fachveranstaltung, bei der die „Verwaltung die Ergebnisse von Untersuchungen zum Floßgraben und zur besonderen rechtlichen Situation im Zusammenhang mit dem Vorkommen des Eisvogels vorstellte.“ Diese Gutachten hatte die Stadt 2013 in Auftrag gegeben, um „die Eisvogelpopulation im Leipziger Auwald zu erhalten bzw. zu stärken.“ Das liest sich gut. Aber eigentlich sollen die gefiederten Störenfriede möglichst umgesiedelt werden – weg vom Floßgraben. „Die Auswertung aller vorliegenden Daten und Randbedingungen hat die Möglichkeit für die Schaffung der elf neuen Brutgelegenheiten für den Eisvogel im Leipziger Auwald ergeben. Diese können durch einfache Uferabstiche, durch in das Ufer integrierte Lehmquader oder durch lehmhinterfüllte Holzverbaue hergestellt werden.“ Dies soll noch in diesem Herbst geschehen. Zuvor werden „das Vorkommen und die Brutintensität des Eisvogels erfasst. Für den Floßgraben geschieht dies im drei-Tage-Rhythmus.“ Und für alle Zweifler kommt der beruhigende Satz: „Aufgrund des milden Winters 2013/2014 war die Sterblichkeitsrate bei den Eisvögeln besonders niedrig, so dass die diesjährige Population mit durchschnittlich zwei bis sechs Paaren vergleichsweise groß ist.“

Wer immer noch nicht von diesem Ansinnen überzeugt ist, bekommt es mit dem zweiten Teil der Pressemitteilung zu tun: „Die rechtliche Situation am Floßgraben“. Eines der Gutachten „von anerkannten, national und international bekannten Juristen mit Schwerpunkt Naturschutzrecht“ wog dabei das Wassertouristische Nutzungskonzept als Ziel des Regionalplanes Westsachsen 2008 mit dem Artenschutzrecht ab. Ergebnis: „Das öffentliche Interesse an der Befahrbarkeit des Floßgrabens kann dann überwiegen, wenn sich die davon ausgehenden Beeinträchtigungen der Eisvögel durch geeignete Kompensationsmaßnahmen so reduzieren lassen, dass sie keinen negativen Einfluss auf die lokale Population haben.“

Das erklärt den Aufwand mit den künstlichen Brutgelegenheiten. Es geht unverändert um das Wassertouristische Nutzungskonzept. Dem neuen Brutplatzangebot wird praktischerweise mit Vorschusslorbeeren unterstellt, dass von ihm „positive Auswirkungen auf die Größe der lokalen Eisvogelpopulation ausgehen können.“ Mit der Betonung auf können.

Zugegeben: Der Interessenkonflikt ist da und muss gelöst werden. Nur wie? Seit 17. April dürfen nur „muskelbetriebene Boote“ den Floßgraben befahren, und das „ausschließlich in der Zeit von 11:00 bis 13:00 Uhr und 16:00 bis 18:00 Uhr.“ Die Pressemitteilung vor einem Monat dazu endete mit den Worten „Das Amt für Umweltschutz etabliert ein Monitoring. Wird dabei ersichtlich, dass trotz der in der Allgemeinverfügung getroffenen Regelung das Brüten des Eisvogels gefährdet ist, können weitere Einschränkungen der Nutzung bis zu einer kompletten Sperrung folgen.“

Andererseits ist die „Möglichkeit von Ausnahmeregelungen genauso wie 2013 gegeben.“ Was zur Folge hat, dass täglich 14 Uhr das Leipzig-Boot durch den Floßgraben schippert, Sediment aufwirbelt und das Wasser für 45 Minuten trübe macht, so dass der Eisvogel nicht darin fischen kann.

Die eigentlich beste Nachricht datiert schon vom März dieses Jahres und wurde nicht über die städtische Pressestelle verbreitet: Die Landesdirektion stellt Auenwald und Floßgraben keine Schiffbarkeitserklärung aus! Nur Norman Volger von den Grünen reagierte: „In Folge dessen müssen nun die zahlreich erfolgten (Sonder-)Genehmigungen für Motorboote kritisch in Augenschein genommen werden … Außerdem erscheint es uns notwendig, das wassertouristische Nutzungskonzept von Grund auf neu zu denken, um künftige Fehlinvestitionen zu verhindern.“ Genau. Nicht auszudenken, wenn der Eisvogel in diesen Planspielen nicht mitmacht. Soll er sich einen Anwalt nehmen und gegen seine Vertreibung klagen?

Frank Willberg

 

 

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