Wünsch dir was, im Wassersportparadies

Zu Besuch beim 8. Seenland-Kongress auf der Messe „Beach & Boat“ zu Deutsch „Strand und Boot“

Bereits mit dem Titel der Veranstaltung soll man etwas von ihrer besonderen Bedeutung erfahren: Für einen Kongress erwartet man eine große Teilnehmerzahl in einer mehrtägigen Veranstaltung. Wenn aber wie diesmal nur  ca. 50 Teilnehmer für einen knappen Tag beisammensitzen, wäre der Ausdruck „Tagung“ vollkommen ausreichend. Auch der Gesprächsrunde am Schluss der Veranstaltung wurde ein besonderer Titel vergeben, nämlich der fordernde Aufruf „Wünsch Dir Was“ (…im Wassersportparadies Sachsen). Dieser Titel wurde in den sechziger und siebziger Jahren auch für Unterhaltungsendungen im Fernsehen verwendet, einmal im ZDF und einmal im DFF. Die ostdeutschen älteren Semester werden sich noch genau an diese Wunschsendung unter Irmgard Düren erinnern, bei der dem damaligen DDR-Bürger sogar die Möglichkeit geboten wurde, sich z.B. auch einen Musiktitel aus dem unerreichbaren Westen zu wünschen. Da es nur sehr wenige waren, denen ihr Wunsch erfüllt werden konnte, wurde mit dem geflügelten Wort „Du bist hier nicht bei Wünsch Dir Was“ auch in anderen Zusammenhängen im Alltag der DDR der Mangel charakterisiert.

Bei dieser Veranstaltung schien sich keiner dieses Hintergrundes bewusst zu sein, und so versteht nur der sich Erinnernde dieses Stück Realsatire: Das Zitat beim Kongress wirkte, als sollte multiplen Wünschen mit fraglichem Nutzen gegen Finanzierungsprobleme und Naturschutzbestimmungen eine Chance zu ihrer Umsetzung gegeben werden können -während dereinst (wie heute?) mit dieser programmatischen Überschrift zwar verheißene, jedoch tatsächlich eher verweigerte Erfüllung von Wünschen euphemistisch umschrieben war.

Beworben und angepriesen ein sagenhaftes  „Wassersportparadies Sachsen“. Diese Benennung geht an den Tatsachen vorbei, kann also nur als eine fehl- (statt viel-)versprechende Werbung verstanden werden. Was wären dann Brandenburg mit seinem Havelland oder gar Mecklenburg, wenn eine leichte Zunahme an Wasserflächen im sonst an natürlichen Seeflächen armen Bundesland Sachsen sich mit „paradiesischen“ Wassersportverhältnissen brüstet?

Im ersten Vortrag nach der Begrüßung hat BM Rosenthal die Umstände und die noch erforderlichen Bauten für den Kurs 1 vorgestellt. Es sind viele Mittel und Fördermittel bisher aufgewandt worden, die für den Neubau/Ausbau von Wasserwegen verwendet wurden. Es scheint nicht recht beachtet zu werden, dass in der Zukunft weiterhin erhebliche Mittel allein für die Wartung der Wasserwege aufgebracht werden müssen. Ein Beispiel sei die offenliegende,  korrodierende Bewehrung an der Schleuse Lauer/Cospudener See, die schon nach wenigen Jahren ahnen lässt, dass bald ein weiteres Funktionieren sehr viel Geld erfordern wird. Mit Rostschutzanstrichen ist das nicht mehr getan. Da auch diese Schleuse nach heutigem Wissensstand nicht mehr gebaut werden würde, kann man nur hoffen, dass man die Natur einfach ihre Arbeit verrichten lässt.

Herr Rosenthal hat eine schwierige Funktion, was bei dieser Veranstaltung wieder offensichtlich wurde. Seine Arbeitsbereiche Umwelt, Sport und Ordnung lassen sich nun mal nicht immer „unter einen Hut bringen“. Soll für den Wassersport der Floßgraben wenig eingeschränkt als Teil der Verbindung zwischen Stadt und Cospudener See verwendet werden, widerspricht das logischerweise dem Schutz der Natur im südlichen Auwald. Seine Lösung der Bivalenz seines Amtes bestand in dieser Veranstaltung in der Ignoranz der unpässlichen Funktion Umwelt.

Lediglich die tourismuswirtschaftliche Entwicklung des Wassersports wurde ausführlich besprochen; zwar fiel in seinem Beitrag einmal das Wort „Naturschutz“ etwa wie „… dem Naturschutz entsprechend …“,aber die lange Liste der Tierarten, die eine grenzenlose Nutzung des Floßgrabens be- und verhindert, wurde gegenüber den anwesenden Tourismuswirtschaftlern gefällig unterdrückt. Für manche von ihnen hatte sich Naturschutz offenbar bereits so sehr zum Reizwort entwickelt, dass sie mit Dank dem Redner Beifall zollten.

Man grüßte sich mit „Glück auf & Ahoi“, der segensreichen Allianz von Braunkohlabbau und Wassersporttourismus huldigend, ein sonderbarer Gruß der Verbündeten dieses kleinen Treffens, mit dem sie sich ihre prinzipielle Übereinstimmung in Zielen und Methoden vergewisserten: ungehemmte Entwicklung für Gewinnmaximierung und Bedeutungszuwachs auf Kosten von Landschaft, Natur und Erholungsruhe derer, die hier leben. Mit diesem Gruß werden eigentlich bestehende Gegensätze nivelliert: Nicht bloß beim Untertage-Bergbau ist Wasser eine Bedrohung, eine Katastrophe. Denn wem haben sich in der Braunkohletagebaulandschaft nicht die km-langen, dicken, verrosteten Stahlrohre ins Gedächtnis gebrannt, die nur dafür da waren, die Tagebaue von Wasser freizuhalten. Und jetzt nun soll es mit der Entwicklung von Wasser(-sport-)tourismus auch und besonders darum gehen, den mit der Stilllegung der Tagebaue vor 20 Jahren (!) arbeitslos gewordenen Bergarbeitern wieder eine Beschäftigung zu verschaffen. Ist das Hohn, Zynismus oder nur mangelnde mathematische Kompetenz? Die Mittel zur Arbeitsplatzbeschaffung im saisonalen Niedriglohnbereich sind beliebig, die einmalig mögliche Wiederherstellung einer natürlichen Kulturlandschaft mit lebendigen Ökosystemen zur Erholung wird Arealen für Events, Erlebnisparks und steuergeldverschwendenden seltsamen „Sehenswürdigkeiten“ geopfert. Obwohl die Mehrheit der hier lebenden Menschen dies nicht will.

 

 

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