Neues altes vom Elster-Saale-Kanal

Kanal-Träumer aus Sachsen-Anhalt würden gern mit Planfeststellung aus der Nazi-Zeit losbauen

Nichts Neues weiß man nicht. Aber ein paar Städte in Sachsen-Anhalt wollen sich unbedingt in ein Investitionsabenteuer stürzen, dessen Folgen die zuständigen Bürgermeister sich sehr rosig malen. Zumindest, wenn man den jüngsten Beitrag der LVZ zum Thema liest. Der so jung nicht ist. Denn die „Mitteldeutsche Zeitung“ hatte über diese „neue Entwicklung“ beim Elster-Saale-Kanal schon am 8. März geschrieben. Mit einer ganz ähnlichen Zuversicht, was die nun aufgefundenen Schreiben zum Planfeststellungsverfahren von 1934 betrifft. Natürlich gab es auch damals ein ordentliches Planfeststellungsverfahren, sonst hätte ja die Stadt Leipzig gar nicht losbauen und den Kanal bis zur Landesgrenze nach Sachsen-Anhalt ziehen können. Da aber endet er noch heute, weil eine ähnliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahme auf sachsen-anhaltinischer Seite nicht zustande kam. Dass das Planfeststellungsverfahren für einen für Güterverkehr ausgelegten Kanal erfolgte, scheint die Bürgermeisterin von Leuna, Dietlind Hagenau, tatsächlich nicht für ein Hindernis zu halten, jetzt einfach loszubauen. „Also ich sehe es so, dass wir für den Weiterbau des Saale-Elster-Kanals noch immer Baurecht haben. Das würde das weitere Verfahren natürlich erheblich erleichtern“, sagte sie der MZ. Ein modernes Planfeststellungsverfahren für einen neuen Kanal würde eher sechs bis sieben Jahre brauchen.

Logisch, dass Wolfgang Stoiber, Vorsitzender des NuKla e.V., einen ziemlich sarkastischen Brief schrieb auf den nun am 12. Mai folgenden LVZ-Artikel, der das Kanalprojekt schon so malt, als stünde es kurz vor der Finanzierung:

“Hey, es geht vorwärts! Eine 82 Jahre alte Baugenehmigung, die den 2 . Weltkrieg, 2 Diktaturen und hunderttausendfache Gesetzesänderungen als Papier überlebt hat, wird jetzt Investitionen in Höhe von 100 Mio. € freisetzen. Darüber hinaus prophezeien Sie, damit wären zig tausend Arbeitsplätze zu schaffen und den Wohlstand der Region mehren. Hurra, Hurra, Dass ‚die Region‘ das will – sofern sie damit die Bürger meinen und nicht irgendwelche Motorbootlobbyisten, denn für Paddler werden keine solchen Investitionen getätigt, auch wenn Sie die geschickt in den Text haben einfließen lassen, damit die sich angesprochen fühlen können und vielleicht mit Hurra rufen – dass also die Menschen der Region das wollen könnten (sie wollen es nicht, s. die verschwunden wordenen (sic) Umfrageergebnisse aus dem Charta-Prozess und z.B. der Leserbrief heute in Ihrer Zeitung), dass die 100 Mio. € tatsächlich ausreichen würden für solch ein Unterfangen (das tun sie nicht: man muss nur mal alle die bisher dezent und einzeln veröffentlichten, längst veralteten Zahlen addieren für das Gesamtpaket, da kommt man schon locker auf 300 Mill.) ohne jegliche wirtschaftliche Rechtfertigung, dass dies alles rechtlich, ohne Gesetze zu brechen, möglich wäre – Sie werden es uns sicher demnächst erklären. Wir sind gespannt. Freundlichst Stoiber”

Denn es ist ziemlich zweifelhaft, ob ein für einen völlig anders geplanten Kanal gewährtes Planungsrecht von 1933 auch für einen heute gewollten touristischen Kanal gilt. Selbst wenn man noch vollständige Unterlagen im Wasser- und Schifffahrtsamt Magdeburg finden sollte, von wo auch die Nachricht stammt, der Bund wolle einen zweistelligen Millionenbetrag zusteuern, wenn die Kommunen vor Ort den Kanal in ihre Obhut übernehmen. Denn bislang ist der unfertige Kanal eine Bundeswasserstraße. Der Bund hat aber kein Interesse daran, ihn weiterzubauen, will ihn lieber loswerden, weil auch die Betreuung und Wartung jedes Jahr mehrere hunderttausend Euro kostet 100 Millionen Euro würde der Kanalbau für das noch fehlende 7,5 Kilometer lange Stück von Kreypau bis zur Saale kosten. Vor allem die Städte Halle, Merseburg und Leuna versuchen, das Projekt voranzutreiben. Um die nötigen (Förder-)Mittel einzusammeln, wird derzeit über eine gemeinnützige GmbH bzw. einen Verein als Träger diskutiert. Und immer wieder wird auf Leipzig verwiesen, das dem Projekt offen gegenüberstünde. Leipzig selbst wird sich am Weiterbau nicht beteiligen können, denn dieses Reststück liegt nun einmal auf sachsen-anhaltinischer Flur. In Planung ist freilich der Durchstich vom Lyoner Hafen zum schon bestehenden, 11 Kilometer langen Teilstück des Elster-Saale-Kanals. Die LVZ war dann ganz forsch und meinte schon mal: „Denn Berechnungen haben ergeben, dass die mit 100 Millionen Euro veranschlagte Fertigstellung des Kanals den Tourismus ankurbeln und die Baukosten einspielen würde. Solche Berechnungen gibt es nicht. Was bisherige Gutachten belegen, ist, dass so ein Kanal nicht einmal die Betriebskosten einspielen würde – es sei denn, der Motorbootbesitz in der Region explodiert geradezu und es fahren jeden Tag (und nicht nur im Sommer) hunderte für die Passage zahlende Motorboote durch den Kanal.

Auf den Leipziger Tourismus hätte der Kanal so gut wie keine Auswirkungen, denn Leipzig lebt vom Kultur- und Städtetourismus, mit dem Übernachtungs- und Umsatzahlen generiert werden, die mit Wassertourismus nicht zu erzielen sind. Dass dann auch noch die Länder Sachsen-Anhalt und Sachsen richtig Geld in dieses „Leuchtturmprojekt“ zuschießen, das hat erst einmal nur Michael Witfer, Vorsitzender des Fördervereins Saale-Elster-Kanal e.V. so erzählt.

Ein Artikel der Leipziger Internet Zeitung von Ralf Julke.

Dieser Beitrag wurde unter Aktuelles, Argumente und Positionen, Auwald, Presse veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.