Lieber eine Doppelmoral als gar keine

Kolumne der Klassischen Kartoffel Konzerte zu Gunsten des Auwaldes

Schon 8-Jährige wissen genau, was man eigentlich tun sollte und uneigentlich trotzdem manchmal macht. Als Meister des Abschauens lernen sie gut von ihren elterlichen Vorbildern. Zu gut. Leider. Und von da an hat die heile Welt einen Knacks. Soziologen bauen in ihre Umfragebögen stets Kontrollfragen ein wie „Sind Sie schon einmal schwarzgefahren?“ Wer hier mit „Nein“ antwortet, dessen Antworten werden nicht verwendet, weil es eine Lüge sein muss. Bauingenieure schließlich projektieren Straßenkurven keinesfalls mit der entsprechenden Höchstgeschwindigkeit, sondern rechnen einen Zuschlag ein, damit die überschnelle Mehrheit gut durch die Kurve kommt. Aber es gibt auch Lichtblicke – bisweilen dort, wo man sie am wenigsten vermutet. England und das sonstige Britannien gelten als Mutterland des Fußballs, sind jedoch bei uns seit den 1980er Jahren wegen der Hooligans verschrien. Obgleich die dortigen Fans dem gängigen Klischee kaum noch entsprechen. So erlebte ich es in Glasgow, dass die rivalisierenden Fanblöcke direkt nebeneinander lagen, nur durch ein rot-weißes Flatterbändchen und eine Reihe Ordner getrennt, die einen ausgesprochen ruhigen Nachmittag verlebten. Weiter südwestlich in Sunderland hatte ich noch ein paar Bierflaschen in meiner Tasche vergessen, was aber kein Problem war, weil ich überhaupt nicht kontrolliert wurde. Den Vogel abgeschossen hat jedoch Leeds. Das war noch zu Erstligazeiten mit 38000 Zuschauern im Schnitt, die sich noch dem Match ordentlich in Reih und Glied für den Bus anstellten.

 

Aber Fußballer sind auch bloß Menschen. Sie foulen, sie imitieren Schwalben, sie schummeln bei der Steuer. Übel, wenn Multimillionäre Steueroasen und Schlupflöcher nutzen, sogar Scheinfirmen gründen. Ein Glück für Lionel Messi, dass Haftstrafen bis zwei Jahre in Spanien, also auch in Barcelona, zur Bewährung ausgesetzt werden. Und sein Verein solidarisiert sich öffentlich mit ihm und seinem für seine kriminellen Finanztricks verantwortlichen Vater.

 

„Die Verbrechen der Herren tragen vornehme Namen“, so ein sorbisches Sprichwort. Schwierig, um nicht zu sagen existenzbedrohlich, wird es für Pflanzen und Tiere, weil die Zweibeiner selbst in Naturschutzgebieten das Falsche tun. Touristische Arbeitsplätze zählen eben mehr als irgendwelche seltenen Piepmätze im Leipziger Auwald.

 

  1. KlassischesKartoffelKonzert am Freitag, 29. September 2017 um 19:30 Uhr, Unterrock im Geyserhaus, Gräfestraße 25: Volker Schwarze Trio feat. Corey Lareau & Malte Sieberns „Realbookin’ (record release)“

 

Frank Willberg

 

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