Auwaldwanderung am Floßgraben zw. Wolfswinkel und Pleiße. Ein Artikel von Dr. Matthias Ladusch.

Märzenbecher-Der schöne Frühblüher durchsticht das alte Laub und öffnet jetzt seine Glocken.

Märzenbecher-Der schöne Frühblüher durchsticht das alte Laub und öffnet jetzt seine Glocken.

Frühlingsanfang am Floßgraben.

Der Frühling scheint zu kommen. Eine leichte Erwärmung hat den noch vor zwei Wochen gefallenen Schnee auf ein paar Flecken reduziert. Schon seit ein paar Tagen hört sich die Umgebung anders an. Das ist ein Phänomen, was ich mir nicht so richtig erklären kann. Sicher, die häufigeren Rufe oder sogar schon Lockgesänge der Vögel tragen dazu bei. Aber auch der ganze Geräuschhintergrund und seine Hörbarkeit empfinde ich anders als noch vor zwei Wochen. Aber auch der Wechsel von Zeiten und Intensität des Tageslichts scheint uns aus unserer Kunstlichtwelt zu holen und zu sagen: Geh hinaus!

So musste ich wieder den Auwald sehen und der in den letzten Monaten wegen „Maßnahmen“ viel diskutierte Floßgraben interessierte mich besonders. Ich bin ihn also am Sonntagnachmittag (3. März) zwischen dem Klärwerk am Wolfswinkel und seiner Einmündung in die Pleiße abgelaufen. Noch zeigte der Himmel nicht die angekündigten und seit Wochen vermissten Auflockerungen, es war ja der trübste Winter seit …zig Jahren. Auch der Pfad am Floßgraben war so schlammig, dass es kein Spaziergang werden konnte. Und trotzdem: Es war für mich der Frühlingsanfang.

Ein Stein mit Stadtwappen von 1726 direkt am Floßgraben. Markiert er die Stadtgrenze?

Ein Stein mit Stadtwappen von 1726 direkt am Floßgraben. Markiert er die Stadtgrenze?

Die Bäume sind zu so früher Zeit natürlich noch kahl und man kann die Kronen von Stieleichen, Spitz­ahorn und Eschen genau studieren. Erstaunt ist man über die großen, alten Rotbuchen, die man von Süden kommend bald erreicht. Die Rotbuche ist kein Auwaldbaum, aber diese Exemplare mit Durch­messern von bis 80 cm in Brusthöhe und Höhen von etwa 35 m sind mit geschätzten 200 Jahren auch erst hier angewachsen, als der weitgehend regulierte Floßgrabens bereits genutzt wurde.Bei der Vogelwelt bekam ich nichts Ungewöhnliches zu sehen und zu hören, typische Zugvögel sind auch noch nicht da. Ich beobachtete den Mittelspecht mit seinem weichen Kieksen und Quäken, die häufige Kohlmeise mit ihren sehr variablen aber von der Stimme her unverkennbaren Rufen, den kopf­über am Stamm laufenden Kleiber mit seinem typischen „Tuit-tuit“ und die niedlichen Schwanzmeisen mit ihren schnurrenden Lockrufen. Lediglich der leise Gesang des Waldbaumläufers, die lachende Ruffolge des Grünspechts am Waldrand, die Trommelwirbel von Spechten und das Kreisen und Rufen eines Trupps von Mäusebussarden und eines Rotmilans waren für mich erste, aber klare Zeichen des Frühlings. Der Auwald ist auch wirklich ein richtiger Spechtwald. Neben den schon angeführten Arten hörte ich noch Schwarzspecht, Bunt- und Kleinspecht bei diesem kurzen Streifzug. Noch ist der Wald offen und man kann die Spechte gut lokalisieren und ihnen beim Trommeln an kräftigen trockenen, und vor allem klangvollen Eichenästen zuschauen und zuhören.

Der schärfste Mäander des Floßgrabens, geschaffen von der ursprünglichen Batschke. Das Panorama der Flussschleife verzerrt und täuscht etwas: Zwischen Zufluss- und Abflussarm liegt ein Winkel von „nur“ 130°.

Der schärfste Mäander des Floßgrabens, geschaffen von der ursprünglichen Batschke. Das Panorama der Flussschleife verzerrt und täuscht etwas: Zwischen Zufluss- und Abflussarm liegt ein Winkel von „nur“ 130°.

Der Waldboden ist nahezu geschlossen bedeckt mit den flach miteinander verklebten alten Blättern von Ahorn, Eiche, Esche, Erle und Buche. Nur an ein paar Stellen schaut die Bodenvegetation schon wieder aus dieser Fläche heraus, vom Bärlauch ist hier (noch) keine Spur. Auf der Ostseite des Floß­grabens bis zur Mündung in die Pleiße gibt es einige größere Bestände  an Märzenbechern, die nun gerade dabei sind, ihre glockenförmigen Blüten zu öffnen. An wenigen Stellen stehen Schneeglöck­chen und seltener Krokusse. Ob diese vom Menschen hier eingebracht wurden, sei dahingestellt, mir gefallen sie als Zeichen des Frühlingsbeginns.

Hier hat sich ein Schwarzspecht scheinbar spielerisch betätigt. Eine Bruthöhle wird das nicht. Mit einem Meter über dem Waldboden ist sie einfach zu stark gefährdet.

Hier hat sich ein Schwarzspecht scheinbar spielerisch betätigt. Eine Bruthöhle wird das nicht. Mit einem Meter über dem Waldboden ist sie einfach zu stark gefährdet.

Der Floßgraben windet sich mit ziemlich klarem Wasser durch die starken Mäander, die die Batschke schuf, die vor 400 Jahren noch ein natürlicher Flusslauf war und sozusagen der Vorgänger dieses Teils des Kleinen Floßgrabens. Jetzt im zeitigen Frühjahr und solange das Unterholz seine Blätter noch nicht geöffnet hat, sind die imponierenden Kurven sehr gut zu überschauen. Die steilen Ufer des Grabens lassen an vielen Stellen den lehmigen Boden sehen und wir hoffen, dass damit dem Eisvogel wenigstens die Voraussetzungen für seinen Bruthöhlenbau gesichert sind. Wird er den starken Bootsverkehr in der warmen Jahreshälfte tolerieren können?

Für die hohen Berge ist es für uns Bergsteiger noch zu früh im Jahr. Der Auwald zeigt sich zu den Bergen nahezu konträr – platt, aber bald voll Leben. Seit ich in Leipzig lebe, habe ich keine Land­schaft in und um diese Stadt so intensiv erlebt wie den Auwald. Hoffen wir auf den Erhalt dieses Kleinods. Und tun wir etwas dafür.

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Text und Fotos von Dr. Matthias Ladusch
Naturschutzreferent Sektion Leipzig des Deutschen Alpenvereins

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