Linker Wahlsieg zum Wohle der Natur?

Im Leipziger Stadtrat werden demnächst 44 bzw. 45 Volksvertreter Politik machen, die linken Parteien zuzurechnen sind. Bei insgesamt 70 Sitzen im Rathaus ergibt sich nach den Wahlen vom 25. Mai eine satte linke Mehrheit, die progressiven, alternativen und naturliebenden Menschen reichlich Mut machen dürfte.

Zu Recht? Was bewirken über 57 Prozent der gültigen abgegebenen Stimmen für Linke, SPD und Grüne? Alle linken Parteien zusammen erreichten sogar 63,6 Prozent! Aber um es gleich vorweg zu nehmen: Erwartungen oder gar Hoffnungen werden wohl in Enttäuschungen enden.

Daher von den Zahlen zu den harten Fakten und den realistischen Aussichten. Denn erstens sind politische Parteien und gewählte Volksvertreter nicht alles. Außerdem ergibt das Wahlergebnis 2014 die knappste linke Mehrheit seit der Wende 1990. Und die Leipziger Kommunalpolitik wird seit langer Zeit von einer informellen großen Koalition bestimmt, das heißt gelähmt. „Dadurch wurde die Kontrollfunktion des gewählten Stadtrats weitgehend ausgehebelt“, heißt es bei Wikipedia. Die Grünen fordern daher das Ende des Leipziger Modells, „streben klare Verhältnisse an, die die Politik nachvollziehbar machen und Gestaltungswillen offenbaren“, so Petra Cagalj-Sejdi Vorstandssprecherin des Kreisverbandes.

Das „Leipziger Modell“, welches seine Berechtigung hatte, habe sich überlebt und führe dazu, dass für Fehler regelmäßig niemand die Verantwortung übernimmt und Beschlüsse der Ratsversammlung nicht umgesetzt werden. Der Stadtrat werde durch den OBM dominiert, der sich nach Belieben neue Bündnisse suchen könne. Die Pressemitteilung von Jens Reichmann, Geschäftsführer des Leipziger Kreisverbandes der Grünen, fordert abschließend eine klare Handschrift samt Ziel- und Prioritätensetzung.

Dass Umweltbelange auf der politischen Agenda einen schlechten bis noch schlechteren Stand haben, muss wohl ohnehin jeder einsehen, wenn die Schlagworte Arbeitsplätze oder Fördermittel fallen. Egal ob der Umweltbürgermeister von den Linken kommt und die Grünen bei 15 Prozent liegen. Aber das Problem hat eine zweite Seite namens Verwaltung. Diese Fachleute im Rathaus erarbeiten in aller Regel die Vorlagen, über die im Stadtrat entschieden wird. Und die wenigsten Themen werden tiefschürfend und kontrovers diskutiert. Die herrschende Meinung hinterfragt sich nicht selbst und hat in Deutschland wie gesagt allgemein nicht viel übrig für Naturschutz.

Der offene Brief des NuKLA e. V. zum Eisvogel am Floßgraben legt den Finger exemplarisch und besonders schmerzlich auf die Wunde: Die Allgemeinverfügung seitens der Politik tut dem Vogelschutzstatus des Auwaldes sowie der Gesetzeslage formal Genüge. Die Sperrzeiten des kleinen Gewässers zum Schutz des Eisvogels werden allerdings nicht kontrolliert und von Paddlern und Bootsausleihern weitgehend missachtet. Und die Verwaltung bastelt an der Umsiedlung des gefiederten Störenfriedes, um den Floßgraben für Kurs 1 ausbauen zu können.

Mit anderen Worten: Selbst im Natur- und Vogelschutzgebiet zählen geschützte Vögel weniger als Boote. Das wassertouristische Nutzungskonzept dient neben dem Hochwasserschutz als plumpes Vehikel, um Fördermittel für Klein-Venedig zu angeln. Somit ist der Eisvogel für Planer und Politiker ein Problem – das Problem. Auch Nachfragen von Naturschützern kommen nicht so gut an.

Es ist kaum anzunehmen, dass sich daran – mit oder ohne „Leipziger Modell“ – demnächst etwas Wesentlichen ändern wird. Bliebe eigentlich nur wie bei der „Deichrasur“ der juristische Klageweg als Alternative oder reichlich Ausdauer, bis die herrschende Meinung sich eines Tages grün färbt. Oder?

Frank Willberg

 

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