Ein Auwald für alle

P1270817Die Sonne treibt die Quecksilbersäule nach oben. Die Luft ist abends noch lau. Und schon ist das städtische Grün begehrt wie ein Urlaubsplatz an der Ostsee zu DDR-Zeiten. Alle wollen picknicken, spazieren gehen oder Boot fahren. Nirgendwo ist Leipzig so attraktiv wie in der Nähe seines grünen Herzens mit den idyllischen Wasserläufen. Anlässlich des 22. Leipziger Auwaldtages stellt sich die Frage, wie Erholung, Freizeit und Naturschutz miteinander vereinbar sind. Von Tourismus und Hochwasserschutz ganz abgesehen. Der am 16. April zum Auwaldtier 2016 gekürte Ulmen-Zipfelfalter illustriert den schwierigen Spagat: Dieser hellbraun-orange Schmetterling befindet sich in Sachsen auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten. Seine Futterpflanze, die Feld-Ulme, ist mit Stiel-Eiche und Gemeiner Esche das für unseren Hartholz-Auwald charakteristische Baum-Trio. Aber regulierte Flussläufe, Deiche und Schleusen, entziehen dem Auwald das lebensnotwendige Nass. Durch das Austrocknen breiten sich auwaldfremde Arten aus, und der bereits seit den 1920er Jahren vorkommende Schlauchpilz Ophiostoma ulmi sorgt seither für ein dramatisches Ulmensterben im Auwald.

P1270798Der Auwald sei ein großer, ein gefährdeter Schatz in kommunalem Besitz, wichtig unter anderem für das Stadtklima, erklärt Anett Ludwig. „Zum Tag des Auwalds ist es uns wichtig, den besonderen Wert unseres wunderbaren Hauswaldes in seinem Artenreichtum zu würdigen und uns zu erinnern, dass wir gemeinsam nicht gegen die Natur wirtschaften dürfen“, so die Stadträtin der Grünen.

bärlauch 3Aber im April ereignet sich viel mehr: Die Schleusen Connewitz und Cospuden starten in die Paddel-Saison. Die fortgesetzten Leipziger Auengespräche erleben eine Diskussion von Fachleuten zum Nebeneinander von Natur- und Hochwasserschutz. Und die IHK Leipzig beklagt den Naturschutz im Naturschutzgebiet Auwald: „Neuseenland auf der Kippe!“ Tourismus, Arbeitsplätze und Bootsverkehr seien letztlich wichtiger als der Eisvogel am Floßgraben.

Was die Leipziger wollen, verdeutlicht die anlässlich der Charta Leipziger Neuseenland 2030 aufwändig ermittelte Bürgermeinung: Priorität haben Wasserqualität (98%), intakte Natur (96%), öffentlicher Zugang/ÖPNV (96%) sowie Rad- und Wanderwege (89%). Drei von vier Leipzigern schätzen die Natur vor der Haustür und bewerten ihre Entwicklung positiv. Die höchste, aber nicht sonderlich starke Ablehnung erfahren Hausbau/Privatisierung (16%), Motorboote (7%), Massentourismus (4%), Kommerz (4%) sowie Naturzerstörung (3%). Die Natur soll intakt bleiben, die touristische Entwicklung dementsprechend „naturnah“ oder „sanft“ sein. Übrigens steht die Charta in der Hierarchie über dem touristischen Wassernutzungskonzept…

 Frank Willberg

 

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