Amarcord und Luxus-Barock in der Paul-Gerhardt-Kirche

Dorothee Oberlinger

Dorothee Oberlinger

Kartoffelkonzerte Musik für Leipzigs Auwald

VON ROLAND H. DIPPEL

Eine wunderbare Allianz von Naturschutz, edelster Musizierpraxis und bürgerlichem Engagement: die atmosphärisch stimmigen sind die Kartoffelkonzerte Nummer 30 und 31 in der Connewitzer Paul-Gerhardt-Kirche, einem auch akustisch bestens funktionierendem Konzertort. Seit fünf Jahren gibt es die Konzerte des Vereins „Naturschutz und Kunst Leipziger Auwald“, dem die kommunikationsstiftenden Gerichte zu den Konzerten den Namen geben. Das große Ziel ist die Renaturierung der Weißen Elster von Zeitz bis Merseburg. In dieser Region soll der Auwald einen Kern bilden zu integriertem Hochwasserschutz, Naturschutz und sanftem Tourismus. Für dieses Ziel gab es nun gleich zwei Konzerte und es verwundert nicht, dass am Abend das a-cappella-Ensemble „Amarcord“ vor seinem traditionellen Benefizkonzert für Unicef am 15. Dezember in der Thomaskirche dabei ist. Die fünf Ex-Thomaner beginnen mit „Es ist ein Ros entsprungen“ und enden mit dem französischen „Noël“. Wolfram Lattke, Robert Pohlers, Frank Ozimek, Daniel Knauft und Holger Krause pirschen sich elegant, klar und pointiert durch Weihnachtslieder anderer Länder und Erdteile. Dabei umgehen sie konsequent Evergreens, sondern reihen Holst, Lasso, Trakl und Mendelssohn. Das machen sie mit gelassener und distinguierter Fröhlichkeit. Diese Haltung steht ihnen ebenfalls sehr gut auf ihrer neuen CD mit Gesängen von Franz Schubert, die zügig und ohne Melancholie oder Verschattungen daherkommen. Diese neue Farbe, mit der sie Schubert da begegnen, bestätigt den Ausnahmerang des Leipziger Ensembles.

Ein gewisses Risiko hätte in diesem Rahmen ein rein barockes Kammerprogramm beinhalten können: Die Flötistin Dorothee Oberlinger bringt den Barockcellisten Jonathan Pešek und den Barockcembalisten Francesco Corti mit. Das ist eine ideale Kombination für die Auswahl von zur Händel-Zeit in London entstandenen Werken. Dorothee Oberlinger genehmigt sich immer wieder Auszeiten von der Klassik bei neuen Musikgenres, und das merkt man bei allem Stilbewusstsein den immer sehr direkten Tönen ihrer Blockflöte an. Dabei ist besonders bewundernswert, mit wie vielen Farben sie aberwitzig quirlige Tonleitern und Skalen durchmisst: Keines der Stücke – seien sie von Georg Friedrich Händel, Arcangelo Corelli oder Johann Christian Schickhardt – klingt wie das andere. Stets bannt Oberlinger Momente der Monotonie durch variable Akzente und Phrasierungen. Dazu hat sie kongeniale Partner, die schon in prominenten Barockformationen die höheren Weihen erhielten. Sie schaffen eine sichere Grundierung. Das kann natürlich nur aufgehen in einer passenden Akustik. Die Paul-Gerhardt-Kirche ermöglicht ein beeindruckend tragfähiges Piano und zugleich samten-erdige Klangallianzen von Cello und Cembalo. Bemerkenswert ist der sehr kompakte Tastengriff Francesco Cortis, der alles Verspielte aus seinen Verzierungen ausschließt, ohne dass er im Geringsten schwer wird. In einer solchen Formation wird der Konzerttitel „The pleasant companion“ Realität. Unterhaltung ohne jedes Ausstellen von Virtuosität, dafür feine Konzentration und ein recht lebendiger Blick zurück.

32. KonzertDas 32. Konzert gibt es am 29. Januar 17 in der Alten Börse mit Wolfgang Rieck „Der singende Mann“; www.klassischekartoffelkonzerte.de

Die Kolumne zum 32. Konzert:

  1. Klassisches Kartoffel Konzert

Ein Hoch auf die AfD!?

Alles hat eine Alternative. Obama, Merkel, Tillich. Nur auf das eigenständige Denken und Abwägen sollten wir nie verzichten, ganz besonders wenn Politiker von einem Wahlplakat herabgrüßen oder in eine Kamera lächeln. Hauptsache, eine gute Figur machen, ehrlich und sympathisch wirken. Auch wenn sie große Töne in ein Mikrofon spucken, die sie gar nicht so meinen, ist Vorsicht geboten.

NUKLA_LOGO_1„Politik darf nicht abgehoben sein. Ich will mit den Menschen sprechen und ihnen die Ziele unserer Politik erklären.“ Klingt erst einmal gut, stammt übrigens von Stanislaw Tillich. Wobei ein Volksvertreter, dem wir unsere Stimme geben, eher unsere Politik machen und unsere Interessen verfolgen sollte, als seine oder die seiner Partei.

Aber selbst das mit dem versprochenen Sprechen klappt nicht immer. Eine der erfolgreichsten Petitionen in Sachsen – und unsere Politiker tun sehr viel, damit Petitionen möglichst keinen Erfolg haben – wurde von Tillich erst einmal gekonnt ignoriert. 27.000 Unterschriften für eine faire Finanzierung freier Schulen in Sachsen – und der Ministerpräsident schweigt. Keine höfliche Annahme der Petition, keine Stellungnahme, keine Antwort auf Nachfrage. Das entsprechende Gesetz wurde schließlich mit minimalen Änderungen durchgewunken, so dass alles beim (unfairen) Alten bleibt. Das war 2015.

Wie kann es verwundern, dass alle paar Jahre Rechtspopulisten mit (zu) einfachen Antworten erfolgreich auf Stimmenfang gehen? DVU, NPD, AfD sind wahrscheinlich keine solide Alternative, bedienen jedoch das Unbehagen des Stimmviehs. Auch der Amtsantritt von Donald Trump wird mit dieser Unzufriedenheit mit dem Establishment, den herrschenden Verhältnissen verständlich.

Also ich behalte meine Stimme, um sie gelegentlich zu erheben oder selbstbewusste Entscheidungen zu treffen. Das heißt, nicht jammern oder meckern, sondern einfach das Richtige tun. Das wollte in den frühen 1990er Jahren ein Spitzenkandidat der CDU, der voller Enthusiasmus in den Bonner Bundestag drängte, um nach DDR-Gängelei endlich Politik zu machen. Während einer gemeinsamen Zugfahrt offenbarte er mir vollkommen desillusioniert, dass er damit in Bonn allein war! Kaum ein Bundestagsabgeordneter wolle wirklich das Beste für das Gemeinwesen und entsprechend Politik machen.

Naturschutz ist ebenso alternativlos. Er sichert unsere Existenzgrundlage, auch oder gerade weil wir uns dafür bisweilen einschränken müssen. Unser Auwald zum Beispiel braucht Wasser zum Leben, ein Hochwasser Überflutungsfläche. Im baldigen Frühjahr sollten wir daher eigentlich nicht davon ausgehen, täglich durch den Auwald spazieren gehen zu können, ohne nasse Füße zu bekommen. Uneigentlich stehen die Deiche nicht am Waldrand, sondern an den Flussrändern.

Wer mit einer Renaturierung sympathisiert und regionalen Naturschutz unterstützen möchte, kann auch 2017 einfach ein Klassisches Kartoffel Konzert besuchen, das mittlerweile 32. steht vor der Tür.

Wolfgang Rieck „Der singende Mann“, Sonntag, 29. Januar 2017 17 Uhr, Alte Börse Naschmarkt

Frank Willberg

 

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