Buddha, die Dialektik und die Lohnlücke

Kolumne der Klassischen Kartoffel Konzerte

„Ohne Bewusstsein, das muss kein Verlust sein“, frotzelte die letzte Punkband der DDR Feeling B. Denn dieses Bewusstsein galt als große Stellschraube, um sozialistische Persönlichkeiten zu formen. Hat nicht geklappt und ist lange her. „Drei Dinge die auf Dauer schwer zu verbergen sind“, sagt Buddha, „die Sonne, der Mond und die Wahrheit.“ Und die Wahrheit ist oft auch nicht so eindimensional, wie wir uns das wünschen. Damals wie heute. Wir würden sicher gern das Richtige tun, glauben sogar, es so gut wie möglich zu tun. Aber die Wahrheit hinkt der Wunschwelt irgendwie immer hinterher. Ich bin ganz ehrlich ein Fan der Dialektik von Gut und Böse. Ob Hexenverbrennung, Ausländerhass oder andere Sündenböcke – wir sollten immer zuerst vor der eigenen Tür kehren. Da kommt genug Dreck zusammen. Mich hat in diesem Sinne mal ein 10-jähriges Mädchen in einer philosophischen Kindergruppe umgehauen, die sagte: „Das Böse ist das Einseitige, das Beharren auf einer Seite. Also wer von sich sagt, er sei nur gut, ist schon wieder böse. Er sieht in sich das Böse nicht. Das Gute ist die Einheit von Gut und Böse.“ Anders ausgedrückt: Wir alle tun Gutes und Böses – mit dem entsprechend wenig schmeichelhaften Ergebnis.

Im März findet nicht nur das 33. Klassische Kartoffel Konzert statt, wobei ein junger Rocker mit einer Chansoniere im besten Seniorenalter zu Gunsten des Leipziger Auwaldschutzes für Ohrenschmaus sorgt. Bereits eine Woche zuvor, am 18., begehen wir den Equal Pay Day. Feiern wäre das falsche Wort. Denn eigentlich ist es beschämend, dass Frauen in unserem Land laut Statischem Bundesamt im Durchschnitt 21 Prozent weniger verdienen als Männer. Dies entspricht 77 Tagen von 365, an denen Frauen umsonst arbeiten – also vom 1. Januar bis zum 18. März.

Es ist kaum Fortschritt zu nennen, dass der Equal Pay Day 2010 noch am 26. März gefeiert wurde. Denn bei diesem Schneckentempo stirbt die Lohnlücke erst 2094! Und damit liegen wir Deutschen, was die Entgeltschere zwischen den Geschlechtern angeht, in Europa heute auf Platz 24 (von 27). Schlechter geht es kaum. Selbst wenn wir Frauen und Männer im gleichen Job mit gleicher Qualifikation gegenüberstellen, bekommen die Herren der Schöpfung jeden Monat grundlos 239 Euro mehr als ihre weiblichen Kollegen.

Der Schriftsteller und Philosoph Henry David Thoreau meinte schon 1849: „Man sollte nicht den Respekt vor dem Gesetz pflegen, sondern vor der Gerechtigkeit.“ Damit ließe sich die Einkommensungleichheit verbannen? Wenn das doch nur etwas einfacher wäre. Vielleicht unterstützen wir erst einmal den Naturschutz in Leipzig – das tut auch Not.

33. Klassisches Kartoffel Konzert am Samstag, 25.03.2017 um 19.30 Uhr, Centralpalast Stötteritz, Lange Reihe 6
Die Melankomiker – Jürgen Denkewitz & Waldemar Rösler „Liederkabarett aus Leipzig“, Barbara Thalheim & Christian Haase „Krampf der Generationen“

Frank Willberg

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