Jungfernmord am AGRA-Wehr

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Die Zufahrtswege werden bereits angelegt, auch die Informationstafel steht schon am Goethesteig. Bis 2018 wird die Pleiße an dieser Stelle schiffbar gemacht, verhindern doch sog. „Störstellen“ den Bootsverkehr ab der Bahnbrücke bei Markkleeberg bis zum AGRA-Wehr.  Die Baumaßnahmen sind nicht die ersten im Leipziger Auwald und vor allem werden sie nicht die letzten sein, denn auch diese bereitet nur weiteren, invasiven Eingriffen den Boden nach dem von Behörden gern gewählten Motto: nun wurde schon so viel investiert, da müssen wir es auch zu Ende bringen. Im Falle des hier geplanten Kurses 5 im Touristischem Gewässerverbund im Leipziger Neuseenland reden wir über derzeit veranschlagte 1,735 Mill. Euro. Ein nettes Sümmchen, bei dem es (wie immer) am Ende bei weitem nicht bleiben wird. Die Idee des WTNK: mit dem Boot vom Stadthafen in der Innenstadt über den Markkleeberger See bis zum Störmthaler See und später weiter bis zum Hainer See bzw. die dort zugelassenen kraftstoffbetriebenen Motorboote direkt durch den Leipziger Auwald. Nun heißt es derzeit noch auf der Website markkleeberger-see.de[1] „Eine Freigabe der wassertechnischen Einrichtungen am Markkleeberger Sees für Motorboote und Jetski ist durch den Betreiber nicht vorgesehen.“, aber das kann sich gut noch ändern, wenn dann für so viel Geld alles für Motorboote (auch mit Verbrennungsmotor) hergerichtet wurde. Und: Boote mit Elektromotoren dürfen bereits jetzt dort fahren.

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Boote mit Elektromotoren haben ebenfalls einen entsprechenden Tiefgang, auch das so hochgelobte Leipzig-Boot, das „speziell zum Schutz der flachen Leipziger Gewässer entwickelt wurde und wegen seiner leichten Bauart nur geringe Bugwellen entwickelt – um die Flora und Fauna der Uferbereiche zu schonen“[1]. Jeder kann sich bei genauem Hinsehen davon überzeugen, dass dieses Boot zwar tatsächlich keine Bugwelle hat, aber irgendwohin muss das durch die Bootsschraube zum Antrieb verdrängte Wasser dennoch und drückt so nach unten, wo der Druck die Sohle der Gewässer zerstört, damit wichtigen Lebensraum schädigt und einer Vertiefung der Sohle Vorschub leistet. Die schleichende Gewässereintiefung durch das LeipzigBoot ist ein gravierendes  Problem, das zur Austrocknung der angrenzenden Flächen führt. DAS allerdings wird es nun aber nach Abschluss des “Gewässerausbaus” an diesem Stück Pleiße dort nicht geben: schließlich soll alles als Rundumsorglospaket armiert – also schlicht gesagt einbetoniert – werden. Damit sich nicht an anderen Stellen neue “Störstellen” bilden, weil die Pleiße, ihrer Mäander beraubt, viel zu schnell fließt und die deswegen größeren Höhenunterschiede auf kürzerer Strecke “überspringen” muss und Stufen bildet.

Diese Stufen müssen für ein Befahren mit Motorbooten entfernt werden (Paddler können ihr Kanu umtragen). Dafür gibt es im Prinzip verschiedene Möglichkeiten. Zum einen den Bau einer Schleuse: die Höhenunterschiede, der durch die Begradigung entstanden sind und die das Gewässer durch die Ausbildung kleinerer Stufen überwand, wird mit einer großen „Stufe“ bewältigt. Zum anderen kann man die „Störstellen“ ohne eine teure Schleuse oder Komplettbefestigung beseitigen. Man könnte nämlich genau das nutzen, was dem Wasser ureigen ist: Selbst im nicht sehr breiten Umfeld der südlich von Leipzig fließenden Pleiße könnte man dem Fluss dem zur Verfügungen stehenden Raum auch tatsächlich zur Verfügung stellen: damit er Mäander bilden kann, die den Weg für das Wasser verlängern und damit zu einer langsameren Fließgeschwindigkeit führen, also zur natürlichen Auflösung der „Störstellen“. Revitalisieren statt Einbetonieren! Im Zeitalter der Wasserrahmenrichtlinien, die umzusetzen längst überfällig ist, sollten die bisher veranschlagten 1,7 Mill. Euro [1] Steuergeld für eine Renaturierung der Pleiße in diesem Bereich eingesetzt werden, statt ihren Zustand durch die geplante Armierung nochmal massiv zu verschlechtern.

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Und: die „Störstellen“ sind bewohnt. Auch wenn die Pleiße im entsprechenden Bereich den „Charme“ eines Kanals neben einer vielbefahrenen Bundesstraße hat, wurde dort in mehreren Monitorings in den Vorjahren die Grüne Flussjungfer nachgewiesen, eine Libellenart, die aufgrund der Schadstoffbelastung der Fließgewässer aus Mitteleuropa schon fast ganz verschwunden ist und auf der Roten Liste steht. Sie ist streng geschützt nach dem Bundesnaturschutzgesetz[2].

Die Grüne Flussjungfer legt ihre Eier an flachen Stellen im Fluss mit klarem Wasser ab (z.B. an „Störstellen“) und die Larven leben auf dem Boden im Flussbett, das jetzt ausgebaggert und danach befestigt werden soll. Die Grüne Flussjungfer wird es dann dort nicht mehr geben.

Laut Antwort des Sächsischen Ministeriums für Umwelt und Landwirtschaft am 19.02.2015 auf die kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfram Günther wurde darauf hingewiesen, dass der Ökolöwe (der Verein hatte 2014 das Vorkommen der Grünen Flussjungfer angezeigt) gebeten wurde, Unterlagen vorzulegen, inwiefern diese Art durch die „Durchführung weitergehender Arbeiten im Gewässerbett beeinträchtigt werden könnten“. Dies wäre die richtige Gelegenheit gewesen, naturschützerische Einwände gegen die Störstellenbeseitigung vorzutragen und ggf. juristische Schritt in Erwägung zu ziehen. Ob und wie dies geschehen ist, ist uns nicht bekannt, zumindest wird nun gebaut wie geplant.

In einer Antwort auf die kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfram Günther vom 30.03.15 im Leipziger Stadtrat gibt man dies auch offen zu: „Hinsichtlich der Grünen Keileckjungfer“ äußerte die untere Naturschutzbehörde, „dass es zur Tötung von Larven kommen könne, was für das individuenbezogene Tötungsverbot gemäß §44 Abs. 1 Nr. 1 Bundesnaturschutzgesetzrelevant sein könne. Auch das Schädigungsverbot von Fortpflanzungs- und Ruhestätten gemäß §44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG könne relevant sein.“

Die Behörde ist sich also bewusst, dass der Bauträger mit der „Störstellenbeseitigung“ (eventuell) gegen das Bundesnaturschutzgesetz verstoßen und den Lebensraum einer bedrohten Tierart komplett zerstören wird; sie weist sogar schriftlich darauf hin!

NuKLA geht es jedoch nicht nur um die Grüne Flussjungfer.

Im Rahmen dieser Baumaßnahmen soll die Pleiße vertieft werden, was bedeutet, dass das umliegende Gelände trockener fallen und die Fließgeschwindigkeit zunehmen werden. Auch stromabwärts wird sich deshalb als Folge die Pleiße weiter vertiefen. Die zu erwartende Bootsnutzung tut ein Übriges, um den Gewässerzustand zu verschlechtern.

Aber auch dies nimmt man offenbar in Kauf.

 

[1]Zahlen aus der Antwort des SMUL auf die kleinen Anfrage des Abgeordneten Wolfram Günther vom 19.02.2015 entnommen

[2]https://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%Bcne_Flussjungfer#Gef.C3.A4hrdung_und_rechtliche_Stellung am 19.08.2017

[1]http://www.lvz.de/Leipzig/Lokales/Leipzig-Boot-wird-zugelassen am 19.08.17

[1]http://www.markkleeberger-see.de/ms_sportfreizeit_bootfahren.html am 19.08.17

Foto 2 Leipzig-Boot auf der Pleiße nahe der Mündung des Floßgrabens mit entsprechenden Auswirkungen auf die Flusssohle am 05.08.17

 

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