Im kommenden Winter keine Fällungen im Leipziger Auwald mehr

Natur und Kunst Leipziger Auwald e.V. (NUKLA) tritt dafür ein, dass im kommenden Winter keine Baumfällungen mehr im Leipziger Auenwald stattfinden. Bereits im vergangenen Winter 2016/2017 haben flächige Baumfällungen im Leipziger Auwald für Aufsehen und Unmut bei der Bevölkerung gesorgt. Vor allem in der Nonne prangen nun mehrere große Lücken. Zahlreiche Eschen tragen den grell-roten Querstrich, die Markierung für die nächste Einschlagperiode im kommenden Winter 2017/2018. Dieser Aufruf erfolgt in letzter Minute! Unter den ausgezeichneten Bäumen befinden sich sehr viele abseits der stark begangenen Wege in der Nonne. Darunter sind auch Bäume, die z.T. auch gesund sind – die noch viele Jahre leben können. NUKLA stellt die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen in Frage. Die Maßnahmen dienen keineswegs der Erhaltung oder der Wiedergewinnung der Natürlichkeit der Bestände.

Im vergangenen Winter wurden die Fällungen folgendermaßen begründet[1]:

Begründung 1) Es bestünde durch das Eschentriebsterben ein erhöhtes Sicherheitsrisiko.

Begründung 2) Der Wald sollte auf den entstandenen Flächen mit Aufforstungen bspw. durch Stieleichen verjüngt werden.

Begründung 3) Mit den Femellöchern soll die Artenvielfalt im Auwald erhöht werden.

Auch bei NuKLA wurde damals heiß diskutiert über das Thema. Nach gründlicher Recherche und Rücksprache bei Fachleuten kamen wir damals aber zu dem Ergebnis, dass die Baumfällungen, wie sie im vergangen Winter stattfanden, zu kritisieren sind. Wir treten dafür ein, dass in den kommenden Jahren – von wenigen Ausnahmen an stark befahrenen Wegen resp. Straßen  – keine Fällungen vorgenommen werden.

Zu 1) 

Es kann davon ausgegangen werden, dass der Schadpilz im gesamten Auenwald Leipzig allgegenwärtig ist, wie dies inzwischen auch für alle mitteleuropäischen Wälder mit Eschenbestand anzunehmen ist. Es gibt eine auffallend hohe Zahl an Bäumen auch im Leipziger Wald, die keine Spur des Befalls zeigen. Sehr viele Eschen zeigen den Befall entsprechend der bekannten Merkmale an, dieser führt jedoch nicht kurzfristig zum Sterben des Baums, sondern es besteht die Möglichkeit der Gesundung trotz weiterer Gegenwart des Erregers. [2] Hierin ähneln Baumkrankheiten den Krankheiten bei Menschen.

Entsprechende Erkenntnisse ergeben sich zudem aus​ dem traditionellen Forstschutz: Eschen, die äußerlich nicht erkennbar oder nur gering vom Eschentriebsterben gezeichnet sind, sollen unbedingt erhalten bleiben. Konsequenter Forstschutz besteht darin, dass die Eschen sich mit dem Erreger auseinander setzen können, eine natürliche Abwehrkraft / Resistenz entwickeln und ihre “kraftvolle” genetische Ausstattung in der erfolgreichen Abwehr des Schaderregers an ihre Nachkommen weiter geben können.

Nur durch die natürliche genetische Vielfalt kann gewährleistet werden, dass es auch weiterhin gesunde Eschen im Leipziger Auwald geben wird – trotz des so genannten Eschensterbens. Wer eine Krankheit eindämmen will, muss die natürliche Resistenzbildung fördern, und das kann natürlich nur mit lebenden Bäumen erreicht werden. Würden erkrankte Bäume jedoch gefällt werden, verschwände deren wertvolles Erbgut aus dem Wald. Tote Bäume können sich nicht mehr vermehren. Bäume, die mit dem Pilz kämpfen und mehr oder weniger gelichtete Kronen aufweisen, können sich noch über Jahre und Jahrzehnte vermehren. Sie schicken also alljährlich Nachkommen auf den Weg, die ihrerseits eine gesunde Resistenz gegen den eingeschleppten “Schadpilz” aufbauen können.

Durch Fällung erkrankter Bäume wird der Schadpilz nicht reduziert: Die Krone verbleibt im Wald und kann den Pilz noch längere Zeit ernähren.

Es sei an das Ulmensterben erinnert. Um die 70er Jahre gab es in Europas Forsten ebenfalls Alarm- und Panikstimmung. Doch die Ulme ist aus den Auenwäldern nicht verschwunden, obwohl der ebenfalls eingeschleppte, spezifisch Ulmen schädigende Bläuepilz sich in wechselnder Aggressivität auswirkte.

Der Einschlag befallener Eschen ist auch aus Sicherheitsgründen nun in Ausnahmefällen akzeptierbar. Laut Bundeswaldgesetz (BWaldG) §14 heißt es “Das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung ist gestattet. Das Radfahren, das Fahren mit Krankenfahrstühlen und das Reiten im Walde ist nur auf Straßen und Wegen gestattet. Die Benutzung geschieht auf eigene Gefahr. Dies gilt insbesondere für waldtypische Gefahren.”

Es ist zweifelsfrei, dass eine waldtypische Gefahr darin besteht, dass aus dem Kronenraum Äste zu Boden fallen. Auch im Leipziger Auwald besteht diese Gefahr, wobei sie keinesfalls nur von der Esche ausgeht, sondern auch von Eichen und Ulmen ​-​ und dies ist eine natürliche Erscheinung in Wald und Forst. ​Sie besteht unabhängig von der Erkrankung der Esche. Im Kronenraum von Pappeln, Eichen, Eschen, Spitz- und Bergahorn sowie auch der Rotbuche, des Feldahorns und weiterer gebietstypischer und forstlich eingebrachter, regionalfremder Baumarten gibt es teilweise reichlich Totholz, das zu Boden stürzen kann. ​

In einem Hochwald vom Charakter und Zustand der Leipziger Bestände sind 2 bis über 20% Totholz am​ Stamm- und Kronenholz vollkommen natürlich.

Ein Urteil des Bundesgerichtshofes, klärte im Oktober 2012 erneut, was unter waldtypischen Gefahren zu verstehen sei: es gehören auch herabstürzende Äste entlang von Waldwegen

​ dazu​

.[3] Auch im Sächsischen Waldgesetz ist es festgelegt, dass das Betreten eines Waldes auf eigene Gefahr erfolgt.[4] – Wie könnte man Waldbesitzer auch dafür zur Rechenschaft ziehen, was eine natürliche Eigenschaft des Walds ist

​Laut dem Sächsischen Ministerium für Umwelt und Naturschutz ist zudem in einer Veröffentlichung auf deren Website zu lesen, dass Waldbesitzer bei Waldbäumen in Bezug auf die Verkehrssicherung nur dann tätig werden sollten, wenn es sich bspw. um Waldwege in der Nähe zu öffentlichen Wegen, Straßen, Parkplätzen, Kinderspielplätzen, Erholungseinrichtungen oder Waldgebiete nahe von Bebauung handelt.[5]

Somit lautet unser Fazit zu den so genannten Nothieben an Esche:

Nothiebe sind als Maßnahme des Forstschutzes nicht gerechtfertigt, da nur lebende Bäume eine Resistenz gegen Schaderreger erwerben können. Kein Pilz, kann durch Entnahme erkrankter Bäum​e​ aus dem Bestand entfernt werden, zudem nach jeder Fällung der überwiegende Teil der infizierten Kronen am Boden verbleibt, so daß die Sporen des Pilzes über lange Zeit ausgestreut werden.

Entlang hoch frequentierter Wege ist es in Einzelfällen sehr starker Schädigung nachvollziehbar, dass hier im Sinne der Wegesicherheit mit Baumfäll-Maßnahmen eingegriffen wird. Flächige Fällungen und an Pfaden, die von hoch frequentierten Wegen entfernt sind, können damit nicht begründet werden.

 

In anderen Bundesländern werden Schilder eingesetzt​, die die Waldbesucher darauf hinweisen, dass es hier von Natur aus bzw. aufgrund einer naturnahen Bewirtschaftung zu Astbruch kommen kann, und dass man als Waldbesucher diesen Wald demzufolge stets auf eigene Gefahr betritt. – Diese der Natur gerecht werdende Maßnahme möge bitte auch hier in Leipzig gehandhabt werden

Die alltägliche Beobachtung zeigt auch im Leipziger Auwald, dass Waldbesucher sogar fernab der Hauptwege durch herabstürzende ​Äste ​nicht gefährdet sind. Wer den Wald wachsam betritt, ​wird, der menschlichen Natur entsprechend, mit größter Wahrscheinlich aufgrund der Geräuschkulisse eines stützenden Asts zur Seite treten. Wenn unmißverständliche Schilder auf die natürliche Gefahr aufmerksam machen, wird die erforderliche Wachsamkeit geübt. Leipzig wird damit kein Neuland betreten, denn es hat sich auch in anderen Bundesländern bewährt.

Für das Waldgebiet der Nonne genügt ein vorsichtiger Eingriff entlang der zwei Hauptwege durch (bspw. Verbindung von Rennbahnsteg zu Industriestraße sowie Nonnenweg) oder in der Nähe der Spiel- und Sportplätze. Dieser Eingriff kann weitgehend auf die Entnahme kritischen Astwerks beschränkt werden – und nur vereinzelt kann Stamm-Entnahme gerechtfertigt werden. Eine derart erfolgreiche “Pflege” erfolgte bereits an einzelnen Exemplaren, wie man sich z.B. nahe dem Bootsanleger im Scheibenholz überzeugen kann. Der dort “gepflegte” Baum lebt problemlos weiter. – Ausdrücklich besteht kein Anlaß, an jedem noch so kleinen Weg durch die Nonne oder die übrigen Bestände des Waldes südlich bis nördlich von Leipzig Eschen zu entnehmen, gleich ob sie gesund erscheinen oder leicht erkrankt sind.

Zu 2)

Die vorhandenen Bestände des Auenwaldes entsprechen in ihrer Artenzusammensetzung, den Holzvorräten sowie der Strauch- und Krautflur auffallend früheren, auenökologisch intakteren Zuständen. Die Vegetation konserviert über eine beträchtliche Zeitspanne diese auenökologischen Lebensbedingungen, denn die meisten Pflanzen sind langlebig. Für den Leipziger Auenwald gibt es aktuell Überlegungen und entstehende Projekte mit dem Ziel, den Standort-Haushalt wieder den Bedingungen einer lebenden Aue zuzuführen, sprich wieder Hochwasser in die Waldbeständ zu lassen, wie sie aus natürlichem Abfluß erfolgen. Jede Auflichtung fördert hingegen die Verjüngung der Bestände unter den gegebenen Standortbedingungen, die aktuell und von Fläche zu Fläche verschieden stark von intakten Auen-Bedingungen abweichen. Für jedermann erkennbar, wird auf den künstlichen Auflichtungen u.a. der Bergahorn gefördert, die für Auenwälder typische Artenvielfalt nimmt durch diese Maßnahmen nicht zu

Wir empfehlen, Eichenpflanzungen auf kleiner Fläche durchzuführen. Der Natur besser entsprechend sollte Naturverjüngung um Alteichen nach Mastjahren erfolgen, wobei der Kronenraum über den Jungeichen, die rings um den Altbaum keimen konnten, sukzessive dem Wuchsfortschritt der Jungbäume erfolgt. Diese Methode hat den Vorteil, dass Bergahorn und weitere Verlichtungsarten nicht gefördert werden.  Die jungen Eichen werden zunächst vom Altbaum geschützt und mit Nährstoffen versorgt, sie können an Ort und Stelle bleiben und müssen nicht erst in einer Baumschule gezüchtet werden, dann ausgegraben, transportiert und wieder eingepflanzt werden. Bäume aus Naturverjüngung sind aus beiden Gründen kräftiger als Baumschulpflanzen. Ihre Wurzeln wurden nicht verletzt, wie das bei Baumschulpflanzen stets gegeben ist. Die Schwächung von Baumschulpflanzen kann derzeit an dem bei den gepflanzten Eichen massiv auftretenden Mehltau ersehen werden. Meist können die Altbäume erhalten bleiben, wenn die Jungeichen der nächsten Baumgeneration außerhalb des Kronenraums aufwachsen. Überall im Leipziger Wald sind Herde von Eichenverjüngung zu finden.

In anderen Bundesländern (und vermutlich auch andernorts in Sachsen) wird mit dieser Methode der Bestandsverjüngung erfolgreich gearbeitet. Dabei wird betont, dass das waldbauliche Risiko gleich Null ist und weitaus weniger kostet, als ein flächiger Kahlschlag, wie er im Leipziger Auwald z.B. im gebiet der Nonne erfolgte.[6]

Zu 3): Viele Biotopbäume (auch Eschen) hätten bei Anwendung beider Methoden im Leipziger Auwald stehen bleiben können. Von so genannten Nothieben resp. femelartiger Auflichtung sollte auf absehbar Zeit vollständig verzichtet werden. Die Begründung des vollständigen Verzichts auf Einschlag ergibt sich für den Leipziger Auwald auch aus den Anforderungen der bestehenden Schutzgebieten gemäß FFH-Richtlinie, Vogelschutz resp. dem traditionellen Naturschutz. Diese einander ergänzenden Schutzbestimmungen wurden über den Leipziger Auenwald erlassen, weil er einen ökologisch wertvollen Baumbestand aufwies. Diesen wertvollen Baumbestand – und hierzu gehören vor allem die mächtigen und alten Exemplare – gilt es zu erhalten. Alteichen bieten als Biotopbäume zahlreichen Lebewesen wichtige Quartiere. Erst ab zwei bis dreihundert Jahren können Eichen so genannten Urwaldflechten Lebensraum bieten – wir sollten Eichen deshalb auch im Interesse des Artenschutzes wirklich alt werden lassen! Für die Erholung suchenden Menschen stellen sie eine besondere Freude dar, und der Stadtforst soll dies würdigen.

Ein weiterer Grund für den Schutz ergibt sich aus der Situation unserer Auwälder als stadtnahe Bestände, die vorrangig der Bevölkerung dienen und hier geht der langzeitliche Bestandeserhalt vor einer kurzzeitigen Wertschöpfung aus dem Holzverkauf.

(Foto, Anlage) Wir betrachten abschließend noch eine Starkeiche an der westlichen Seite des Rennbahnstegs – der rote Querstrich markiert sie als demnächst zu fällendes Exemplar. Der Baum hat nekrotisches Gewebe am Stammfuß, welches wahrscheinlich von früheren Beschädigungen durch Fahrzeuge herrührt (Rückeschaden), und ein Baumpilz (vermutlich der Zimtporling) weist auf totes Gewebe hin. Erfahrungsgemäß ist eine solche Starkeiche in der Lage, trotz dieser Verletzungen und der Besiedlung durch den Pilz noch einige Jahrzehnte,​ für Menschen unbedenklich, weiterhin zu gedeihen – wenn nicht jemand mit einer Motorsäge kommt​!​ Dass diese Einschätzung berechtigt ist, zeigen zahlreiche Eichen in unseren Wäldern, die ebenfalls viel Totholz am Stamm und im Kronenraum haben, und stabil stehen. Eine Auswahl finden sie übrigens unter folgender Liste: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der dicksten_Eichen_in_Deutschland

NUKLA wird sich der Thematik weiterhin widmen und auch den Rat weiterer renommierter Fachleute einholen.

Wenn ihnen unsere Arbeit gefällt, freuen wir uns über ihre Spende, und erwarten gern auch ihre ehrenamtliche Mithilfe. Wir freuen uns, sie bei einer unserer zahlreichen Veranstaltungen für den Leipziger Auenwald begrüßen zu dürfen! Beispielsweise finden Sie Termine unserer Waldführungen und Vorträge in www.nukla.de, und diese werden u.a. vom MDR und örtlichen Zeitungen mitgeteilt.

Prof. Dr. Bernd Gerken

[1]          http://www.lvz.de/Leipzig/Lokales/Kahlschlag-in-Leipzig-Leutzsch-Umweltschuetzer-protestieren

protestieren

[2]       https://www.waldwissen.net/waldwirtschaft/schaden/pilze_nematoden/wsl_merkblatt_eschentriebsterben/index_DE

[3]          https://openjur.de/u/557172.html

[4]          https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/5405-SaechsWaldG#p11

[5]          https://www.smul.sachsen.de/sbs/download/29_VerkehrssicherungspflichtImWald.pdf

[6]          http://waldproblematik.de/eichenwaelder-forstgenossenschaft-rotenkamp/

Bild “Itroeiche…”: Eichenstammfuß am Eingang zur Nonne

Bild “Eichentotholz…” – reichlich Totholz an Eiche, Eschen gesund – im Möckernschen Winkel

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