Bäume sind bis in hohes Alter Kohlenstoffsammler

Klimaschutz: Ältere Bäume als Klimaretter

Bäume sind bis in hohes Alter Kohlenstoffsammler – ein weiterer Grund, im Leipziger Auwald künftig auf den Hieb von alten Eichen, Eschen und anderen alten Baumexemplaren zu verzichten (von Bernd Gerken, NuKLA – Sächsisches Aueninstitut für Mitteldeutschland Kontakt: s.a.m.nukla@nukla.de).

Von den Bewirtschaftern des Leipziger Auenwaldes wird immer wieder gesagt, man müsse alte Bäume selektiv entfernen, um dem Naturschutz zu dienen, es brauche Lichtungen. Zudem wird gesagt, es brauche mehr Stieleichen, um dem Zielbild einer Hartholzaue zu entsprechen – gleichzeitig geschieht jedoch nichts Nennenswertes, den Wasserhaushalt so aufzubessern, dass der Auenwald wieder zu Leben erweckt werden und seine typischen Baumbestand von selbst entwickeln kann. Auch für den kommenden Winter wird bereits die Entnahme alter Eichen von Stadtforsten angekündigt – obwohl gerade der Eichenanteil erhöht werden soll, und obwohl Totholz gefördert werden soll, das entstünde, ließe man alte Bäume in Ruhe ihren Lebenskreislauf zu Ende führen, statt künstlich und widersinnig alte Bäume zu fällen, um damit künstlich den Totholzanteil zu steigern. Es kostet absolut nichts und schadet nicht dem Auwald, die vorhandenen Altbäume noch älter werden zu lassen, selbst wenn mal zwei angeblich zu nah beieinander stehen und einander angeblich behindern (so etwas passiert in naturbelassenem Wald immer, und es war nie ein Problem für die Ökologie).

Altbäume geben einem umso größeren Artenreichtum Lebensraum, je älter sie werden. Dazu gibt es zahlreiche Untersuchungen, u.a. aus Russland, die pro Alteiche mehr als 1000 verschiedene begleitende Tier und Pflanzenarten zählten. Manche Spezies z.B. bestimmte Flechtenarten besiedeln überhaupt nur Bäume, die älter als 200 Jahre alt sind. So alt können Eschen werden, und das tun sie auch im Leipziger Auwald, wie wir an mehr als 170 Jahre alten kerngesunden Eschen in der Nonne seit Jahren beobachten können. Der Wert alter Bäume nimmt selbst dann noch zu, wenn sie langsam absterben – dann gesellen sich in den noch lebenden Stamm so genannte Totholzbesiedler, die in unseren Kulturwäldern kaum noch Lebenschancen finden. Der Waldökologe und langjährige wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Scherzinger weist auf diese Diskrepanz hin, indem er ausführt, dass wir heutzutage uriges Baumwachstum kaum bis gar nicht mehr kennen, weil unser Waldbild von so genannten “Försterwäldern” geprägt sei, bei denen Bäume nicht ihr natürliches Alter erreichen dürfen und ihnen meist auch die Chance zu natürlicher Verjüngung genommen werde (weil man Pflanzung von Baumschulware für sinnvoller halte). So auch leider in Leipzigs Auwald.

Alte Bäume finden in der Bevölkerung große Wertschätzung. Kinder spielen gerne in ihrem Umfeld, Familien rasten oder verbringen das Wochenende gerne unter ihrem Schirm, wie wir bei der alten Flatterulme im Clara Zetkin-Park beispielhaft erleben können. Was jungen Bäumen noch fehlt, das entwickeln Altbäume mit jedem Jahrzehnt mehr: das individuelle Erscheinungsbild, das die Phantasie der Menschen anregt und das sie unbewusst wie magische, uralte Wesen wertzuschätzen lernen.

Altbäume bringen noch eine andere Qualität ins Spiel, an die kaum gedacht wird, und die jüngst wissenschaftlich beschrieben wurde:  sie sind lebendig bis in ihre letzten Jahre, und dabei sammeln sie Kohlendioxid in hohem Maße. Das bedeutet, dass sie auch im Alter bezüglich der Sauerstoffproduktion sehr wirksam sind. Große Städte ersticken am Autosmog – so auch Leipzigs Innenstadt. Da brauchen die Menschen erst recht einen vielfältigen und vor allem alten Wald.

Über die Kohlendioid-sammelnde Wirkung an Altbäumen berichtet ein aktueller Spiegel-Artikel Bäume sind bis in hohes Alter Kohlenstoffsammler: https://www.tagesspiegel.de/wissen/klimaschutz-aeltere-baeume-als-klimaretter/20210200.html

Wir zitieren: ” Bisher galten ältere Bäume bei der Kohlendioxid-Aufnahme als wenig effektiv. Zwar lagern sie über die Jahre den gespeicherten Kohlenstoff dauerhaft in Stamm und Ästen ein. Unklar war aber, ob sie noch maßgeblich neuen Kohlenstoff aufnehmen können. … Michael Köhl und sein Team vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit konnten zeigen, dass alte Bäume im letzten Viertel ihres Lebens zwischen 39 und 50 Prozent ihres gesamten Kohlenstoff-Anteils aufnehmen. Über die Dicke der Wachstumsringe wurde der jährliche Zuwachs und dann die Biomasse bestimmt, die zur Hälfte aus Kohlenstoff besteht. So ließ sich ermitteln, in welchem Alter der Baum wie viel Kohlenstoff aufgenommen hat. Ergebnis war, dass Tropenbäume bis ins hohe Alter äußerst produktiv sind. … Die Ergebnisse ließen sich auf Europa übertragen, sagte Köhl. … Auch in naturbelassenen Mischwäldern könnten die Bäume bis ins hohe Alter Kohlendioxid aus der Atmosphäre abbauen.

Wir ersuchen die Stadt erneut, der Bedeutung alter Bäume im Leipziger Auwald nunmehr angemessen Ausdruck zu verleihen. Außer den oben genannten Gründen bilden alte Bäume eine Haupt-Motivation zu Ausweisung der Schutzgebiete. Daher sollte nun auf den Hieb von alten Eschen und alten Eichen vollständig verzichtet werden. Die Einnahmen aus dem Holzerlös sind angesichts des allgemeinen Finanzbudgets der Stadt Leipzig unbedeutend, doch für die Bürger, die diesen Auwald sehr schätzen, zählt jeder alte Baum.

* Das Spiegel-Zitat nennt auch die Quelle des Fachbeitrags – zum Nachlesen: The impact of tree age on biomass growth and carbon accumulation capacity: A retrospective analysis using tree ring data of three tropical tree species grown in natural forests of Suriname. Autoren: Michael Köhl, Prem R. Neupane, Neda Lotfiomran . in PLOS: Published: August 16, 2017, https://doi.org/10.1371/journal.pone.0181187

 

Dieser Beitrag wurde unter Aktuelles, Argumente und Positionen, Auenökologiesymposium, Auwald, Presse veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.