„Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“

GRÜNE LIGA Sachsen

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Der Artikel des NABU vom 23.10.18 in der L-IZ, kommentiert von der GRÜNEN LIGA Sachsen e.V. und NuKLA e.V.

Mit einem „Großaufgebot“ von Wissenschaftlern und Naturschützern und solchen, die sich dafür halten, sollte anlässlich einer Exkursion durch die Burgaue am 19.10.18 offensichtlich der Versuch unternommen werden, das in der Öffentlichkeit zu Recht angekratzte Image der Stadtförsterei nach deren Abholzungen in den letzten Jahren aufzubessern. Die Leipziger Internetzeitung berichtete davon am 23.10.18. Wir nehmen dies zum Anlaß und kommentieren die veröffentlichten Ausführungen der für die Exkursion fachlich Verantwortlichen. 

Wie weiter mit dem Leipziger Auenwald?

Die Sicht des NABU und der Offene Brief zum Forstwirtschaftsplan

Am Mittwoch, 24. Oktober, steht als Punkt 18.1 auch der Forstwirtschaftsplan der Stadt Leipzig auf der Tagesordnung des Stadtrates. Am Wochenende machte ja dazu schon ein Offener Brief der beteiligten Wissenschaftler von sich reden. Erstmals gibt es ja in Leipzig überhaupt eine öffentliche Diskussion zum Umgang mit dem Auenwald. Die Positionen sind verschieden. Am 19. Oktober hat der NABU die Gelegenheit genutzt, die Stadträte mit seiner Sicht auf den Wald vertraut zu machen. Dem Naturschutzbund NABU war es ein Anliegen, Stadträten und Fachpolitikern einen Einblick in ökologische Zusammenhänge, naturwissenschaftliche Forschung und naturschutzfachliche Ziele im Leipziger Auenökosystem zu geben. Der NABU hatte deshalb am Freitag, 19. Oktober, die Leipziger Stadträte zu einer Exkursion durch die Burgaue eingeladen.

Dem Naturschutzbund NABU war es ein Anliegen, Stadträten (es waren teilweise bis zu 3 anwesend) und Fachpolitikern einen Einblick in Ökoklogische Zusammenhänge, naturwissenschaftliche Forschung und naturschutzfachliche Ziele im Leipziger Auensystem zu geben. Der NABU hatte deshalb am Freitag, 19.10.18 zu einer Exkursion in die Burgaue eingeladen.

Wissenschaftler und Naturschützer haben die Teilnehmer auf dem Rundgang durch den Auwald geführt und vor Ort Fragen beantwortet: Prof. Dr. Christian Wirth (Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung iDiv und Universität Leipzig), Rolf Engelmann (Verein zur Förderung der Umweltbildung und Umweltforschung ENEDAS), Dr. Peter Otto (Universität Leipzig), Theresa Warnk (Bund für Umwelt und Naturschutz BUND), René Sievert (NABU Leipzig), Dr. Maria Vlaic (NABU Leipzig).

Nach der Begrüßung erläuterte René Sievert, dass für einen intakten Auwald Hochwasserereignisse notwendig sind, diese wieder zuzulassen sei ein wichtiges Ziel des Naturschutzes. Daneben sei eine naturverträgliche Forstwirtschaft notwendig, um die Biodiversität des Leipziger Auenökosystems zu erhalten.

Natürlich ist für die Erhaltung der Biodiversität mindestens eine naturverträgliche Forstwirtschaft und keine naturunverträgliche Forstwirtschaft notwendig. Noch besser ist es aber, wenn der Wald ohne forstwirtschaftliche Aktivitäten belassen wird. Soweit es davon Ausnahmen geben sollte, werden sie weiter unten benannt. Insofern Herr Sievert diese Grunderkenntnis nicht teilt, irrt er.

Die Wissenschaftler gaben zu bedenken, dass ein „Nichtstun“ dazu führen würde, dass der gegenwärtige artenreiche Hartholzauwald sich zu einem Bestand von Ahorn entwickeln würde, der künftige Hochwasserereignisse nicht überstehen könnte.

Hier irren die Wissenschaftler. Der Hartholzauwald wird auch vom Grundwasser gespeist, welches nach der Einstellung der Tagebauaktivitäten im Südraum von Leipzig wieder ansteigt/zurückkommt. Die „schlimmste“ Zeit ist für den Auwald in Leipzig ausgestanden. Wenn der Auwald jetzt noch für die wechselnde Wasserführung der Weißen Elster und ihre Begleitflüsse geöffnet würde, so dass Niedrig- und Hochwasserereignisse sich flächig auswirken können, wird sich dessen Zustand noch weiter verbessern. Das bisherige „Tun“ des Stadtförsters hat vor allem auch die Fällung von alten Eschen und Stieleichen zum Inhalt gehabt. Auf den Durchforstungsflächen haben sich insbesondere Bergahorn, Spitzahorn und Holunder sowie mehrere Arten Neophyten ausgebreitet. Man hat also den Raum geschaffen für die Begründung von Ahornbeständen auf dem einstigen Auenwaldstandort, der revitalisierbar ist.   Dieses „Tun“ hat damit den Hartholzauwald geschadet und es wäre besser, wenn der Stadtforst in den Modus „Nichtstun“ umgestellt würde. Ausgenommen davon seien allenfalls Sicherungsmaßnahmen entlang viel begangener Wege sowie die Entnahme vordringender Ahorne und Robinien.

Das Projekt „Lebendige Luppe“ nutzten die beteiligten Wissenschaftler, um in mehreren Einzeluntersuchungen den Auwald gründlicher zu untersuchen, als es ohne dieses Projekt je möglich gewesen wäre.

Es ist nicht einzusehen, warum dieses Projekt derart begrenzt konzipiert wird, denn die Nordwestaue bietet die Chance einer flächenhaften Revitalisierung. Konkrete Unterlagen werden der Stadt und der LL-Projektgruppe seit Jahren durch die AULA Gruppe (federführend durch Heiko Rudolf) unterbreitet bzw. zum Studium nahegelegt, worauf bis heute nicht eingegangen wird. Immerhin vermerken wir, für wie wichtig die Gruppe der Exkursionsteilnehmer und auch die Verfasser des Offenen Briefs an OBM Jung die Wiederherstellung eines naturnahen Wasserregimes einschätzen. Dem können Taten folgen.

Prof. Dr. Christian Wirth berichtete von langjährigen Forschungen im Leipziger Auwald, beispielsweise am Auwaldkran, wobei unter anderem festgestellt wurde, dass die Eiche die Auwaldbaumart ist, die die meisten Tier- und Pilzarten beherbergt, (was der Wissenschaft seit langem bekannt ist und vor Jahrzehnten bereits in Russischer Literatur mitgeteilt wurde) sich aber aufgrund der fehlenden Hochwasser durch Naturverjüngung nicht vermehren kann.

Die Forschungen in den Wipfeln der Bäume bestätigen das, was NUKLA und GL Sachsen e.V. sagen. Allerdings steht die Kranbahn genau in einer Hochwasserabflusslinie am Nahle-Auslassbauwerk. Hier wäre mehr fachlicher Sachverstand bei den Trägern/Betreibern des Auwaldkranes notwendig gewesen, damit durch ihre Aktivitäten die notwendigen Hochwasserereignisse in der Burgaue nicht behindert werden.

Rolf Engelmann informierte die Teilnehmer über aktuelle Erkenntnisse zum sogenannten „Eschentriebsterben“, das dazu führt, dass nicht wenige Eschen im Leipziger Auwald absterben, weshalb viele von ihnen gefällt werden, was ursprünglich erst im Verlauf mehrerer Jahre geplant war. Des Weiteren informierte Rolf Engelmann über die Förderung der ökologisch besonders wertvollen Stiel-Eiche, die unter den derzeitigen Bedingungen nur durch forstwirtschaftliche Maßnahmen vermehrt werden kann.

Herr Engelmann hat sich offensichtlich Vorort noch keinen Überblick verschafft, welche Eschen im Auwald vom Stadtforst gefällt werden. Der Leipziger Stadtförster lässt ausdrücklich gesunde Alteschen fällen, damit man das Holz noch verwerten kann bevor diese eventuell vom Eschentriebsterben befallen werden. Der Eschenbestand im Leipziger Auwald ist keineswegs so existentiell bedroht, wie seitens des Forstamts mitgeteilt wird. Eine Fällung erkrankter Exemplare ist nicht erforderlich, und sie kann den Verlauf der Erkrankung auch nicht bremsen. Das Totholz dient dem FFH-Gebiet, und die Eschen werden eine natürliche Resistenz entwickeln. Und natürlich vermehren sich Stiel-Eichen auf natürliche Art und Weise. Nämlich immer dann, wenn entsprechendes Licht auf den Waldboden fällt. Und wenn der aktuelle Waldbestand in seiner aktuellen Zusammensetzung kein „lichter“ Wald ist, so ist die natürliche Entwicklung in diesem Waldgebiet noch nicht entsprechend fortgeschritten. Mit forstlichen Maßnahmen hat das wenig zu tun. Wenn man sich die Flächen ansieht, die vom Stadtförster beerntet wurden und nun im Ahorn-Holunder-Brombeergestrüpp untergehen, sieht man auf lange Sicht nichts von Stiel-Eichen.

Über den Auwald als Lebensraum bedrohter Arten sprach Dr. Maria Vlaic und erläuterte Artenschutzmaßnahmen des NABU, wie die Revitalisierung von Still- und Fließgewässern in der Aue. Über einen besonders seltenen Bewohner des Leipziger Auwalds informierte Theresa Warnk, über die Wildkatze. Dass sie im Auwald heimisch sei, beweise dessen herausragende Bedeutung als Lebensraum. Er ist der einzige bekannte Fundort der Wildkatze in Sachsen, wo die Tiere leider von anderen Vorkommen isoliert sind. Einen Waldverbund herzustellen, sei deshalb ein Ziel des Rettungsnetzes Wildkatze des BUND.

Die Wildkatze ist jedoch nicht auenspezifisch, sondern weit verbreitet und dass ihr Vorkommen im Auwald isoliert sei, kann hinterfragt werden, denn die Art hat auch ohne Wald- oder Buschbrücken hergefunden.

Die Wildkatze profitiert ausdrücklich nicht von den Forstmaßnahmen des Stadtförsters. Die Wildkatze ist ausgesprochen scheu und heimlich. Eine Auflichtung des Waldes durch Beseitigung von Altholzbeständen (Entfernung von potentiellen Höhlenbäumen), die Anlage eines Forstrücke-Wegesystems im Wald (Erschließung des Waldes nicht nur für Forstmaschinen, auch vermehrtes Freizeit-Begängnis)  oder die Beseitigung von Unterholz (Beseitigung von Deckung) werden durch die Lebensraumansprüche der Wildkatze nicht gerechtfertigt.

Dr. Peter Otto erläuterte die Bedeutung von Totholz und kam zudem auf die oftmals übersehenen Auwaldbewohner zu sprechen, auf Flechten und Pilze. Sie spielen als Zersetzer im Stoffkreislauf des Auwalds eine wichtige Rolle und sind eng mit einzelnen Baumarten verbunden.

Der hohen Bedeutung von Totholz kann nur entsprochen werden, wenn Totholz im Wald belassen wird. Die Fällung und der Abtransport von Altholzbeständen zum Zwecke der Holznutzung widerspricht der Bestrebung, das Totholz im Wald zu belassen. Altbaum-spezifische Flechten benötigen den Lebensraum in der Krone –nach der Fällung überleben sie nicht am Boden. Sie benötigen vor allem alte bis sehr alte Bäume, daher darf zu deren Erhaltung der Altbestand nicht vorzeitig entfernt werden.

Abschließend erläuterte René Sievert die Zusammenarbeit der Naturschutzverbände mit dem Stadtforst und verdeutlichte, dass die ehrenamtlichen Möglichkeiten der Vereine nicht ausreichen, um den Artenschutz bei Forstarbeiten sicherzustellen. Die Naturschutzbehörde oder die Abteilung Stadtforst benötigen Personal, das dafür zuständig ist, beispielsweise für die Erfassung von Höhlenbäumen oder gesetzlich geschützter Arten.

Der Stadtforst hat aktuell 12 Mitarbeiter. Dieses Unternehmen arbeitet seit Jahren defizitär. Noch mehr Mitarbeiter würden das Defizit der Stadtförsterei erhöhen. Wenn dagegen kein Holzeinschlag erfolgt – außer den genannten Sicherungsmaßnahmen, sinken die Kosten und der Personalaufwand spürbar. Der Erfassungsaufwand für Höhlenbäume oder gesetzlich geschützte Arten könnte bei einem solchen Vorgehen entfallen, da ja keine Holzernte ansteht, die Höhlenbäume beseitigt oder geschützte Arten gefährden könnte.

Zudem gebe es weiteren Forschungsbedarf. Für solche Forschungsarbeiten und für mehr Naturschutzpersonal baten die Wissenschaftler und Naturschützer die anwesenden Politiker um das nötige Geld und forderten, den Auenschutz stärker in die Entscheidungen der Stadträte einfließen zu lassen.

Geld braucht sicherlich jeder. Da die hier Forschenden aber bisher für das dringliche Problem des Auwaldschutzes vor forstlichen Maßnahmen nichts Zielführendes beitragen konnten, ist auch kein Bedarf für die Ausreichung weiterer Gelder an diesen Personenkreis erkennbar. Ein Forstbetrieb ist für wirtschaftlich-forstliche Aufgaben zuständig und Naturschutz fällt nicht in sein Ressort. Somit auch nicht fachkundige Dokumentation der Höhlenbäume, Flechtenbäume etc. – wozu überdies aufwändige Untersuchungen erforderlich sind. Bei der derzeitigen Gestaltung des Forstbetriebs Leipzig haben Ökologen dort keinen Stellenwert. Die Überwachung von Schutzgebieten ist Aufgabe von entsprechenden Behörden, und diese können bei Bedarf Wissenschaftler mit Sonderaufgaben beauftragen. Insofern gehört fachkundiges Personal zur unteren resp. Oberen Naturschutzbehörde.

„Bei der Exkursion ging es um die Darstellung von Fakten, die in der aktuellen Debatte von anderen vielfach ignoriert oder verfälscht werden, für ihre Entscheidungen sollten den Stadträten fundierte Hintergrundinformationen gegeben werden; der Forstwirtschaftsplan im Einzelnen war hingegen nicht Gegenstand der Exkursion“, so der NABU.

Aber thematisiert wurden der Forstwirtschaftsplan und die Kritik des NuKLA daran dann am selben Tag durch den Offenen Brief an den OBM.

Von diesem Brief haben Teilnehmer der Exkursion bereits gewusst bzw. diesen mit verfasst und es bleibt zu klären, warum nicht von ihm berichtet wurde.

„Ich persönlich finde es prinzipiell gut, wenn in der Öffentlichkeit über Wald gesprochen wird“, betont Christian Wirth. Und auch die gegenteiligen Positionen gehören in diese Diskussion. Und auch Emotionen.

Das finden wir auch. Im Übrigen spricht der Wald Menschen zunächst und vor allem auf der Gefühlsebene an. Und es zeugt von einem hohen ökologischem Grundverständnis, wenn  Menschen die Abholzungsmaßnahmen im Auwald kritisch begleiten. Ob Wissenschaftler am Forschungsobjekt „Wald“ neue Gelder für sich akquirieren können oder ob ein naturnaher Wald den Personalbestand der Stadtförsterei sichern kann tritt dabei in den Hintergrund. Und das ist auch gut so.

GRÜNE LIGA Sachsen e.V., T. Mehnert

NuKLA e. V., W. Stoiber

Der Offene Brief an den OBM.

 

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