Chaos und Vandalismus mit Kettensägen im Leipziger Auwald

Inmitten der Burgaue

Am 19.11.18  begann die Umsetzung des Forstwirtschaftsplanes 2018/19 im Leipziger Auwald mit fast 100iger Zustimmung des Leipziger Stadtrates. Im Vorfeld hatten Ehrenamtliche, alles andere als willkürlich, sondern eindeutig mit hohem naturschutzfachlichen Sachverstand an der Friesenstraße und in der Burgaue Starkbäume (teilweise älter als 200 Jahre, mit Stammumfängen von mehr als 3 Metern) und Biotopbäume (Lebensraum geschützter Arten z.B. mit Spaltenquartieren für die Mopsfledermaus) mit Paragraphenzeichen versehen, dem Symbol für vom Holzeinschlag aus Naturschutzgründen zu verschonenden Bäumen. Im Vorfeld gab es auch Absprachen zwischen dem Stadtforst und den Ehrenamtlichen. Mindestens eine Dose der für die Markierung mit Paragraphenzeichen verwendeten Farbe Pink stammt aus der Ab

J. Hansmann

teilung Stadtforsten, ausgegeben für eben diese Markierungszwecke. Am Ende waren wohl deutlich mehr unbedingt zu schützende und zu erhaltende Bäume mit der vom Oberförster ausgegebenen pinken Farbe markiert, als vermutlich von ihm erwartet: mehr Schutzgüter im Auwald, als gedacht/gewusst?! Jedenfalls mehr schutzwürdige Bäume als gewünscht! Prompt sprach das Forstamt öffentlich von „Sabotage“ und wetterte gegen diesen „Vandalismus“. „Dabei hatte Sickert nur bestimmte Farben an die Experten verteilt. Pink, wie jetzt inflationär verwendet, sei etwa gar nicht dabei gewesen, heißt es.“ (LVZ, Artikel vom 18.11.18): weiß man im Forstamt nicht mehr, dass man selbst Pink ausgegeben hat?

Quasi zeitgleich gab der Ökolöwe, der bis dato auf seiner Webseite, in der AG Stadtwald und bei öffentlichen Veranstaltungen zum Thema alle forstwirtschaftlichen Maßnahmen im Auwald immer wohlwollend und zustimmend begleitet und den Bürgern deren Sinnhaftigkeit erklärt hatte, in einer Presserklärung zur Kenntnis, Ökolöwe und Stadtforsten hätten nunmehr auf „neuer Rechtsgrundlage“ (des bereits seit 2012 unveränderte geltenden Naturschutzgesetzes) mit einem ganz neuen „wissenschaftlichen Prüfverfahren“ das Rad erfunden und würden nunmehr dafür sorgen, dass die schützenswerten Bäume gerettet würden.

Tatsächlich wurde dann der Vorstandsvorsitzende, Holger Seidemann, auch mit dem Förster gesehen, wie sie durch das Waldgebiet „Nonne“ gingen, um Bäume zu besichtigen und zu markieren. Parallel dazu wurden die Paragraphenzeichen in der Burgaue an den markierten Bäume mehrheitlich entwertet (mit blauer Farbe durchkreuzt), was bedeuten dürfte, dass damit diesen Bäumen ihre Schutzwürdigkeit abgesprochen und sie zumindest teilweise zum Fällen freigegeben wurden: darunter viele Eichen („Wir fällen keine Eichen!“: OT Leiter des Amtes für Stadtgrün und Gewässer, Rüdiger Dittmar,  bei der Bürgerveranstaltung zum Thema  Grün in der Stadt  der LVZ Mitte November in der LVZ Kuppel), Starkbäume, Höhlen-/Biotopbäume (u.U. von unter Schutz stehenden Fledermäusen gerade als Winterquartiere genutzt) sowie stehendes Totholz (besonders wertvolle Biotopbäume, die, selbst tot oder absterbend, Lebensraum vieler geschützter Arten sind und die, so Ralf Engelmann bei der Exkursion des NABU Leipzig am 19.10.18, als besonders wichtig für den Schutz der Artenvielfalt im Fokus der Wissenschaft stünden und gefördert, also erhalten werden sollen).

Die derzeit zu Mittelwald (eine historische Form der Forst-Wirtschaft) umzuwandelnde Fläche im NATURA2000-Schutzgebiet Burgaue, auf der die o.g. wertvollen Eichen stehen, liegt sehr versteckt und wurde, trotz Nachfragens einer interessierten Teilnehmerin bei der genannten Exkursion des NABU nicht gezeigt. Vielleicht weil man selbst unter den ExkursionsteilnehmerInnen Proteste oder zumindest starke Irritationen befürchtete: angesichts der imposanten alten Bäume mag manchen, noch einigermaßen naturverbundenen Menschen zweifellos ein Gefühl des Unwohlseins und die Frage nach der Richtigkeit solcher Maßnahmen beschleichen, wenn er sich vorstellt, dass diese Bäume im Schutzgebiet gefällt werden sollen: 200 Jahre alte Eichen schlagen zur „Beförderung der Eichen“ im Leipziger Auwald?

Allerdings sind gemäß der Leipziger Definition Eichen erst ab 80 cm Durchmsser (ca. 2,55 m Umfang) und Eschen ab 70 Durchmesser (ca. 2,20 m Umfang) zu den Starkbäumen zu zählen. So dass dünnere und damit jüngere Eichen nicht zu schützen wären und womöglich kurz davor sind, gefällt zu werden: ziemlich paradox vor dem Hintergrund, dass die forstwirtschaftlichen Maßnahmen gerade auch damit begründet werden, dass es an jüngeren Eichen fehle im Auwald. Außerdem haben auch viele von diesen jüngeren Eichen („Wir fällen keine Eichen!“ OT R. Dittmar, a.a.O.) Spalten und Höhlen haben. Und es stehen noch (!) viele Eschen mit Spalten und z.T. wertvollen, riesigen Höhlen, die im Moment nicht blau markiert sind und wo also offen ist, welchem Schicksal sie entgegensehen.

Waum wohl diese gesunde Eiche vor wenigen wochen gefällt werden musste

In diesem Herbst frisch gefällte Eiche Nähe Haus Auensee unter der Unterführung Richtung Parkplatz Gustav-Esche-Straße.

Auf dem Holzeinschlag an der Friesenstraße wurden an sieben der dort gefällten Bäumen, die mit einem Paragraphen gekennzeichnet waren, zahlreiche Spalten und Baumhöhlen dokumentiert: diese Bäume wurden also keineswegs „inflationär“ sondern aus gutem Grund markiert! Einer dieser gefällten Bäume, eine Esche mit einem Stammdurchmesser von ca. 78 cm, ist den Starkbäumen zuzuordnen. Die zu den Fällungen abgeordneten Mitarbeiter von Stadtforsten, die überwachen sollten, dass keine von Vandalen „falsch“ markierten Bäume verschont werden,  haben also ganze Arbeit geleistet und die angebrachten Markierungen ignoriert, ohne deren naturschutzfachliche Begründetheit von purem Vandalismus unterscheiden zu können oder zu wollen.

Kürzlich gefällte Eiche

Besonders tragisch ist die Sinnlosigkeit der Fällung von allein vier der markierten Bäumen, da diese lediglich am Rand des sogenannten Femellochs standen und den Eichen, die man dort plantagenmäßig anpflanzen will, nicht mal das Licht genommen hätten.

Unter den mit blauer Farbe über- bzw. ummarkierten Bäumen, die aufgrund der Art der Blaumarkierungen mit hoher Wahrscheinlichkeit noch gefällt werden sollen, sind mehrere Biotop-Eschen mit Höhlen, aber auch acht Eichen („Wir fällen keine Eichen!“, OT R. Dittmar, a.a.O.) und dreimal stehendes Totholz bzw. Bäume, die kurz davor sind, stehendes Totholz zu werden. Bei 13 Eichen aller Altersklassen mit komplett unberührten pinken Paragraphenzeichen besteht die Gefahr, dass diese Bäume ebenfalls gefällt werden sollen.

Die derzeitige Kennzeichnung mit blauer Farbe zur „Korrektur“ der „inflationär“ ausgebrachten pinken Paragraphen-Schutzkennzeichnungen wirkt aus naturschutzfachlicher Sicht inkonsistent und wirr, eher von persönlichem Ärger als von fachlicher Kompetenz geleitet. Handelt es sich DABEI um das vollmundig angekündigte neue „wissenschaftliche System“ von Ökolöwe und Stadtforsten?

Trotz des öffentlichen Versprechens des Ökolöwen, die wertvollen Höhlen- und Biotopbäume im Auwald nun  gemeinsam mit Stadtforsten endlich zu retten, liegen diese im Leutzscher Holz: frisch geschlagen! Sie werden dokumentiert und kariert – das Einzige, was NuKLA für sie jetzt noch tun kann.  Irgendwann muss dieser Irrsinn ein Ende haben!

Fotos im Areal der Burgaue

Foto: J. Hansmann

J. Hansmann

Inmitten der Burgaue, im Naturschutzgebiet

 

 

 

 

 

 

Markierungswahnsinn

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