Wider falscher Harmonie – wider die Wüste Leipziger Auwald

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Kolumne zwischen Weihnachten und den Jahren.

Nur noch eine Kerze bis Weihnachten. Bald wird sich die allgemeine Hektik zwanghaft in Idylle verwandeln. Und Friede, Freude, Entenbraten übernehmen das Zepter. Alle sind für ein paar Tage scheinbar lieb, spenden etwas vom Überfluss, nehmen sich noch etwas vor, was zwei Wochen hält. Und dann ist wieder alles beim Alten. Obschon nicht selten gerade zwischen den Jahren familiärer Lagerkoller auftritt und Verwerfungen und Brüche zu Tage treten, die sonst leichter unter den Teppich zu kehren sind. Und das ist gut so, dass Probleme sichtbar werden, weil die heile Welt nicht so heil ist. So sehr wir uns das auch wünschen. Besser wäre, tatsächlich etwas zu tun. Etwas zu ändern. Zum Beispiel ist dem Vertreter von den maledivischen Inseln bei der Klimakonferenz in Katowice aber so richtig der Kragen geplatzt – zu Recht. Sein zu Hause ersäuft demnächst im Meer. Auch die 10-Millionen-Metropole Jakarta oder halb Holland wird Teil des Meeresbodens. Der Club of Rome hat vor 45 Jahren die „Grenzen des Wachstums“ aufgezeigt. Seit 25 Jahren wird offiziell und mit großem Tamtam auf UN-Konferenzen über Nachhaltigkeit geschwätzt. Es gibt hier und da eine Energiewende. Aber so wirklich verdient hat sie den Namen nicht. Denn unser ökologischer Fußabdruck trampelt immer noch auf unserer Zukunft rum. Das heißt wir verbrauchen zigmal mehr Ressourcen, als auf der Erde auf Dauer vorhanden sind. Das ist unverändert das absolute Gegenteil von Nachhaltigkeit.

Auch wenn ich Ärger nicht suche, bin ich dankbar für notwendigen Ärger, so wie ihn NuKLA in Leipzig induziert. Ich bin schockiert über den alten Trott, der in Leipzig herrscht. Mit dem selbstverliebten Geschwafel über traditionell starkes bürgerschaftliches Engagement und/oder Stadt der friedlichen Revolution belügen wir uns doch nur selbst. Der Blick über den Tellerrand zeigt, dass Leipzig unter 30 vergleichbaren deutschen Städten die Stadt mit dem zweitwenigsten Grün ist. Der Bauboom, der aktuelle, lässt die Bilanz noch schwärzer werden. Und im theoretisch geschützten und praktisch dahinsiechenden Auwald spielt ein Förster mit der Säge Naturschutz. Tourismus und Waldbewirtschaftung sind auch den Stadtoberen wichtiger als Naturschutz und Nachhaltigkeit. Widerspruch und Streit tut daher Not, Bitternot.

Neulich bin ich hinter dem Nahlewehr vom Weg abgekommen und stieß auf die Schwarze Lache, einen der unzähligen ausgetrockneten Wasserläufe. Ein markantes Steilufer auf der einen Seite, gesäumt von stolzen Baumriesen, denen es zu trocken um die Wurzeln ist. Und eine sanfte Uferböschung gegenüber, die wie geschaffen ist für periodische Überschwemmungen, die der Auwald zum Leben benötigt. Aber alles trocken! Dieser Auwald ist in Wirklichkeit eine Wüste! Zum Beispiel weil das Nahlewehr in einem guten halben Jahrhundert gerade erst zwei Mal etwas Wasser in den Auwald gelassen hat. Bezeichnend für eine tödliche Regulierung der Natur. Es scheint fast wie Angst vor militanten Umweltaktivisten, dass das Wehr nachts beleuchtet wird und mit einem halben Dutzend Überwachungskameras bestückt ist.

Wasser statt Femellöcher müsste das Motto sein. Auch das musste ich voller Wut und Trauer sehen. Denn ein paar Meter weiter reckten sich tausende Ahornruten gen Himmel. Ein Femelloch einer früheren Generation, in dem städtischer Propaganda zuwider wohl nichts gedeiht, was im Auwald erwünscht und zu Hause ist. Würde die Schwarze Lache Wasser führen, würden sich die Bedingungen für die Vegetation ändern und automatisch – nein natürlich – die Baumarten bevorzugt wachsen, die hier heimisch sind oder sein sollten.

Stattdessen Markierungen an den Baumstämmen, was noch gefällt werden soll und was nicht. Ich wünsche mir eine friedliche Revolution gegen den alten Trott und diese herrschende Meinung, dass eine Säge dem Naturschutz dienen könne. Besser als die Natur es kann. Und während andere „Naturschutz“vereine tatenlos zusehen und dieses widernatürliche Tun sogar mit absegnen, ist NuKLA die einzige hörbare Stimme des Widerspruchs. Ein Rufer in der Wüste, der bitte nie schweigen möge. Dafür bin ich dankbar. Denn es gibt keine Zukunft für unsere Kinder ohne Natur. Insofern ist das gerichtlich erzwungene Moratorium, welches die Säge momentan bremst, eines der schönsten Ereignisse 2018 für mich.

Frank Willberg

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