„Um Eichen nachzupflanzen, muss man keine Löcher in den Wald hacken“

Bestsellerautor Wohlleben probt den Schulterschluss mit Leipziger Waldschützern / Lesung bei Hugendubel, Von Andreas Tappert, ein Artikel der LVZ

Die Kritiker der Abholzungen im Auwald haben einen prominenten Unterstützer gefunden: Peter Wohlleben, Autor des Bestsellers „Das geheime Leben der Bäume“, der in Deutschland bislang 1,1 Millionen Mal verkauft wurde, hat sich in einer Videobotschaft gegen die geplanten Abholzungen in Leipzigs grüner Lunge ausgesprochen. Wohlleben hat auch angekündigt, dass er sich in Leipzig engagieren wird: Am 22. Januar liest er um 20.15 Uhr in der Innenstadt in der Buchhandlung Hugendubel aus seinem Werk. Das Buch geht mit der konventionellen Waldwirtschaft – die auch Leipzigs Stadtförster im Auwald betreiben – hart ins Gericht.

„Im Leipziger Auwald muss keine Forstwirtschaft betrieben werden“, liest Wohlleben Leipzigs Stadtförstern in seiner Videobotschaft die Leviten. Denn dieser sei als Erholungs-, Lern- und Erfahrungsort für Leipzigs Stadtbevölkerung viel wichtiger als die ohnehin nicht vorhandenen Einnahmen für die Stadtkasse.

Wohlleben rechnet auch mit der Strategie ab, mit der die Stadtförster ihren Abholzungsplan dem Stadtrat schmackhaft gemacht haben. Danach wurden bereits an der Friesenstraße und sollen auch noch in Schutzgebieten im Auwald wieder sogenannte Femellöcher angelegt werden. Also Lichtungen mitten im Wald, für die dort großflächig sämtliche Bäume – auch wertvolle Biotopbäume und alte Eichen – gefällt werden, um darauf 30 Zentimeter große Setzlinge in den Boden zu bringen, aus denen einmal Bäume werden sollen.

„Wald weghacken, um Wald zu erzeugen, ist keine gute Idee“, sagt Wohlleben in dem Video. „Um Eichen nachzupflanzen, muss man keine Löcher in den Wald hacken.

Lasst die Bäume doch einfach stehen.“ Denn es ist bereits zu sehen, dass sich auf angelegten Femelflächen vor allem gebietsfremde Arten ausbreiten, die nicht in den Auwald gehören und die Eichensetzlinge überwuchern: Ahorn, japanischer Knöterich, Holunder und Brombeere.

Wohlleben ist mittlerweile Sprachrohr von zahlreichen Bürgerinitiativen geworden, die sich in ganz Deutschland gebildet haben. Ihr Tenor: Die zunehmende industrielle Nutzung der Wälder widerspricht den Interessen der Bürger; viele Treuhänder des Waldes seien Erfüllungsgehilfen wirtschaftlicher Interessen geworden und behandelten den Wald, als gäbe es keine Klimaveränderung, kein Artensterben und kein Morgen.

Nukla erwirkt Abholzungsstopp im Auwald

In Leipzig findet Wohlleben gerade eine Konstellation, bei der die beiden gegensätzlichen Theorien frontal aufeinanderprallen: Nachdem die Stadtförster und ihre Lobbyisten im Stadtrat gerade wieder Abholzungen in großem Stil durchgeboxt haben, beantragten Aktivisten des anerkannten Naturschutzverbandes Grüne Liga gemeinsam mit dem Verein „Naturschutz und Kunst Leipziger Auwald“ (Nukla) eine einstweilige Untersagung der Holzentnahmen und so einen Stopp der im Forstwirtschaftsplan 2018/2019 vorgesehenen umfangreichen Fällungen. Seitdem hat die Stadt bis auf Weiteres auf Baumfällarbeiten im Auwald verzichtet. Allerdings war bereits am 17. November mit Fällungen im Leutzscher Holz begonnen worden. Zahlreiche alte Eschen wurden dort beseitigt, darunter auch solche, die im Vorfeld als auf jeden Fall zu erhaltende Quartierbäume für Vögel und Fledermäuse markiert waren. Wohlleben plädiert stattdessen dafür, den Wald in Ruhe zu lassen. Statt zu fällen, sollten nur Sturmschäden und die Wanderwege durch den Wald gesichert werden, sagt er. Der Bestseller-Autor will mit seinem Leipziger Auftritt auch eine Debatte über den richtigen Umgang mit dem Leipziger Auwald befördern, die nach Ansicht hiesiger Waldschützer dringend notwendig ist. So wirft Nukla-Chef Wolfgang Stoiber den Entscheidern in Leipzig inzwischen öffentlich vor, dass die Stadtverwaltung und handverlesene Umweltvereine nur in geschlossenen Kreisen und Arbeitsgruppen über den Umgang mit dem Wald entscheiden und Einladungen zu öffentlichen Diskussionen brüsk ablehnen – wie im vergangenen Jahr im von Nukla veranstalteten mehrtägigen 2. Internationalen Leipziger Auenökologiesymposium in der Alten Handelsbörse (die LVZ berichtete). Stoiber: „Ich hoffe, dass möglichst viele Mitglieder des Stadtrates und der Stadtverwaltung den Auftritt von Peter Wohlleben nutzen, um sich mit alternativen Konzepten für den Auwald bekannt zu machen.“

 

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