Kolumne zum nächsten KartoffelKonzert

Von Frank Willberg: Ein Onkel meiner Exfrau wählt AfD. Er ist ein furchtbar netter Kerl. Seine Frau hat einen nicht zu übersehenden Migrationshintergrund. Die gemeinsamen Kinder ebenso. Aber in Anspielung auf den Merkel-Ausspruch, dass ihre Politik alternativlos sei, lächelt er wie ein Fuchs. Es gebe offensichtlich nun doch eine Alternative.

Wo er Recht hat, hat er Recht. Und das ist in unserem Parteiensystem mit unserer zutiefst konservativen politischen Kultur gar nicht so selbstverständlich. Die schwarze CDU regiert eigentlich immer. Manchmal darf die rote CDU ran. Die wird von manchen SPD genannt und für was Besseres gehalten. Diesen Glauben vermag ich nicht zu teilen, da es immerhin es SPD-Leute waren, die vor ziemlich genau hundert Jahren die Novemberrevolution haben blutig niederschießen lassen. Und in Bad Godesberg haben sie 1953 offiziell jedes umstürzlerische Potenzial begraben. Es scheint mir auch bezeichnend, dass es mit Schröder ein SPD-Kanzler war, der Hartz IV einführte und die Bundeswehr erstmal seit dem 2. Weltkrieg ins Ausland marschieren ließ.

Aktuell profiliert sich eine grüne CDU. Themen wie Klimawandel, Energiewende und Dieselskandal sind das Wasser auf den Mühlen der Grünen. Aber von den überzeugten Alternativen aus den 1980er Jahren ist diese Partei mit ihrem Spitzenpersonal, das wie aus einem Werbekatalog weichgespült daherlächelt, meilenweit entfernt. Nachhaltigkeit mag verdammt wichtig sein, aber mit neoliberalen Methoden wird das meines Erachtens schwierig.

Aber nun ist AfD-Zeit, weil massig Landtagswahlen in Ostdeutschland anstehen. Alle Demokraten fühlen sich sehr verpflichtet, ihre Farbe zu wählen – gegen die Alternative. Grün, Schwarz oder Rot scheint vollkommen egal. Hauptsache gegen die Rassisten und Nationalisten. Verständlich, aber nicht zwangsläufig richtig.

Im Konkurrieren der Klimaretter mit den Deutschlandrettern lässt sich auch ein Wettstreit der Themen ausmachen: Zukunft ohne Heimat oder Heimat ohne Zukunft. Grün wie Leipzigs Auwald wäre schon schön. Vorausgesetzt der Förster betreibt nicht wieder Kahlschlag. In der Natur könnten sich die Themen Heimat und Zukunft sogar treffen. Nur so wie ich mich frage, warum der Förster im Naturschutzgebiet überhaupt abholzen darf, belastet mich der Umstand, dass Heimatliebe quasi immer in Fremdenfeindlichkeit abdriftet und versinkt. Auch stellt sich die Frage: Inwiefern ist Rassismus von der Meinungsfreiheit gedeckt?

Die Standard-Antwort kann nur sein, dass die Dinge eben einfach komplizierter sind, als wir es gerne hätten. Ich glaube, viele AfD-Wähler*innen ersehnen sich tatsächlich eine Alternative und sind keine Nazis. Das kann ich gut nachfühlen, obschon jede AfD-Stimme schmerzt. Wie ließe sich Kritik am Polit-Mainstream ohne Bezugnahme auf Flüchtlinge und ohne Rassismus üben?

Wir müssen tatsächlich genauer hinsehen. Es sollte eine Alternative geben. Und auch eine Alternative zur Alternative in Gestalt der AfD. Das heißt nicht, dass sie die Farbe schwarz, grün oder rot haben muss. Sonst sind wir gleich bei der Propagandamaschinerie von der „freiheitlich demokratischen Grundordnung“. Dann könnte ich auch die Mauer im alten DDR-Sprech „antifaschistischen Schutzwall“ nennen. Dieser Gedanke kommt mir angesichts der neuen Polizeigesetze, die durchaus einen Hang zur DDR-Qualität besitzen. Aber sich hinter Antifaschismus oder Anti-AfD pauschal zu verschanzen, ist nicht per se gut. Es reicht jedenfalls nicht.

44. KlassischesKartoffelKonzert zu Gunsten des Leipziger Auwaldes: Sonntag, 23. November 2019 um 20 Uhr im Clubkeller des Restaurants „Telegraph“, Dittrichring 18-20. „The Six Pickles, ein Tanzabend mit Livemusik der 60er“

www.nukla.de/klassische-kartoffel-konzerte

 

Frank Willberg

 

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