Ewige Wiederkehr des Gleichen?

Kolumne KlassischeKartoffelKonzerte
Ewige Wiederkehr des Gleichen?
Manchmal scheint es, als sei alles gesagt. Als sei auch alles geschrieben und als seien alle Ausrufezeichen gesetzt. Mal wählt halb Europa seine konservativen Landesregierungen ab. Dann wählt halb Europa seine liberalen Regierungen ab. Mal strahlt die Idee der Europäischen Union. Mal denkt jedes Land nur an sich. Es scheint wie der Wechsel der Jahreszeiten: Frühling, Sommer, Herbst und Winter und alles wieder von vorn. Ein Gefühl von Leere und Sinnlosigkeit könnte sich breitmachen. Diverse Philosophen haben das grimmig ausbuchstabiert. Schopenhauers Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ schließt bezeichnenderweise mit dem Wort „Nichts“. In Camus‘ „Mythos vom Sisyphos“ reklamiert der existenzialistische Denker jedoch, dass wir uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen müssen, obschon dieser wie in unendlicher Zeitschleife diesen blöden Fels den noch blöderen Berg hinaufrollen muss, ihm, wenn er vom Gipfel hinunterrollt, hinterherläuft, um ihn aufs Neue hinaufzurollen.

Diese Philosophie des Absurden wird nur verständlich in dem Bild, dass Sisyphos den Fels als sein Schicksal annimmt und sich daran bereitwillig Zeit Lebens abarbeitet. Eine unbehagliche Wahrheit. Aber nur so ist die ewige Wiederkehr des Gleichen nicht das ewige Nichts – Nihilismus – und sinnlos. Der SRF (Schweizer Radio und Fernsehen) titelte in Bezug auf Camus ironisch konsequent „Zum Glück hat das Leben keinen Sinn!“

Ursprünglich prägte der russische Dichter Iwan Sergejewitsch Turgenew den Begriff Nihilismus als politisch abwertend. Wenn jemand so radikal dagegen ist, dass nicht einmal die obersten, sinngebenden Werte der Gemeinschaft geteilt werden. Daraufhin bezeichneten sich einige russische Anarchisten selbst als Nihilisten. Und Friedrich Nietzsche stellt in „Jenseits von Gut und Böse“ einen russischen Nihilin vor, der „der nicht bloß Nein sagt, Nein will, sondern Nein tut.“

Wenn wir einen Tropfen Öl betrachten, wie er langsam eine Spirale hinunterläuft, sieht es auch so aus, als beschreibe er eine Kreisbewegung. Vorausgesetzt wir betrachten das Schauspiel direkt von oben. Wechseln wir also die Perspektive, eröffnet sich in der neuen Dimension eine andere Sichtweise. Nach dem gleichen Prinzip lassen sich Anarchisten auch als weder politisch rechts noch politisch links verstehen – sie passen gar nicht in dieses Bild. Im Parlament sollten sie weder links noch rechts sitzen, in der Mitte sicher auch nicht, aber vielleicht in einer anderen Etage. Von der Empore gibt es sowieso den besten (Über-)Blick.

Also eine andere Sichtweise und Perspektive. Der Wechsel der Jahreszeiten heißt in der zeitlichen Dimension Klima. Und das wandelt sich gerade. Zwar gab es in der Erdgeschichte schon einige Eiszeiten und Warmzeiten. Aber noch nie stieg die Temperatur so stark, so schnell und so global. Auch eine unbequeme Wahrheit, weil wir Menschen unsere eigene Existenz aufs Spiel setzen.

In 30 Jahren hat London das Klima, was heute Barcelona hat. Denn trotz der immer gleichen Jahreszeiten findet dieser blöde Klimawandel statt. Barcelona wiederum übernimmt das Klima von Kapstadt, aus dem Stockholmer Klima wird das aus dem heutigen Budapest. Und die Züricher fühlen im Jahr 2050, was heute den Menschen in Mailand vorbehalten ist. Das haben Forscher der Züricher ETH ermittelt. So werden die scheinbar läppischen zwei Grad Celsius Temperaturdifferenz vorstellbar, fast erlebbar.

Das unvorstellbare Problem steht den Städten bevor, die heute bereits in den Tropen liegen: Manaus in Brasilien oder Kuala Lumpur in Malaysia zum Beispiel. Oder Jakarta – die indonesische 20-Millionen-Hauptstadt, die nebenbei zum großen Teil im Indischen Ozean zu versinken droht.

Barcelona musste 2008 wegen Dürre Wasser für 22 Millionen Euro importieren. Ja, uns stehen große Umwälzungen und auch Konflikte bevor! Zumal neue Prognosen angesichts der allgemeinen politischen Trägheit bereits von 3,5-4,0 Grad Temperaturanstieg ausgehen. Keine Ahnung, wie viele Millionen Flüchtlinge es geben wird. Wasser und Wald werden demnächst mit ziemlicher Sicherheit unglaublich wertvoll. Womöglich Gegenstand von Konflikten und sogar Kriegen.

Vielleicht droht Menschen, die den Wald nicht achten, dereinst eine Gefängnisstrafe? Straftatbestand „Wider die Natur“, wenn Wald wie ein Forst bewirtschaftet wird? Zukunftsmusik oder eine weitere unbequeme Wahrheit?

45. KlassischesKartoffelKonzert: Sonnabend, 1. Dezember 2019 um 17 Uhr in der Paul-Gerhardt-Kirche, Selneckerstraße 5: amarcord „GAUDETE – freut euch!“

www.nukla.de/klassische-kartoffel-konzerte

Frank Willberg

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