Fakt ist… Waldsterben 2.0- Unsere Wälder vor dem Kollaps? (MDR)

Holzacker im Kanitzsch 2019

Holzacker im Kanitzsch 2019. Hierfür wurden Starkbäume gefällt, welche Brutbäume von Eremiten und Rosenkäfern waren. Foto: J. Hansmann

Wir nehmen Bezug auf die Sendung FAKT IST vom 7.10.2019 aus Magdeburg. Mit der Zusammensetzung der Beteiligten wurde bereits eine quantitative Gewichtung gesetzt, die deutlich macht, wessen Interessen vertreten werden (sollen): die der Waldbesitzer- und Forstlobby. Bereits in der ersten Einstellung der einführenden Filmsequenz mit dem Sprechertext :”So wünschen wir uns den Wald” zeigt die Sendung, dass auf eine gründliche Recherche dazu, was ein wünschenswerter, nämlich naturnaher Wald ist, komplett verzichtet wurde. Einen solchen Plantagenwald mit Fichtenmonokultur wünschen sich maximal die Förster. Menschen, die im Vergleich dazu Bilder eines naturnahen Waldes (z.B. aus dem Lübecker Forst) sehen könnten, würden sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sofort diese Art von Wald wünschen. “Schuld” daran, dass die im Film genannten 180.000 ha Flächen Waldes den derzeit stattfindenden Klimaveränderungen nicht standhalten können, sind nicht diese Veränderungen, sondern die Art und Weise, wie die Förster (die Politik) mit dem Wald seit sie existieren umgehen und in die Wälder immer mächtiger und industrialisierter eingreifen: seit Millionen von Jahren gibt es auf der Erde Wald und gab es immer wieder auch dramatische Klimaveränderung, ohne dass der Wald darunter derart gelitten hätte.

Das tut er erst jetzt, mit den Baumbeständen und in einer Struktur, die das Ergebnis von 300 Jahren Förstern im Wald sind. Monokulturen mit Bäumen, die durch künstliches Pflanzen zerstörte Wurzeln haben, ohne Alters- noch Artendurchmischung haben den Förstern die Arbeit erleichtet – sind jedoch von dem, was einen gesunden Wald auszeichnet, meilenweit entfernt.

Dass 1,1 Millionen Menschen im Wald tätig seien, suggeriert die Notwendigkeit menschlichen Eingreifens und ist eine Angabe, die komplett ignoriert, dass der Wald tatsächlich per se nichts braucht als Ruhe (was mehr ist als die Abwesenheit “ideologischer Grabenkämpfe” – wenn man denn das Bedürfnis hat, einen notwendigen fachlichen Diskurs zum Thema als solche zu bezeichnen), und bildet eher ab, wie massiv beeinträchtigt er durch diese 1,1 Mill. Menschen wird.

Leider tut die Sendung so, als gäbe es dieses wissenschaftlich untersuchte und hinlänglich belegte aktuelle Wissen darüber, wie die Bedingungen sein müssen, damit ein Wald resilient aufwachsen und sich an Veränderungen anpassen kann, nicht. Die (sicher bewusste) Gewichtung von Wirtschaft/Politik vs. Waldökologie/Naturschutz (der quasi in nicht vertreten war) in der Zusammensetzung der Gesprächsrunde stellt außer inhaltlicher Redundanz keiner anderen Argumentation und Impulsen zu notwendigen und sinnvollen Veränderungen einen Raum zur Verfügung.

Sehr geehrter MDR! Viele Ihrer Medien-KollegInnen sind bereits deutlich weiter, siehe links unten,  und es ist aus unserer Sicht ein verpasste Chance, an dieser Stelle hinterwäldlerischen, veralteten Ansichten eine derart undifferenzierte Plattform zu bieten, anstatt, ein Beispiel gebend, die Phase reiner Profitorientierung ohne Berücksichtigung ökosystemischer Zusammenhänge (von denen wir bezogen auf gesunder Wälder nach wie vor und trotz aller aktuell sehr weitgehenden neuen Erkenntnisse noch sehr wenig wissen) zu überspringen und zu zeigen, dass nur ein gesunder (naturnaher) Wald auch aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll ist – abgesehen von den Ökosystemleistungen bezogen auf Luftreinigung, Wasserspeicherung, Trinkwasserbevorratung, auf die wir zukünftig noch viel mehr angewiesen sein werden.

Eine alte Bauernregel sagt: Man soll die Kuh nicht schlagen, die man melken will. Wir brauchen die Wälder viel mehr zum Überleben, als uns derzeit bewusst ist. Und man kann dabei auch Forstwirtschaft betreiben – nur nicht so wie mehrheitlich in den letzten 300 Jahren.

NDR Hörbveitrag: https://www.nukla.de/2019/10/der-wald-leidet-der-wald-ist-krank-was-ist-naturnaher-waldbau/

Pfrof. Ibisch und Peter Wohlleben zum Waldgipfel: https://www.nukla.de/2019/09/der-waldgipfel-in-berlin-waldkrise-durch-klimakrise-videos-peter-wohlleben/

Fakt IST, die Sendung: https://www.mdr.de/video/mdr-videos/c/video-343840.html

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