Einige Worte der Erklärung zur Pressemitteilung der LINKEN zur Forstwirtschaft

Eine Offene E-Mail an Die LINKEN bezogen auf die Presserklärung der Stadtratsfraktion der gleichnamigen Partei:

Sehr geehrter Herr Neuhaus, vielen Dank für Ihre Antwort und die angehängte Pressemitteilung Ihrer Fraktion!

Inzwischen gibt es ja von NUKLA (u.a. https://www.change.org/p/w%C3%A4lder-sind-keine-holzfabriken-es-reicht-wir-fordern-ein-neues-bundeswaldgesetz-juliakloeckner-svenjaschulze68/u/25411657?cs_tk=AinYDDu3oZ7LAL7g4l0AAXicyyvNyQEABF8BvAUDuELUcVz9tOARQCyFD0k%3D&utm_campaign=25927163d23342a0b87c0b3156e798dc&utm_medium=email&utm_source=petition_update&utm_term=cs ) und in der Leipziger Internetzeitung (https://www.l-iz.de/politik/leipzig/2019/11/Forstwirtschaftsplan-geht-jetzt-in-den-Stadtrat-303284) einige Updates, die auch auf die Vertagung der Entscheidung auf den 11.12.2019 und diverse vorgebrachte Argumente eingehen. Auch der Träger des Alternativen Nobelpreises Prof. Michael Succow, Mitbegründer des Nationalparkprogrammes der DDR kurz vor der Wiedervereinigung und einer meiner Lehrer als Vegetationsökologe, hat sich zu der Situation geäußert (https://www.nukla.de/2019/11/michael-succow/#more-7320). Daher möchte ich nur kurz auf die unten von Ihnen vorgebrachten Argumente eingehen, die ich zur besseren Zuordnung mir erlaubt habe zu nummerieren.

Vorher noch kurz zu meinem Hintergrund: ich bin Diplombiologe, studiert an der MLU Halle mit Schwerpunkt Pflanzenökologie/Geobotanik sowie Tierökologie, Geographie und Geologie. Ich habe meine Diplomarbeit vor 25 Jahren in einem Eichen-Hainbuchenwaldgebiet im Spannungsfeld von Forstwirtschaft und Naturschutz angefertigt und hatte als Mitarbeiter des damaligen STUFA Leipzig in den 1990ern auch mit dem Leipziger Auenwald dienstlich zu tun. Daher denke ich, doch fachkundig mich zu der Thematik äußern zu können.

Zu 1: Ihre Verweise auf das „sechste Massenaussterben“, den Rio-Gipfel 1992, die CBD und die FFH-Richtlinien erwecken den Eindruck, dass es Ihnen tatsächlich um den Erhalt von Ökosystemen und Arten geht. Das sollte eine sinnvolle Basis für Diskussion und Entscheidungsfindung bieten. Vor diesem Hintergrund ist jeder Eingriff in einem FFH-Gebiet hinsichtlich möglicher Effekte auf Arten und Ökosystemen zu bewerten. Im Falle der Hartholzauenwälder handelt es sich – im Gegensatz zu den von Ihnen genannten „Streuobstwiesen, Feuchtwiesen, etc.“ – um Ökosysteme, die sich zwar unter menschlichem Einfluss, aber doch in erster Linie durch natürliche Prozesse entwickelt haben. Diese sind vor allem die Sukzessionsprozesse auf Ablagerungen der Flussaue und die Überflutungsdynamik. Ihren wertvollen Zustand verdanken diese Wälder daher nicht in erster Linie früheren Eingriffen und Nutzungen (sondern den natürlichen Bedingungen), und selbst so dies der Fall ist, so sind die geplanten forstlichen Eingriffe kein geeigneter Ersatz solcher früherer Bewirtschaftungsformen, wie Waldweide und Mittelwaldwirtschaft. Als naturnahe Waldgesellschaften sind die Veränderungen ohne forstliche Eingriffe nicht per se negativ, im Gegenteil, es entwickeln sich ein hoher Alt- und Totholzanteil, vielfältige Strukturen und sukzessive bzw. zyklische Veränderungen der Artenzusammensetzung die zusammen den ökosystemaren und Biodiversitätswert, aber auch ästhetische und Erholungseigenschaften des Auenwaldes bestimmen. Die geplanten forstlichen Eingriffe (wie auch bereits durchgeführte Eingriffe) beeinträchtigen diese Werte und Eigenschaften massiv und stehen im Widerspruch zu den Verboten und Geboten der FFH-Richtlinie und der Naturschutzgesetzgebung. Kurz gefasst – die vorgesehenen forstlichen Eingriffe jeglicher Art, aber insbesondere Durchforstungen in Altbeständen, einschließlich der Entnahme von Alteichen, Alt- und Totholz verschiedener Arten, die geplanten Einschlagsmengen  und die unvermeidlichen Sekundärschäden an Boden und Vegetation durch Forstmaschinen stehen im massiven Widerspruch zu den von Ihnen genannten Notwendigkeiten der Biodiversitätserhaltung, internationalen Vereinbarungen und nationalen Gesetzen und Regularien.

Zu 2: Die Frage, „warum die Stadt überhaupt solch teure Eingriffe vornehmen sollte, wenn sie denn wirklich so sinnlos sein sollten“, stellt sich tatsächlich. Die Antwort sollten Sie besser kennen als ich. Generell lässt sich feststellen, dass beim Ausgeben öffentlicher Gelder – die Entscheidungsträger bezahlen ja nicht aus ihrer Privattasche, sondern mit Steuermitteln – die Sinnhaftigkeit für die Allgemeinheit nicht immer gegeben ist. Und Geld verschwindet ja bekanntlich nicht, wenn es für Maßnahmen ausgegeben wird, sprich davon profitieren diejenigen, deren Leistungen und Güter bezahlt werden, auch wenn der öffentliche Nutzen fehlt, oder sogar Schaden verursacht wird. Diese Situation ist hier klar gegeben. Und nicht zuletzt ist es für viele Forstwirte noch immer eine Frage des Selbstverständnisses, natürliche Walddynamik nicht zuzulassen, sondern oft sinnlose und schädliche Eingriffe vorzunehmen und sich diese von der Gesellschaft bezahlen zu lassen. Da wird fachlicher Widerspruch schnell als Angriff auf die „Försterehre“ wahrgenommen und mit allen Mitteln abgewehrt. Gut wird das in einem der Kommentare unter o.a. Artikel in der Internetzeitung erklärt.

Zu 3: Die für den Erhalt des Hartholzauenwaldes nicht zuträglichen Bedingungen der Flußmorphodynamik und der fehlenden Überflutungen werden durch die geplanten massiven forstlichen Eingriffe und damit einhergehenden Störungen nicht ausgeglichen, sondern im Gegenteil, die Problemlage wird dadurch massiv verschärft. Sprich, was an Auenwaldelementen noch erhalten ist, wird zusätzlich geschädigt. Seit Jahren schaffen es die zuständigen Behörden nicht, minimale Verbesserungen des Wasserhaushaltes zu erreichen, im Gegenteil – z.B. wurde der Deich an der Neuen Luppe 2013 so saniert, dass der Einlass zum Burgauenbach nicht mehr regelbar, sondern komplett abgeschnitten ist (siehe Naturschutz heute Herbst 2019).  Statt schädlicher forstlicher und wasserbaulicher Maßnahmen wären hier rasche Verbesserungen erforderlich, die zum Teil sogar kostenlos (Unterlassung schädlicher Maßnahmen) oder mit geringen Kosten möglich wären. Natürliche Eichenverjüngung sollte nicht unbedingt ein Ziel per se sein und ihre Förderung kann gezielt und lokal erfolgen, z.B. durch Lenkung der Sukzession in Waldlücken oder in standortfremden forstlich begründeten Beständen. Eingriffe in  Altbestände mit dem Ziel der Erhöhung des Eichenanteiles an der Stammzahl widersprechen der Erhaltung eines naturnahen Hartholzauenwaldes. Dies umso mehr, als bei bisherigen Eingriffen auch Alteichen eingeschlagen wurden, dies angesichts der geplanten Einschlagmengen wieder zu erwarten ist und daher die forstlichen Eingriffe den Eichenanteil im Holzvorrat durch Reduktion der wertvollen Alt- und Totholzbäume reduziert statt gesteigert haben. Darüber hinaus kann eine Abnahme des Eichenanteiles im Rahmen einer natürlichen Sukzession des Hartholzauenwaldes durchaus ein akzeptabler Prozess sein, der dem Anliegen des Arten- und Ökosystemschutzes nicht widerspricht, während die geplanten Eingriffe in Umfang und Art mit Sicherheit diesen Zielen widersprechen.              Ohne hier zu sehr auf Parteipolitik eingehen zu wollen, möchte ich betonen, dass ich von Ihnen als Vertreter der Linken (siehe Ihre PM) erwarte, dass sie von der naturschutzfachlichen Öffentlichkeit vorgebrachte Bedenken berücksichtigen und diese nicht durch Formulierungen wie die folgende zu diskreditieren „Skandalisierung der Holzentnahme in den FFH-Gebieten führt die Leipziger Bürger*innen an der Nase herum und suggeriert die Durchführung der Maßnahmen wider dem Naturschutz“. Auch den Hinweis, dass die Nicht-Umsetzung des Forstwirtschaftsplans eine „freiwillige Entscheidung der Stadt“ ist, finde ich angesichts der Massivität der Bürgerproteste gerade in einer Erklärung Ihrer Fraktion gemessen am politisch vorgetragenen Anspruch deplatziert. Die geplanten Maßnahmen widersprechen dem Naturschutz und sind eine Verschwendung von öffentlichen Mitteln zum Schaden der Allgemeinheit und gegen den Willen einer parteiunabhängigen Bürgerbewegung.

Gern stehe ich für weitere fachliche Hinweise zur Verfügung, biete an, auf Details des Forstwirtschaftsplanes einzugehen, so mir dieser zugesendet wird, und bin auch bereit an einer Begehung der betroffenen Flächen teilzunehmen.

Mit freundlichen Grüßen,

Stefan Michel, Dipl.-Biol., Freiberuflicher Gutachter für Naturschutz

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