Kolumne zum 46. Konzert. Die naive Sehnsucht nach Führung

KlassischeKartoffelKonzerte

Die naive Sehnsucht nach Führung

Es ist ziemlich faszinierend, dass unsere Gesellschaft an einem Punkt angekommen ist, an dem es einfacher erscheint, in Skandinavien Bäume zu fällen, nach Asien zu verschiffen, unter hohem Wasserverbrauch und Energieaufwand Becher daraus zu formen, diese mit Plastik zu beschichten, welches zuerst gefördert, raffiniert und mit Chemikalien versetzt aufbearbeitet werden musste, alles zurück nach Europa schiffen, mit dem Lkw quer durchs Land zu transportieren, den Pappbecher fünf Minuten benutzen und in den Müll werfen, anstatt die Keramiktasse zurück zur Abgabe zu bringen, wo sie einfach gespült wird.“

Dieses etwas traurig stimmende Zitat aus „Das Magazin“ verbreitete sich bereits vor zwei Jahren auf Facebook. Viel trauriger fand ich die damit verbundene Forderung, die Regierung müsse solchen Müll verbieten. Die vielen Kaffee-to-go-Konsumenten waren entschuldigt, weil die bösen Hersteller von Wegschmeißbechern künstliche Bedürfnisse geschaffen hätten.

Ganz ähnlich argumentierte Gerhard Gundermann zu seinen Lebzeiten in Talkshows. Der Liedermacher und Baggerfahrer forderte Wertabschätzungen. Und wenn Bäume gefällt und zu „Superillu“ verarbeitet würden, müsste die Politik die „Superillu“ verbieten, um die Bäume zu retten.

Und auch im Plastikatlas von der Heinrich-Böll-Stiftung und dem BUND werden repräsentative Umfragen ausgebreitet, in denen große Mehrheiten Verbote von Plastikmüll fordern.

Nur was spricht eigentlich dagegen, als Endverbraucher das Richtige zu tun und Schundartikel mit großen Müllaufkommen nicht zu kaufen? Auch Produkte mit enorm vielen Transportkilometern muss niemand zwanghaft kaufen.

Knifflig wird es beim Recycling. Also auf unsere Müllsortierakribie bilden wir uns ja wirklich viel ein. Wir nennen es „Entsorgen“, dabei fangen die Sorgen beim Wegschmeißen erst an. All die Unmengen von Kunststoffen sind zumeist nicht sortenrein. Aber alles, was beim Recyclingunternehmen ankommt, gilt fälschlicherweise als recycelt. Dabei wird das Meiste verbrannt – in Müllverbrennungsanlagen, Zementöfen sowie Kraftwerken. Auch der Müllexport, beispielsweise nach Malaysia, wird der Recyclingquote gutgeschrieben. Selbst die PET-Flaschen werden nur zu einem geringen Prozentsatz erneut PET-Flaschen. Vielmehr reicht es, 16 von ihnen einzuschmelzen, um daraus einen Fleecepullover zu fertigen, der dann in der Waschmaschine Mikroplastik ins Abwasser und die Weltmeere spült.

Was haben wir zu verlieren, wenn wir Plastik meiden, Müll reduzieren und Energie sparen? Wenn Shopping sich auf langlebige und tatsächlich wirklich benötigte Produkte konzentriert? Wenn Naturschutz eine Selbstverständlichkeit ist? Nichts außer einem lebenswerten Planeten für unsere Kinder.

Und das fängt natürlich im eigenen Einkaufswagen an. Oder beim Besuch eines KlassischenKartoffelKonzerts, mit dessen Erlös der Leipziger Auwald vor der Forstwirtschaft bewahrt wird.

46. KlassischesKartoffelKonzert: Sonntag, 22. März 2020 um 17 Uhr in der Alten Börse, Naschmarkt. „Moon of Alabama“ – ein Brecht-/Weill-/Eisler-Abend mit Cora Chilcott (Gesang) und Volker Jaekel (Klavier)

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Frank Willberg

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