Dichtes Blätterdach schützt vor steigenden Temperaturen

Liebe Waldfreunde,

eine wunderbare Meldung aus “Science”, danke !
Seit Jahren verordnet die klassische Forstwissenschaft und -wirtschaft (Spellmann, Bauhus, Kohnle sowie die Landesforsten) “faktenbasiert” die frühen und starken Eingriffe in die Forsten als Rettungsmaßnahme im Klimawandel. Dadurch sollen u.a. die Wasserverfügbarkeit der freigestellten Bäume erhöht (Wasserkonkurrenz) und die Windanfälligkeit verringert (Hebelwirkung) werden. Die Folge: Aufgelichtete Bestände mit geringem Vorrat (Biomasse), heiß am Boden, schutzlos gegen Sturm.

Wir Praktiker wissen, dass mit diesem allgemein praktizierten Irrsinn der Verfall der Forsten beschleunigt wird, hatten aber keine umfassenden wissenschaftlichen Studien mit realistischem Ergebnis. Nun scheint so etwas vorzuliegen. Danke für die Verbreitung.

Wir werden uns den Originaltext besorgen müssen. Die deutschen Forstanstalten werden vermutlich erst einmal nichts davon verbreiten und hoffen, dassdie Praxis nichts Wissenschaftliches und schon gar nicht in englisch liest.


Dichtes Blätterdach schützt vor steigenden Temperaturen

Internationales Ökologenteam mit Beteiligung der Universität Jena erforscht die Klimaerwärmung des Waldes.

Wie jeder weiß, der schon einmal im Schatten von Bäumen spazieren gegangen ist, herrscht hier ein anderes Klima.

Das Forschungsteam hat nun erstmals die Klimaerwärmung unter dem Kronendach – und damit den Unterschied zum Freiland – mit handfesten Zahlen bestimmt.

Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im renommierten Forschungsmagazin „Science“.

Hier geht es zum Originalartikel: Zellweger et al 2020Forest microclimate dynamics drive plant responses

Ein Großteil aller landlebenden Tier- und Pflanzenarten weltweit lebt in Wäldern und dort oft im Unterwuchs oder im Boden.

Standardisierte Wetterstationen, die wertvolle Informationen zur Klimaerwärmung sammeln, stehen allerdings in der Regel auf freiem Feld und messen Temperaturen in etwa zwei Meter Höhe.

Die von ihnen gelieferten Daten sind somit für den Wald – eines der wichtigsten Ökosysteme der Erde – nur bedingt aussagekräftig.

Denn wie jeder weiß, der schon einmal im Schatten von Bäumen spazieren gegangen ist, herrscht hier ein anderes Klima.

Ein internationales Forschungsteam hat nun erstmals die Klimaerwärmung unter dem Kronendach – und damit den Unterschied zum Freiland – mit handfesten Zahlen bestimmt. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, unter ihnen Experten der Friedrich-Schiller-Universität Jena, im renommierten Forschungsmagazin „Science“.

Datenschatz aus 100 Wäldern weltweit

Die Forscherinnen und Forscher unter der Leitung der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft in der Schweiz und der Universität Cambridge berichten, dass die im freien Feld gemessene Klimaerwärmung die Temperaturentwicklung unter dem Blätterdach nur unzureichend wiedergibt.

Denn wird das Kronendach dichter, verringert es für die darunter lebenden Organismen die Klimaerwärmung. Lichtet es sich, wird es sprunghaft wärmer. „Das ist wichtig zu wissen, um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Biodiversität zu verstehen. Außerdem können wir somit auch die Konsequenzen für die Verjüngung der Bäume nachvollziehen, denn die Temperaturunterschiede beeinflussen ebenso die nachwachsenden Bäume, die den Fortbestand des Waldes in seiner jetzigen Form sichern

Berücksichtigt wurden auch Wälder aus Deutschland, insbesondere aus Thüringen.

Die Waldökologen maßen die Temperaturen im Waldesinneren und kombinierten diese in einem Computermodell mit bis zu 80 Jahre zurückreichenden Informationen über die Baumkronendichte des Waldes.

Rückstand bei der Klimaanpassung

Auf die im Wald lebenden Arten kann der Temperaturunterschied zwischen Freiland und dem kühlenden Blätterdach der Bäume allerdings gravierende Auswirkungen haben:

Sämtliche Organismen haben ein Temperaturoptimum, in dem sie am besten gedeihen. Wenn sich das Klima erwärmt, profitieren wärmeliebende Arten und verdrängen die an kühlere Bedingungen angepassten.

Das Temperaturoptimum von Waldorganismen liegt jedoch deutlich unter den tatsächlich gemessenen Temperaturen. Das bedeutet: Sie passen sich nicht so schnell an die generell veränderten klimatischen Bedingungen an. Stattdessen leben viele Arten – in Bezug auf den globalen Klimawandel – in einem zunehmend suboptimalen Temperaturbereich.

Das bedeutet, dass ein Verlust der schützenden Baumkronenetwa durch die Forstbewirtschaftung – eine zusätzliche, drastische Erwärmung für die darunter wachsenden Pflanzen nach sich ziehen würde, auf die sie schlecht vorbereitet sind.

Plötzlich läge ihr bisher kühler, schattiger und meist auch luftfeuchterer Standort viel öfter und länger in der brütenden Hitze.

Gleichzeitig trocknet der Boden aus.
Viele Arten könnten sich nicht schnell genug anpassen, würden von wärmeliebenden Arten verdrängt und möglicherweise lokal aussterben.

Angesichts der zu erwartenden Zunahme von sommerlichen Hitzewellen und Dürreperioden in Europa dürfte dies die Waldbiodiversität verändern, aber auch zu Schwierigkeiten bei der Verjüngung vieler Baumarten führen.

Eine zu starke Auflichtung des Kronendaches sollte – wo immer es möglich ist – vermieden werden.

Vielmehr sollten Waldbewirtschafter die Auswirkungen von Forsteingriffen auf die Klimabedingungen im Waldesinnern und deren Einfluss auf das gesamte Ökosystem berücksichtigen.

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