Etikettenschwindel “Totholzkonzept”

Peter Wohlleben zum Totholzkonzept

Nachdem beim Oberverwaltungsgericht Bautzen erwirkten Stopp von Schirmhieben (Mittelwaldumwandlung), Altdurchforstungen und Kleinkahlschlägen (fälschlicherweise als Femellöcher bezeichnet), im Rahmen derer ca. 6.500 Kubikmeter Holz alleine aus dem FFH-Gebiet “Leipziger Auwald” geschlagen werden sollten (Laut Forstwirtschaftsplan 2018 / 2019), hat die zuständige Abteilung Stadtforsten im Amt für Stadtgrün und Gewässer vor einigen Wochen nach unseren Informationen den Entwurf eines “Totholzkonzeptes” vorgelegt.

Dies klingt zwar zunächst löblich, denn Totholz ist ja grundsätzlich eine gute Sache im naturnahen Wald, aber das “Totholzkonzept” entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Wolf im Schafspelz. Es ist ein “schönes” Beispiel für försterliche Gestaltungsmanie und – wie Professor Dr. Pierre Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde so schön sagt – das Festhalten an reduktionistisch-atomistischen (und utilitaristischen) Denkweisen. Totholz muss geplant und gebaut werden – so das Konzept. Das Prinzip des Zufalls, für Entwicklung von Natur essenziell, soll so weit wie möglich ausgeschaltet werden. In einem Wald entsteht Totholz aber stets zwangsläufig von allein: Bäume wachsen, altern, sterben. Manche stürzen von allein um, manche bleiben noch lange stehen – welcher Baum wann stirbt und wie zerfällt, ist ein natürlicher dynamischer Prozess. Aber laut Konzept sollen Bäume bspw. gezielt durch Ringeln zum Absterben gebracht werden – und das, wo momentan wegen der Dürre und diverser Pilze sowieso schon zahlreiche Bäume absterben. Macht es in dieser Situation überhaupt Sinn, jetzt aktiv weitere Bäume abzutöten? Sollte man nicht froh sein, dass es noch viele vitale Bäume gibt sowie die Geduld haben, die natürliche Entwicklung von noch weiterem Totholz abzuwarten und dieses aber v.a. auch zuzulassen? Wir möchen darauf hinweisen, dass im Leipziger Auwald zahlreiche sogenannte “Selbstwerber”sich ganz offiziell in den Wintermonaten regelmäßig Holz (meistens für den Kamin) gegen Geld holen. Und diese Selbstwerber sind nicht wenige! An manchen Wintertagen hört man in vielen Waldgebieten zahlreiche Motorsägen. Das Holz, was dort für den Kamin aus dem Wald geholt wird, sind Bäume, die wegen Verkehrssicherheitsmaßnahmen u.Ä. gefällt worden sind, und welche hin und wieder auch bereits von Pilzen, Moosen, Tieren usw. besiedelt sind. Wenn man mehr Totholz möchte, sollte man dann nicht eher die Entnahme von totem Holz aus dem Auwald mindestens verringern wenn nicht ganz unterlassen – anstatt Bäume aktiv abzutöten?

Und schlimmer: Die altbekannten Methoden der Intensivforstwirtschaft, die gerichtlich gestoppt wurden, werden nun als geeignete Methoden zur Erzeugung von Totholz propagiert. So soll eine “gestaffelte Einschränkung des Einschlags”, eine “kontinuierliche Verjüngung aller hartholzauentypischer Baumarten” erfolgen, es sollen “Femellöcher vorrangig, wenn ausreichend vorhanden, in Beständen mit natürlichen Auflichtungen” angelegt werden und auch Mittelwaldumwandlung und sogar Niederwaldbewirtschaftung (hierbei entsteht definitiv kein Totholz! Bei Niederwald wird Totholz ja geradezu verhindert) sollen der Totholzerzeugung dienen (heißt übersetzt: weiterhin Schirmhiebe, Altdurchforstungen und Kleinkahlschläge, nur unter dem Deckmantel “Totholzkonzept”).

Stadtforsten will dieses Konzept unbedingt über den nächsten Forstwirtschaftsplan (dessen aktueller Entwurf zunächst aufgrund des OVG-Urteils keine zerstörerischen Maßnahmen wie bisher beinhaltet) durch den Stadtrat mitbeschließen lassen, offensichtlich um somit “durch die Hintertür” wieder Terrain zu gewinnen für die alten Methoden der Intensivforstwirtschaft – verkauft unter den falschen Etiketten “Artenschutz” und “Naturschutz”. Von einem Umdenken ist leider nichts zu erkennen, das Totholzkonzept deutet leider auf die Devise “Weiter so” hin. Es ist zu hoffen, dass sich die Stadträte hier nicht hinters Licht führen lassen.

NuKLA bedankt sich sehr herzlich bei Peter Wohlleben, der sich dieser Thematik durch einen Wortbeitrag ebenfalls angenommen hat:

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