Ein Nachtrag zu unserem Offenen Brief zur Abstimmung über den Forstwirtschaftsplan 2021 bei der nächsten Stadtratssitzung

Femelloch Nonne

Ausgetrockneter Kahlschlag in der “Nonne” im Sommer 2020. Foto: J. Hansmann

Sehr geehrte LeserInnen dieser Seiten,

hiermit geben wir auch Ihnen folgenden Nachtrag zu unserem Offenen Brief zur Kenntnis, welchen wir am 16.03.2021 an die Stadträtinnen und Stadträte der Stadt Leipzig gesendet haben, da diese voraussichtlich am kommendem Mittwoch, dem 24.03.2021, über den Forstwirtschaftsplan 2021 und seine Anhänge (“Handlungsrichtlinie Totholz und Biotopbaum”, Maßnahmenliste zur Herstellung der Schutzgebietsverträglichkeit) entscheiden werden.


Sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,

in unserem Beitrag vom 16.03.21 hatten wir angekündigt, dass wir Sie mit einem weiterführendem Beitrag zu den bereits bestehenden Dürreschäden im Kontext mit forstlichen Eingriffen im Leipziger Auwald informieren werden. Diese Ankündigung erfüllen wir mit diesem Beitrag.

In unsere Auswertung der Analyse von Satellitendaten durch das Kompetenzzentrum für Wald und Forstwirtschaft von Sachsenforst sind Informationen unserer eigenen Dokumentationen der Forstarbeiten und ihrer Auswirkungen im FFH-Gebiet „Leipziger Auensystem“ eingeflossen, welche wir in den vergangenen Jahren erarbeitet haben. Die Auswertung werden wir in Zukunft ausweiten und verfeinern – die vorläufigen Ergebnisse sind bereits schon aussagekräftig genug.

Wir haben uns bei dieser Auswertung zunächst auf die Kernbereiche des Leipziger Auwaldes fokussiert: Ratsholz, Nonne, Rosental, Leutzscher Holz und Burgaue.

Satellitenaufnahme des Waldgebietes “Nonne” von 2018: ein Eingriff mit Folgen. Die flächige Befahrung ist gut erkennbar. Quelle: Google Earth/GeoBasis-DE/BKG

Als Datenbasis haben wir die Analyse von Satellitendaten durch das Kompetenzzentrum für Wald und Forstwirtschaft von Sachsenforst verwendet, welche am 24.02.2021 veröffentlicht wurde und seit dem auch Interessierten auf dem Geoportal Sachsen zur Verfügung steht. Flächenmessungen erfolgten mithilfe der Messwerkzeuge des Geoportals. Zum Auffinden von forstlichen Eingriffen seit 2000 wurden Satellitenbilder vom Geoportal Sachsen (Historisches Sachsen), von Google Earth (Timeshift-Funktion) sowie eigene Vor-Ort-Erfahrungen verwendet, werden hier aber nicht abgebildet (Bilder auf Anfrage). Anthropogen gestörter Boden wurde aus Vor-Ort-Begehungen als auch aus der Reliefdarstellung (Schummerungsbild) des Geoportals und historischen Karten der SLUB (Virtuelles Kartenforum 2.0) festgestellt.

Hier nun unsere Erkenntnisse in kurzer Zusammenfassung:

Satellitenaufnahme des Waldgebietes “Möckernscher Winkel” von 2018: weitere Eingriffe mit Folgen. Quelle: Google Earth/GeoBasis-DE/BKG

Die unterschiedlichen Auwaldbereiche sind unterschiedlich stark von der Dürre betroffen. Je größer ein Waldbereich ist und je weniger Auflichtung in Form von größeren forstlichen Eingriffen in diesem Waldbereich zu finden sind, desto besser ist dieser Waldbereich durch die Dürre gekommen. Somit hatte (noch) nicht jeder größere forstliche Eingriff zwangsläufig einen Dürreschaden zur Folge – ist der Waldbereich insgesamt groß genug und lagen weitere Eingriffe weit genug voneinander entfernt, konnte dieser Eingriff in das Waldklima bisher offenbar (noch) kompensiert werden. Derzeit ist es ungewiss, ob dies in Zukunft so bleiben wird.

Andere Bereiche im Auwald lassen erkennen, dass solche zusammenhängende Waldbereiche offensichtlich eine Schutzfunktion haben. Denn je kleiner und isolierter die Waldbereiche sind, umso vulnerabler sind sie, und um so eher kommen auch die negativen Auswirkungen größerer forstlicher Eingriffe zum tragen. Aber auch kleinere forstliche Eingriffe haben, so sie zu dicht und zu schnell nebeneinander angelegt wurden, Trockenschäden zur Folge.

Das Ratsholz als größter zusammenhängender Waldbereich und vergleichsweise wenigen flächigen Eingriffen weist bisher gemäß der Analyse die wenigsten Trockenschäden auf. Derzeit ist nicht abschätzbar, wie sich die Dürre dort in Zukunft auswirken wird!

Sehr stark betroffen ist die Nonne als kleinster, klimatisch recht isolierter und bereits sehr fragmentierter Waldbereich. Hier gab es bisher auch vergleichsweise die meisten Eingriffe. Bei den Trockenheitsschäden spielen vorgeschädigte Böden (Bodenverdichtung durch Fahrzeugeinsatz auf den Flächen und durch die Freistellung/Kleinkahlschlag austrocknende Böden) eine Rolle, ebenso aber auch die im urbanen Raum notwendige Wegesicherung.

Vor allem jedoch haben die übergroßen Eingriffe 2016/17 das Waldklima derart stark gestört, dass zumindest wir in großer Sorge über die Zukunft dieses Waldstandortes sind und von jeglichen forstlichen Maßnahmen dringend abraten! Das lassen die mit den Dürreschäden nahezu kongruenten Eingriffsflächen deutlich erkennen.

Im Rosental bilden die Trockenschäden bis auf einen fast exakt die Standorte von 5 Kahlhieben ab, welche über die Kahlhiebe hinaus im Hinteren Rosental eine waldklimatisch sehr kritische Situation schaffen. Auch hier ist nur zu hoffen, dass sich die Dürreschäden in den kommenden Jahren nicht noch ausweiten werden! Zwar sind die Kahlhiebe mit 0,2 ha nicht besonders groß, aber sie liegen zu nah beieinander und auch im Kontext größerer Straßen, was das Waldklima des Hinteren Rosentals stark beeinträchtigt. Hier ist, wie in der Nonne, der Zusammenhang zwischen den Trockenschäden und forstlichen Maßnahmen der Vorjahre nicht zu leugnen. Deshalb raten wir dazu, im Rosental auf lange Zeit keine forstlichen Maßnahmen mehr vorzunehmen, um den Waldstandort klimatisch möglichst halten zu können.

Vergleichsweise gut durch die Dürre scheint der Südteil des Leutzscher Holzes gekommen zu sein. Dieser Waldbereich ist einer der größeren und recht unzerschnitten. Auch fanden hier glücklicherweise nicht all zu viele flächige forstliche Maßnahmen statt, und diejenigen, die stattfanden, lagen offenbar günstig. Jedoch weist auch in diesem Gebiet bspw. der Kahlhieb an der Hans-Driesch- Straße einen enormen Trockenschaden auf, der bereits ins Umfeld hinein ausstrahlt!

Im Nordteil des Leutzscher Holzes sticht vor allem der Bereich des Möckernschen Winkels heraus. Die Anlage von fünf Kahlschlägen 2015/17 sehr nah beieinander in diesem kleinen, isolierten Waldbereich sowie die Anlage eines dichten Netzes von Rückegassen (auf Satellitenbildern erkennbar!), war offensichtlich zu viel! Drei große Trockenschäden in diesem kleinen Waldbereich lassen das Schlimmste befürchten. Auch in diesem Gebiet ist der Zusammenhang zwischen den forstlichen Maßnahmen 2015/17 und den Trockenschäden nicht zu leugnen!

Sehr starke Schäden hat die Dürre in der Burgaue bewirkt: v.a. auf Flächen, auf denen in der jüngeren Vergangenheit forstliche Maßnahmen durchgeführt worden sind. Besonders hart betroffen sind die Mittelwaldflächen und der Schirmschlag. Auch sind Trockenschäden bei kleineren Lochhieben und Kahlhieben eingetreten, die zu nah beieinander angelegt wurden (v.a. nahe des Hundewassers)! Auch hier reichen die Trockenschäden über die Eingriffsflächen hinaus in den Wald. Im recht großen Waldbereich der Burgaue gab es die meisten, v.a. auch flächigen Eingriffe. Wir raten dringend davon ab, hier in Zukunft weitere Maßnahmen fortzuführen! Wenn es, wie prognostiziert wird, in den kommenden Jahren wieder Dürren gibt, besteht die Möglichkeit, dass gerade im Umfeld der Mittelwaldflächen KEIN WALD mehr wachsen wird – auch kein Mittelwald!

Bitte, berücksichtigen Sie diese erkennbar prekäre Lage bei Ihren Entscheidungen. Lassen Sie uns mit dem Leipziger Auwald vorsichtiger umgehen!

Wir stehen Ihnen gern für Rückfragen zur Verfügung, auf Anfrage gerne auch mit weiteren Dokumente (z.B.Dossiers der Satellitenbilder). Wir werden diese Thematik zudem künftig noch ausführlicher bearbeiten.

Mit freundlichen Grüßen,

Prof. Dr. Bernd Gerken und Johannes Hansmann, Aueninstitut für Lebendige Flüsse, Leipzig


Hier geht es zu unserer aktuellen Auswertung der Analyse von Satellitendaten durch das Kompetenzzentrum für Wald und Forstwirtschaft von Sachsenforst betreffs der Trockenschäden im Leipziger Auwald.

 

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