Glückwunsch zum Tag des Leipziger Auwaldes am 16. April und zur Wahl der Esche als Leipziger Auwaldart 2021

Esche im Leipziger Rosental Mai 2021

Austreibende Esche im Leipziger Rosental im Mai 2021. Foto: J. Hansmann

Ein Beitrag aus dem Aueninstitut für Lebendige Flüsse

Alle Jahre wieder hat die Stadt Leipzig den Tag des Leipziger Auwaldes am 16. April 2021 gefeiert. Zusammen mit zwei Leipziger Forschungsinstitutionen wurde diesmal die Gemeine Esche (Fraxinus excelsior L.) zur Auwaldart 2021 gekürt. Sie stehe „stellvertretend für den gestressten Auwald…”, so ist es in einem Artikel in der Leipziger Volkszeitung vom 19.04.20211 zu lesen.

Was ist das Besondere an der Esche?

Die Esche gehört zu den typischen Bäumen eines europäischen Auwaldes in der Zone der Hartholzaue mit selten mehr als 50 Tagen jährlicher Überflutungsdauer. Die Baumart mit dem auffallend hellen Holz erreicht in deutschen Forsten kaum mehr als 150 bis 200 Jahre bis zur Hiebsreife, während ihr natürliches Höchstalter bei über 250 bis 300 Jahren liegen dürfte. Ganz konkret wissen wir das aber nicht, denn es gibt in Mitteleuropa keine Urwälder mehr, in welchen man die Esche unter natürlichen Bedingungen beobachten könnte. Die Esche tritt auch in Buchenwäldern als Vorwald, z.B. nach Windbrüchen oder Kahlschlägen auf. Ihr Holzwert ist beträchtlich, daher wird sie als Buntlaubholz gern forstlich angebaut, und ihre gebietsweise noch zunehmende Schädigung durch das Falsche Weiße Stängelbecherchen (einem Pilz) beklagt, da diesem asiatischen Neueinwanderer zahlreiche Eschen zum Opfer fallen.

Die Esche kann ähnlich der Stieleiche mit einer sehr hohen Artenzahl begleitender Tier- und Pflanzenarten aufwarten. So ermittelte eine englische Arbeitsgruppe (Mitchell et al. 2014): „…Insgesamt wurden 1.058 Arten als mit der Esche (Esche-assoziierte Arten) auftretend identifiziert: 12 Vögel, 55 Säugetiere, 78 Gefäßpflanzen, 58 Bryophyten, 68 Pilze, 239 wirbellose Tiere und 548 Flechten. Von den 55 Säugetieren nutzen 28 die Eschen und der Rest den Lebensraum der Eschenwälder; die Gefäßpflanzen nutzen den Lebensraum des Eschenwaldes und nicht die Bäume selbst“.2

Alte Eschen bilden, wie andere alte Bäume auch, Hotspots der Artenvielfalt – und an alten Eschen bietet das Leipziger Auensystem so viele wie kaum ein anderer Baumbestand in Deutschland! Diesem hohen Wert diente die Ausweisung großer Teile des Leipziger Auensystems als NSG und FFH-Gebiet.

Abgestorbene Eschen bei Schkeuditz

Abgestorbene Eschen bei Schkeuditz im Mai 2021. Foto: J. Hansmann

Was fehlt der Esche?

Seit Jahren wiederholt sich die Stadt darin, die Leiden des Auwaldes zu beschreiben, und ihre intensiven Bemühungen um die Heilung der prekären Zustände des Wasserhaushalts zu betonen. Aber der Nachgeschmack der Feier ist bitter – wieder nur Worte, das Auensystem bekommt aber immer noch kein Wasser!

“Mit der Wahl der diesjährigen Leipziger Auwaldart möchte ich das Augenmerk auch auf die aktuelle Situation des Auwaldes lenken” sagt Heiko Rosenthal in der Pressemeldung des Amtes für Umweltschutz vom 16.04.2021.3 Aber, an der aktuellen Situation ist nichts neu! Der stark gestörte Wasserhaushalt im Auensystem ist seit Jahrzehnten bekannt, war sogar gewollt, als man mit Wasserbaumaßnahmen tlw. schon lange vor 1930 begann. Und der Bau der Neuen Luppe 1930 krönte das technische Machwerk zur durchregulierten Aue! Diese Neue Luppe wirkt seit 90 Jahren als Groß-Drainage des Auensystems. Das WAR bewusst so gestaltet worden, denn echte Auwälder mit periodischen Überflutungen zu bewirtschaften ist für einen Förster nicht angenehm! Zudem wollte man damals ja ein stets und ständig verfügbares „ordentliches“ Naherholungsgebiet ohne Hochwasser und ohne Mücken. Wir zitieren Dr. Kurt Krause aus dem „Leipziger Wanderbuch“ von 1935:

„Die Anlage des Ganzen aber verbindet mit dem Zwecke der Flußregulierung noch den anderen, die Aue zu entsumpfen und den Auenwald zu einer wirklichen Erholungsstätte zu machen. Die Geradlegung der Wasserläufe hat schon jetzt zur Folge, daß das Grundwasser um 80 cm bis 1 m gesenkt ist. Dann aber kann die Aue aufgeforstet werden. Schon jetzt ist der Deutsche Arbeitsdienst mit dieser Arbeit beschäftigt. Seine Wohnstätten stehen unmittelbar am Eingang zu unserm Wandergebiet nicht weit vom Lunapark. Daß mit der Zuschüttung aller Lachen und der Beseitigung aller Mückenbrutstätten manch landschaftlich stimmungsvoller Winkel verschwindet, mag manchem Liebhaber der Kleintierwelt der Lachen und manchem Auenfreund nicht angenehm sein. Aber an die Stelle der alten Romantik tritt die neue Romantik des trockengelegten, jederzeit betretbaren Auenwaldes, der im Wechsel von Wiese, Wald und Wasser zusammen mit dem technischen Werken der Menschen als Erholungsstätte für den die Einsamkeit aufsuchenden Großstädter dienen soll.“4

Eschen im Leipziger Rosental

Diese beiden Eschen im Leipziger Rosental sind auch noch im Mai 2021 recht vital (wenn auch die vordere der beiden durchaus Zeichen des Eschentriebsterbens aufweist, die hintere dagegen kaum). Foto: J. Hansmann

Leipziger Bürgerinnen und Bürger sowie unzähligen auswärtigen Freunden der Stadt und Region geht es um den Schutz des Auensystems, doch alle müssen zugucken, wie es austrocknet! Unmissverständlich sagte und beschrieb schon Prof. Müller in den 1990er Jahren die Austrocknung des Auwaldes. Es folgten beinahe alljährlich Symposien verschiedener Veranstalter, in denen Visionen beschrieben und die Situation beklagt wurde. Praxisrelevante Vorschläge zur schnellen Umsetzung der Revitalisierung liegen schon lange den Verwaltungen und Verbänden vor.

Alle Interessierten wissen, dass die Stadt und die LTV alle Möglichkeiten haben und kennen, um die prekäre Situation zu ändern, um die Revitalisierung zu erlauben und auszuführen, auch wenn es sicher nicht einfach ist in Bezug auf manch Flächeneigentümer (hier bedarf es gewiss an diplomatischem Geschick).
Mit auenökologischem Rat stehen wir gerne zur Seite.

Es ist wie bei den Klagen über die Borkenkäferkalamität in deutschen Fichtenforsten. Erkrankungen der Natur lastet man anderen an, und dazu gehören in bewährter Manier Schädlinge und das Wetter oder das Klima: „Durch die Hitze und Trockenheit der vergangenen Jahre ist das Schutzgebiet mittlerweile sehr gestresst“.5

Warum redet man aber drum herum und verkündet nicht, dass die Behörden die Aue nun sofort schnell und unkompliziert wieder revitalisieren werden, um Hitze und Trockenheit des derzeitigen Klimaverlaufs zu mildern?

Das Ökosystem einer lebendigen Aue kann bekanntlich zum Ausgleich regionaler Klima-Extremwerte beitragen! Wenn Leipzig seinen Auwald heilt, dann hat die Stadt schon wirklich sehr viel zur Milderung des Klimawandels getan! Da müsste dann nur noch die Industrielle Landwirtschaft aus den Äckern des Pfingstangers und der anderen ehemaligen Wiesengebiete genommen werden! Die einstigen Auenwiesen können wieder hergestellt werden, und diese können wiederum noch weiter klimaregulierend wie auch für artgerechte Nutztierhaltung eingesetzt werden.

So aber stellt sich die Stadt als machtlos gegen den Klimawandel und Schädlinge dar. Also mehr Krampf durch Kampf! Die Stadt und ihre Mit-Akteure kämpfen gegen Pilze und Borkenkäfer, wie das derzeit modern ist! Schauen wir uns die Schädlinge an!

Bergahorn auf der Mittelwaldfläche

Bergahorn auf der Mittelwaldfläche in der Leipziger Burgaue 2021. Foto: J. Hansmann

“Schädlinge” und Krankheiten: Symptome eines gestörten Auenwasserhaushalts und forstlicher Bewirtschaftungsfehler

Es nimmt uns Wunder, dass zum Auwaldtag der Bergahorn in Bezug auf die Rußrindenkrankheit genannt wird. Dieser Baum liefert wundervolles Holz und baut interessante Waldgesellschaften auf, wie z.B. Schluchtwälder in den deutschen Mittelgebirgen. Bundesweit ist der Bergahorn nahezu jedem Forst beigemischt. Aber für Auen ist er nicht typisch! Im Gegenteil, man spricht in europäischen Auen von Verahornung, womit man sein unerwünschtes massenweises Auftreten meint.

Es ist bezeichnend wo wir ihn im Leipziger Auensystem gehäuft finden! In Auen besiedelt er Bereiche mit gestörtem Auenwasserhaushalt und kann sich somit im gesamten Auwald entfalten – und ist ein „Störungszeiger“, wo er nicht sogar einst gezielt ab 1930 forstlich eingebracht wurde! Auch in den schönsten und typisch aufgebauten Beständen der alten Hartholzaue (z.B. in der Burgaue) ist er regelmäßig, aber nicht dominierend, neben Stieleichen und Eschen zu finden. Gehäuft nutzt er forstlich großflächig aufgelichtete Standorte und bildet, unduldsam andere Vegetation verdrängend, dicht wuchernde Stangenhölzer. Der Bergahorn sollte an diesen forsttechnisch gestörten Standorten nicht als Schädling sondern als Heilversuch der Natur verstanden werden! Jedoch wurde der Ruf nach dem Förster laut, der forsttechnisch helfen sollte: Bergahorn einschlagen! Aber der Fehler bestand ja in der früheren Aufforstung mit Bergahorn an bestimmten Stellen sowie in der vorzeitigen, künstlichen Auflichtung an anderen Stellen, die das Kontinuum des Altbestandes unterbrachen – und grundlegend in der Störung des Wasserhaushaltes! Was noch vor Kurzem als Problem des Auwaldes beklagt wurde, könnte nun durch die Rußrindenkrankheit infolge Pilzbefalls von ganz allein gelöst werden. Förster dürfen die hinfälligen Bäume einfach stehen lassen, wo Wege nicht gefährdet sind.

Die Esche ist eine namengebende Baumart der Hartholzaue und soll erhalten bleiben. Sie hat sich europaweit seit Jahren mit einem Schadpilz auseinander zu setzen, der aus Asien zu uns kam. Im Forst führte das vereinzelt zu Panikreaktionen, und andernorts wurden ganze Abteilungen mit prägender Esche gefällt. Das Auensystem hat bereits zahlreiche Eschen durch Forstnutzung und infolge des Schadpilzes verloren. Jede weitere Alt-Esche wird dem Schutzgebiet fehlen!

Gekappte Eschen im Kanitzsch

Erfreuliche Entwicklung: im Kanitzsch werden die abgestorbenen Eschen im Bestand gelassen, wo sie an Wegen stehen, werden sie gekappt (Mai 2021). Foto: J. Hansmann

Wir beobachten seit Jahren, dass auch im Leipziger Auensystem befallene Eschen einige Jahre mit der Krankheit leben können – sie können sich weiter vermehren, und sie können die Krankheit sogar überleben! Wer eine befallene Esche erhält, geht weise mit dem Baum um, denn nur wenn sie trotz Befall weiterleben darf, kann sie gegen den Schadpilz eine Resistenz erwerben. Den Weg der natürlichen Anpassung an einen neuen Erreger muss die Esche auch im Auensystem gehen! Die so genannte „saubere Waldwirtschaft“ als Forstschutzmaßnahme genügt hierbei nicht, denn durch Fällung kann der Pilz aus dem Wald nicht vertrieben werden. Der Förster entnimmt unter Bodenschäden nur die verwertbaren Stämme, und sämtliche Äste und Wurzeln verbleiben mit dem Schadpilz im Bestand. Der Förster kann den Stamm noch verkaufen, und Eschenholz ist als Furnierholz sehr wertvoll, aber für das Auenökosystem ist auch der Stamm (selbst noch liegend) wichtig. Im Schutzgebiet sollte der Ökosystemschutz der vorrangige Auftrag auch für den Förster sein.

Die Klage über den Pilz als Erreger des Baumschadens und dann auch noch über das Auftreten des Eschenbastkäfer (Leperisinus varius) als typischer Sekundärschädling betont das Feindbild gegenüber „Schädlingen“ ohne in der Sache zu nutzen! In einem Wald mit Eschen gibt es den Eschenbastkäfer als steten Begleiter, und selbst an gesunden Eschen sieht man seine Spuren in Form rosenförmiger Rinden-Nekrosen. So genannt „schädlich“ kann er nur bei Vorschädigung seines Wirtsbaumes werden – und was schädlich ist, bestimmen oft menschliche, wirtschaftliche Interessen. Der kleine Käfer weist kundige Menschen auf eine Standort- und Baumschädigung hin, und er erfüllt im Ökosystem den natürlichen Auftrag aufzuräumen!

Die Esche im Leipziger Auensystem ist v.a. durch den veränderten Wasserhaushalt geschwächt. Das bedeutet, dass der Auenwasserhaushalt endlich wieder hergestellt werden soll. Bei der Schwächung von Bäumen müssen wir aber auch an Luftverunreinigungen denken, man möge so in Leipzig aktuell die Qualität der Luft auf Verunreinigungen prüfen sowie an die schlechte Luftqualität zu DDR-Zeiten denken.6

Abgängige Eschen bei Schkeuditz

Abgängige Eschen bei Schkeuditz im Mai 2021. Bei diesem Eschenbestand handelt es sich um eine Aufforstung mitten in einem einst sehr dynamischen Auenstandort. Foto: J. Hansmann

Zudem sind mancherorts seit ca. 150 Jahren auch Eschen im gleichalten Reinbestand aufgeforstet worden, also mit Bäumen, welche möglicherweise aus einer Baumschule kamen, somit in der Wurzel geschädigt waren und auch genetisch nah miteinander verwandt sein mögen und folglich gleich anfällig sein können bspw. gegenüber Baumkrankheiten und /oder Trockenheit etc. An solchen Orten mag dann das geballte Absterben in so einem Bestand besonders massiv und bedrückend wirken, letztlich aber ist das Schadgeschehen jedoch auf waldbauliche Fehler der Vergangenheit zurückzuführen. Die Lebensgemeinschaft Auwald wird mit diesen Geschehnissen zweifellos am besten fertig, wenn die zukünftigen Umweltbedingungen wieder auentypisch sein werden! Dazu kann auch der eigendynamische Bestandesumbau mit dem Verlust bereits vorgeschädigter Eschen gehören.

In den kommenden Jahren werden wir erleben, ob in Leipzig ein noch stärkerer Rückgang der Esche durch das Eschentriebsterben eintreten wird oder nicht. Selbst eine Zunahme wäre kein Drama, solange es weiterhin einige vitale Eschen im Auensystem gibt. Auch für Arten, die auf Eschen angewiesen sind, muss es oft nicht Masse statt Klasse sein, und unter auentypischen Bedingungen, die dringend wieder hergestellt werden müssen, ist sowieso mit noch weiteren Veränderungen in der Baumartenzusammensetzung der Wälder im Leipziger Auensystem zu rechnen, welche aber positive Auswirkungen auf die Lebensgemeinschaften der Aue haben werden. Wir empfehlen kein Horrorbild zu malen!

Eine Aufgabe für Wissenschaftler ist es, Jahr für Jahr die Entwicklung zu registrieren, und die beste Aufgabe der Förster besteht in der Zurückhaltung beim Einschlag – sie mögen den Eschen die Möglichkeit zum Erwerb einer Resistenz aus eigener Kraft geben.

Eschenverjüngung in der Nordwestaue

Eschenverjüngung in der Nordwestaue im Mai 2021. Foto: J. Hansmann

Es bleibt uns nichts anderes übrig, als angstfrei mit dem Eschentriebsterben umzugehen, denn niemand kann den Schaderreger ausrotten. Im Auensystem gibt es durchaus Alteschen, die in voller Vitalität weiter gedeihen, während befallene Eschen rascher als ohne den Pilz „alt“ und anbrüchig werden – aber sie haben bis zuletzt die Chance, auch zu leben. Unter Wissenschaftlern herrscht weitgehende Übereinstimmung darin, dass das Eschentriebsterben auch zugunsten des Naturschutzwertes der Wälder verstanden werden kann. Mitchell et al.(2014) untersuchen mehrere Szenarien über die Entwicklung des Eschenbestandes und ihrer Begleitarten: „Arten, die Totholz (Pilze und einige wirbellose Arten) verwenden, können aufgrund einer Erhöhung der Verfügbarkeit von Totholz (eine) Bevölkerungszunahme in den ersten 1 bis 10 Jahren zeigen …“. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass ein vollständiges Verschwinden der Esche nicht passieren kann. Wenn ein Restbestand der Esche überlebt, dann werden obligate Arten (also beispielsweise FFH-Arten) zwar abnehmen, aber nicht aussterben. Bezogen auf mögliche forstliche Eingriffe empfehlen sie Managementszenarien auf der Grundlage von Nichtintervention (also keine Fällung, sondern Förderung der Regeneration), die voraussichtlich kurzfristig besser für die Esche-assoziierte und naturschutz-relevante Biodiversität sein werden, da sie befallene oder abgestorbene Eschen länger im Wald behalten, als es durch Fällung und Neubepflanzung möglich ist.7 Ausdrücklich wird empfohlen, das infolge des Eschentriebsterbens anfallende Totholz im Bestand zu belassen, da davon auch artenschutzrelevante Arten zumindest auf absehbare Zeit profitieren werden. Die Esche dient als lebender und auch noch als sterbender und toter Baum den Zielen des Natur- und Artenschutzes.

Die Esche verjüngt sich ab dem Alter von 20 bis 30 Jahren früh und zahlreich, und sie wird auch weiterhin ein typischer Baum im Auensystem bleiben, selbst wenn weitere Alteschen vorzeitig absterben sollten.

Neben der Esche gilt auch die Feldulme als eine namengebende und strukturprägende Baumart des Hartholz-Auwaldes – zusammen mit der Stieleiche und ein paar weiteren Baumarten als Begleiter wie Flatterulme, diversen Weidenarten, diversen Pappelarten, Traubenkirsche, Winterlinde usw. Die Feldulme zeigt, dass sie sich nach dem europaweiten Absterben auch in Teilgebieten des Leipziger Auensystems bereits wieder in auffallend guter Vitalität ansiedelt! Die Chance ist hoch, dass es ebenso der Esche ergehen wird!

Feldulmenhorst bei Horburg-Masslau

Vitaler Feldulmenhorst bei Horburg-Masslau im Mai 2021. Foto: J. Hansmann

Dynamische Baumartenanteile in einer dynamischen Aue

Der Mensch mag die Anteile der Baumarten seinen Nutzungsinteressen entsprechend verändert haben, doch sind Eiche, Esche und Ulme dennoch typische Baumarten mitteleuropäischer Auen. Ihr heutiger Anteil im Auensystem entspricht vermutlich nicht dem von Menschen unbeeinflussten Auen-Urwald. Wir wissen dies nicht genau, denn es gibt solche Urwälder nicht mehr. Wir wissen jedoch, dass diese Anteile der Arten an der Baumschicht nicht pauschal z.B. 20%-40%-40% bei Eiche-Esche-Feldulme betragen würden, sondern dass diese infolge der Auendynamik dynamisch wären und es auch mehr Weichholzauenareale sowie Mischbereiche gäbe. Zeitweilig, und das heißt im Wald durchaus auch mal einige Jahrzehnte, kann sogar die eine oder andere der drei Baumarten fehlen. Es gibt von Natur aus keine Grundlage dafür, einen Auwald gewissermaßen auf eine ewig-typische Baumartenzusammensetzung festlegen zu wollen. Uns ist außer Leipzig derzeit kein Auwald in Deutschland bekannt, bei dem ausgerechnet dieses Ziel vom Stadtforstamt seit Jahren propagiert wird (Sickert 2011).

Mulde bei Bad Düben

Mulde bei Bad Düben Ende März 2021. An Mulde und Elbe kann man in vielen Gebieten noch Sedimentationsprozesse erleben. Foto: J. Hansmann

Bürgermeister Rosenthal betont, dass man, um den Problemen der Hitze und Trockenheit zu begegnen, „ … mit Projekten, wie Lebendige Luppe oder ‘Paußnitzflutung’, intensiv an der Auenkonzeption und der Wiedervernässung des Auwaldes“ arbeite.8 Diese Worte überzeugen mittlerweile nicht mehr! Das Projekt Lebendige Luppe tritt seit Jahren auf der Stelle, und es fraß bereits so viel Geld, dass man vermutlich schon mit der Hälfte der Fördergelder große Teile der Aue längst hätte revitalisieren können! Die Revitalisierung braucht nur sehr wenige Bauten, aber vor allem die Stilllegung bestimmter vorhandener Bauwerke sowie den Rückbau von Wallungen entlang bestimmter Gerinne und die Entfernung einiger Teile der Neue-Luppe-Dämme. Vor allem braucht es eine Umsteuerung des Leipziger Gewässerknotens. Im Projekt Lebendige Luppe soll demnächst klein-klein am Zschampert gewerkelt werden, einem Bach im Nordwesten am Rande des Auensystems.9 Es darf jedoch nicht nur der Rand der Nordwestaue betrachtet werden. Die Revitalisierung der Teilbereiche des Auensystems erfordert eine Konzeption, die die Situation der gesamten Aue beachtet. Deshalb kann die Paußnitzflutung keine Wiederherstellung einer lebendigen Aue bewirken, wenn sie nicht im Kontext mit dem anderem Teil der Aue gestaltet wird! Zudem gibt es bei der Paußnitzflutung weder eine echte Anbindung an einen Fluß, noch natürliche Flußdynamik, noch Sedimentumlagerungen – doch diese sind Faktoren, die für eine Aue existentiell sind.

Herr Mathias Scholz vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung nennt den Auwald in einem Video zum Tag des Auwaldes 2021 auf der Website der Stadt Leipzig „was ganz Fantastisches“ und den „größten innerstädtischen Hartholzauenwald in Deutschland“ und bezeichnet ihn weiterhin als eines der „artenreichsten Waldökosysteme Mitteleuropas“.10 Der von ihm so gelobte Hartholzauenwald darf seit mehr als 90 Jahren kein lebender Hartholzauenwald mehr sein! Wer Auenwälder kennt sieht das auf den ersten Blick. Wie lange soll sich ein Auensystem am Leben erhalten, wenn man ihm die treibenden Kräfte, die Wasserstandschwankungen der lebendigen Aue, durch Dämme vorenthält?

Was in Leipzig geschieht wirkt wie ein Experiment, bei dem man die Resilienz eines Auenwaldes testen will – aber das geht zu Lasten des Ökosystems.

Esche im Rosental

Vitale Esche im Leipziger Rosental im Mai 2021. Foto: J. Hansmann

Zukunftsausblick

Die Pflanzenarten der Hartholzauenwälder ohne naturnahe-dynamischen Wassergang entwickeln sich zu anderen Pflanzengesellschaften– sie benötigen dazu einige Jahrzehnte. Bodenlebende Insekten reagieren hingegen viel rascher. Wer z.B. Laufkäfer der Auen sucht, wird solche im Leipziger Auensystem nur noch an wenigen Reliktstandorten finden, die sind schon in den ersten Jahren nach Ausgrenzung der Überflutungen verschwunden! Reste ihrer artenreichen Gemeinschaften gibt es allenfalls fragmentarisch in Senken, z.B. in der Burgaue oder bei der Wildbettluppe. Die Bodenfauna, z.B. die von Laufkäfern oder Kurzflügelkäfern gebildeten Tiergemeinschaften, sind für Auen sehr spezifisch zusammengesetzt. Von regionalen Eigenheiten abgesehen, gibt es eine für Europa übereinstimmende Artengemeinschaft, die mit den wechselnden Wasserständen einer dynamischen Aue sehr gut auskommt. Das ist aus Studien u.a. an der Elbe, an der Weser und am Oberrhein schon lange bekannt (vgl. Degasperi (2015), Gerken & Barna (1987)). Bodenlebende Käfer, oder auch andere Gliedertiere, wie Spinnen und Milben, gehen sehr schnell woanders hin, wenn sie ihre arttypischen Lebensbedingungen nicht mehr finden! Was man im Auensystem heute finden kann sind untypische Umstellungsstadien von Flora und Fauna – und solches sollte auch im Managementplan des Auensystems (MAP) berücksichtigt werden, der eine Neubearbeitung erfahren sollte.

Aber das ist wichtig: Es gibt für die Arten der lebenden Aue derzeit noch Refugien im gesamten Auensystem, so dass die Revitalisierung jetzt noch Sinn macht. Diese spezialisierten auentypischen Tiergemeinschaften können sich in wenigen Jahren wieder aufbauen!

Die noch aus der lebendigen Auenzeit vor 1930 übriggebliebenen Alt-Bäume bilden den größten Wertefundus für die Revitalisierung. Sie beherbergen bekanntlich einige Urwaldrelikte. Das sind Arten mit einer ausgeprägten Standorttreue. So hat beispielsweise der Eremit eines seiner deutschen Schwerpunktvorkommen im Leipziger Auwald.

An dieser Stelle bleibt uns nur daran zu Erinnern, dass nun auch die Landesregierung die Revitalisierung der Aue vorantreiben will. An wissenschaftlichen Voruntersuchungen, welcher Zielsetzung auch immer, fehlt es im Leipziger Auensystem nicht. Es braucht nur einen Schub, dass die Zuständigen tätig werden!

Prof. Dr. Bernd Gerken, Johannes Hansmann

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1 ter Vehn, J.: „Esche – krank und Baumart des Jahres 2021“, in Leipziger Volkszeitung vom 19.04.2021, Seite 11

4 Krause, K.: „Die Elster-Luppen-Regelung“ aus „Leipziger Wanderbuch, 1. Teil: Die Stadt Leipzig“, Dresden 1935, S. 137

5 ter Vehn, J.: „Esche – krank und Baumart des Jahres 2021“, in Leipziger Volkszeitung vom 19.04.2021, Seite 11

6 Schulze, E.D. & Lange, O.L.: „Die Wirkungen von Luftverunreinigungen auf Waldökosysteme“ aus „Chemie in unserer Zeit“, Volume 24, Issue 3, Juni 1990, S. 117-130

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Literatur

Degasperi, G.: „Laufkäfer (Coleoptera: Carabidae) als Bioindikatoren für die Erfolgskontrolle einer Revitalisierungsmaßnahme am Inn (Österreich)“ aus „Entomologica austriaca 22“, Graz 2015, S. 27–43
https://www.researchgate.net/publication/282003427_Laufkafer_Coleoptera_Carabidae_als_Bioindikatoren_fur_die_Erfolgskontrolle_einer_Revitalisierungsmassnahme_am_Inn_Osterreich

Gerken,B. & O.Barna: „Uferbewohnende Laufkäfer (Col:Carabidae) im Weserbergland (Kreise Höxter und Holzminden)“ aus „Egge-Weser 4“, Höxter 1987, S. 45-61
http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/frontdoor/index/index/year/2013/docId/29103

Krause, K.: „Die Elster-Luppen-Regelung“ aus „Leipziger Wanderbuch, 1. Teil: Die Stadt Leipzig“, Dresden 1935, S. 137

Mitchell, R.J. et al.: „The potential ecological impact of ash dieback in the UK“, JNCC Report No. 483, Peterborough 2014
https://hub.jncc.gov.uk/assets/1352bab5-3914-4a42-bb8a-a0a1e2b15f14

Redaktion: „Projekt Lebendige Luppe: Finanzierungsbeschluss zu Zschampert und Burgauenbach geht jetzt in den Stadtrat“, Leipziger Internetzeitung am 21.05.21
https://www.l-iz.de/politik/brennpunkt/2021/05/projekt-lebendige-luppe-finanzierungsbeschluss-zu-zschampert-und-burgauenbach-geht-jetzt-in-den-stadtrat-391692

Schulze, E.D. & Lange, O.L.: „Die Wirkungen von Luftverunreinigungen auf Waldökosysteme“ aus „Chemie in unserer Zeit“, Volume 24, Issue 3, Juni 1990, S.
117-130

Sickert, A.: „Fortschreibung der Konzeption zur forstlichen Pflege des Leipziger Auwaldes“ aus „Der Leipziger Auwald – ein dynamischer Lebensraum. Tagungsband zum 5. Leipziger Auensymposium am 16. April 2011“, Leipzig 2012, S. 51 – 57
https://www.leipziger-auwald.de/upload/Downloadordner/Dokumente/Wirth%20et%20al%202012_Der%20Leipziger%20Auwald_ein%20dynamischer%20Lebensraum.pdf

Stadt Leipzig: „Geheimnis um Leipziger Auwaldart 2021 gelüftet“, Artikel auf Website vom 16.04.21, zuletzt aufgerufen am 25.05.21
https://www.leipzig.de/news/news/geheimnis-um-leipziger-auwaldart-gelueftet/

Stadt Leipzig, Amt für Stadtgrün und Gewässer, Abteilung Stadtforsten: “Bauminfo – Bäume des Auenwaldes”. Freiluftaustellung im Wildpark Leipzig – Holz, Forstwirtschaft und Bäume
https://www.leipziger-auwald.de/upload/Bauminfos/BAUMINFO_Bergahorn.pdf

ter Vehn, J. : „Esche – krank und Baumart des Jahres 2021“, in „Leipziger Volkszeitung“ 19.04.2021, Seite 11

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