Gifteinsatz gegen Riesenbärenklau im Wald: Mehr als bedauerlich!

Sehr bedauerlich, dass eine deutsche Forstverwaltung angesichts einer Restzahl von 3% der ursprünglichen Pflanzenzahl zum Gift greift. Es ist auch mehr als bedauerlich, dass sie sie dieses Gift in Chemie-freundlicher Konformität auch noch als Pflanzen”schutz”mittel benennt, und beschreibt: “Der bespritzte Riesen-Bärenklau löst sich mit der Zeit auf, das Gras ringsum bleibt unbeschadet.”

Das ist der Hammer. Das Gift gelangt staatlich verordnet in den Boden und in die Nahrungskreisläufe – bis es abgebaut ist richtet es Schaden bei Tieren und Pflanzen an, auch wenn wir uns täuschen lassen wollen, dass das nebenbei bespritzte Gras äußerlich unbehelligt bleibt.

Natürlich dringen die Gifte auch in deren Blätter ein. Gifteinsatz im Wald ist auch aus einer anderen Sicht brisant, und eine Forstverwaltung muss im BürgerInteresse daran denken: Die in Deutschland gedeihenden Gräser sind nicht nur essbar, sondern sogar sehr gesund. Sie können z.B. zu sehr guten Säften zubereitet werden. Gesund sind auch die überwiegende Zahl der Wildpflanzen – sie geben, was zunehmend bekannt wird, erstklassige Zutaten zu den üblichen Salaten unseres alltäglichen Essens.

Inzwischen gibt es dazu reichlich Literatur für alle Interessierten, einer der Klassiker ist das Buch “Essbare Wildpflanzen” von Fleischhauer und Kollegen. Sie beschreiben 200 der häufigsten essbaren Wildpflanzen und geben zu jeder Pflanze die grundlegenden botanischen Angaben sowie die wichtigsten Erkennungsmerkmale in detaillierten Illustrationen und Farbfotos. Dazu kommen Angaben, welche Pflanzenteile wann geerntet und wie sie zubereitet werden können.

Hat die Forstverwaltung den behandelten Bereich ausgeschildert? Das könnte so lauten:

Vorsicht Gifteinsatz – bitte hier keinen Wildsalat pflücken! Ihre Forstverwaltung

“Von der ursprünglichen Pflanzenzahl sind schätzungsweise nur noch maximal drei Prozent vorhanden. Ganz weg kriegen wir den Riesen-Bärenklau aber nie. Wenn wir jetzt aufhörten, würde er sich wieder ausbreiten. Wir müssen dranbleiben” – da lässt sich also wieder mal jemand zum Macher stilisieren, die “dran bleiben MÜSSEN”. Und dazu muss Gift ‘ran – haben wir also in 50 Jahren Umwelt- und Naturbewusstsein seit dem Jahr des Naturschutzes 1970 nichts gelernt?

Das Vorgehen des Herrn Seifert ist ein Armutszeugnis für unseren Umgang mit der Natur. Und das gilt auch im Bezug zum Umgang mit den Arbeitern, die das Gift ausbringen müssen. Schutzkleidung genügt nicht, um einen Menschen vollständig vor dem Kontakt mit dem Zeugs zu schützen. Jeder Praktiker weiß das. Warum muss ausgerechnet die Forstwirtschaft, die ihren Mitarbeitenden einen der potenziell gesündesten Arbeitsplätze in unserem Land bietet, dann auch diesen vergiften?.

Der gesunde Weg wäre sehr einfach:

  1. Ein Schild an den Wegesrand: “Bitte Vorsicht, nehmen sie Abstand vom eingeschleppten Riesenbärenklau. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir diese giftige Pflanze mechanisch an der Verbreitung hindern.”
  2. Die Ausführung der mechanischen Verhinderung der Blüte sowie des Weiterwuchses des Krauts durch Sense oder Hippe. Diesen mechanischen Einsatz kann der Förster zwei dreimal im Jahr verantworten. Er spart die Giftkosten und erlaubt keine Vergiftung von Natur und Mensch, so dass der Personaleinsatz im Finanzplan gut begründbar ist. Hier ist die mechanische Bekämpfung erst recht möglich, wenn die Anzahl der Pflanzen so gering ist, wie im Beitrag beschrieben.

Prof. Dr. Bernd Gerken, Aueninstitut für Lebendige Flüsse Leipzig

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Hier der Artikel der LVZ:

Der Kampf mit dem Riesen-Bärenklau

Eingeschleppte, giftige Pflanze beschäftigt Waldarbeiter im Oberholz / Gefahr auch für Menschen

Großpösna. Jedes Jahr seit 2013 spielen sich im Oberholz die immer gleichen Vorgänge ab: Im Frühjahr rücken Waldarbeiter aus Colditz an, um den Riesen-Bärenklau im Großpösnaer Oberholz zu bekämpfen. In diesem Jahr allerdings kamen sie wegen des kühlen Mais so spät wie noch nie, da das Wachstum allgemein erst später begann. Im Gegensatz zu den Anfangsjahren müssen die Pflanzen jetzt regelrecht gesucht werden. „Am Anfang mussten wir uns von außen in die Flächen vorkämpfen, so hoch und dicht stand der Riesen-Bärenklau. Jetzt suchen wir die nachwachsenden Vorkommen, um sie noch vor der Blüte zu vernichten“, erläutert Waldarbeiter Volkmar Wagner (60). Gemeinsam mit seinem Kollegen Mario Paul (59) stapft er durch das hohe Gras. Anfangs waren drei Durchgänge pro Jahr nötig, jetzt reicht einer.

Das bespritzte Kraut löst sich mit der Zeit auf

Beide Männer tragen Schutzanzug, Handschuhe, Schutzbrille und eine Atemschutzmaske. Der Behälter mit rund zwölf Litern Pflanzenschutzmittel ist auf dem Rücken festgeschnallt. Die Chemikalie gelangt per Handdruckspritze auf die Blätter des Krautes. Dabei handelt es sich um ein selektiv wirkendes Mittel, bei dem nur zweikeimblättrige Pflanzen eingehen. „Auf diese Weise werden Gräser, Kräuter, Blumen und anderes geschont. So gewährleisten wir, dass der Eingriff möglichst klein gehalten wird“, sagt Christoph Seifert. Der37-Jährige leitet das Forstrevier Leipzig-Süd. Der bespritzte Riesen-Bärenklau löst sich mit der Zeit auf, das Gras ringsum bleibt unbeschadet.

In den vergangenen Jahren waren Einzelpflanzen auch ausgegraben worden, was allerdings wegen der weitreichenden Wurzeln sehr aufwendig ist. Ansammlungen von einzelnen Pflanzen oder kleine Gruppen werden mit dem Pflanzenschutzmittel bekämpft. Denn der Riesen-Bärenklau ist gefährlich. Sein Saft kann schwere, verbrennungsähnliche Verletzungen auf der Haut verursachen. Eine Informationstafel des Forstbezirks Leipzig nahe der Wiese klärt über das Gewächs auf.

Das Herkuleskraut ist ein Neophyt

Bei dem auch Herkuleskraut genannten Riesen-Bärenklau handelt es sich um einen sogenannten Neophyten. Das sind gebietsfremde, eingeschleppte Pflanzen. Das aus dem Kaukasus stammende Kraut ist Europas größte Blütenpflanze und wird bis zu 3,50 Meter hoch. Im Oberholz sind von den ursprünglich 18 kartierten Flächen-Vorkommen keine mehr vorhanden. Wenige Standorte mit Einzelpflanzen oder kleinen Gruppen befinden sich hauptsächlich an der großen Wiese im Norden des Waldes.

„Von der ursprünglichen Pflanzenzahl sind schätzungsweise nur noch maximal drei Prozent vorhanden. Ganz weg kriegen wir den Riesen-Bärenklau aber nie. Wenn wir jetzt aufhörten, würde er sich wieder ausbreiten. Wir müssen dranbleiben“, betont Forstrevierleiter Seifert. Zumal andere seltene und geschützte Pflanzen im Oberholz durch eine Ausbreitung des invasiven Herkuleskrautes gefährdet wären. Diese Gefahr ist real. Denn in den Blüten der Anfangsjahre wurden viele tausend Samen produziert, die sehr lange im Boden liegen können, bis sie keimen.

Quellenangabe: Leipziger Volkszeitung vom 21.06.2021, Seite 12

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