Grußwort von Peter Wohlleben zum 4. Internationalen Leipziger Auenökologiesymposium

Auenökologiesymposium 2021

Prof. Dr. Pierre Ibisch beim 4. Auenökologiesymposium 2021 in Leipzig in der Alten Börse. Foto: J. Hansmann

Vom 06.10. – 09.10.2021 fand das 4. Internationale Leipziger Auenökologiesymposium in Leipzig unter Beteiligung zahlreicher renommierter Fachleute und mit vielen Teilnehmern in der Alten Börse statt. Auch dieses Jahr gab es wieder einen belebenden Austausch und viele neue Ideen, und das bei bestem Wetter und guter Laune. Wir freuen uns schon auf das nächste Symposium 2022 und schmieden bereits Pläne dafür! Peter Wohlleben, bekannter Förster, Autor und langjähriger Unterstützer von NuKLA e.V., schickte uns ein Grußwort, welches wir den Lesern und Leserinnen unserer Internetseite nicht vorenthalten wollen:

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“Liebe Freundinnen und Freunde von NuKLA, von Naturschutz und Kunst Leipziger Auwald e.V.! Ganz ganz herzlichen Glückwunsch zum eurem 10jährigen Bestehen. Ihr habt unglaubliches geschafft, nicht nur für den Leipziger Auwald, sondern für viele, viele Wälder in Deutschland. Ihr habt Menschen Mut gemacht. Ihr habt gezeigt, dass es sich lohnt, sich für den Wald einzusetzen, für den Wald zu kämpfen, zur Not auch vor Gericht und dann sogar noch erfolgreich, das hat uns hier, viel viel weiter im Westen, ich stehe ja hier in einem Wald in der Eifel in der Nähe der belgischen Grenze, auch ermutigt, jetzt juristische Schritte gegen staatliche Forstverwaltungen einzuleiten, die illegale Kahlschläge (aus unserer Sicht) in FFH-Gebieten vornehmen.

Der Wald ist ein in vielen Teilen noch unverstandenes Ökosystem. Ein Großteil der Arten, natürlich vor allem Bakterien und Pilze, sind überhaupt noch nicht bekannt, und diese kleinen Knilche sind wichtig, das wissen wir spätestens seit der Pandemie. Wenn man ein System nicht in Gänze versteht, dann kann man durch Manipulation nicht unbedingt Verbesserungen erzielen, weil wir ja gar nicht wissen, wie sich das auf Bestandteile des Ökosystems auswirkt, die wir überhaupt nicht auf dem Schirm haben. Und da ist der Leipziger Auwald eben ein schönes Beispiel dafür. Ich kenne ja diese Pläne, die ja teilweise auch schon umgesetzt worden sind mit Femelhieben, also mit Holznutzung, mit Schwerstgerät: das den Wald verbessern soll!? Durch Bodenverdichtung? Durch Kleinkahlschläge? Durch das Pflanzen verpimpelter Baumschulsetzlinge? Ja, man muss es leider so sagen, weil: Baumschulsetzlinge werden gedüngt, die werden gewässert, die sind auf das harte Leben draußen im Wald häufig gar nicht richtig eingerichtet. Aber wir wissen auch gar nicht, wie sehr den Wald das schwächt, wenn wir Löcher reinhacken, die Temperatur steigt, die Luftfeuchtigkeit zurückgeht… bisher gibt es praktisch keinen Beweis, dass ein gemanagter Wald einem natürlichen Wald überlegen ist, weder in der Artenvielfalt, noch in der Robustheit, in der Resilienz. Und deswegen kann die Devise nur lauten, Finger raus, überall dort, wo es nicht sein muss!

Holz ist ein wunderbarer Rohstoff, den ich übrigens auch sehr gerne nutze, aber man kann durch Holznutzung den Wald nicht verbessern. Das einzige was wir versuchen können, ist durch Holznutzung den Wald nicht so stark zu schädigen. Aber das wird momentan eben häufig anders dargestellt, das Holznutzung eher ein Abfallprodukt ist bei der Pflege des Waldes. Das führt soweit, wenn ich das jetzt mal ganz verdampft und zugespitzt zusammenfassen darf, dass ein Wald ohne Motorsäge gar nicht überlebensfähig ist. Das – wir erleben das häufig mit Studierenden live und in Farbe, dass es wirklich so ist, dass die glauben, dass wenn ein Wald nicht gemanagt wird, das ist ja die moderne Umschreibung für das Heraussägen von Bäumen, dass er dann zusammenbricht.

Übrigens auch der Leiter des Wissenschaftlichen Beirats Waldpolitik, Jürgen Bauhus, forstwissenschaftlicher Professor, sagt, dass die Selbstheilungskräfte der Natur ein “evidenzfreies Narrativ” seien, also quasi nicht mehr vorhanden sind. Die Natur hat es nicht mehr drauf, Wald hat es nach 300 Millionen Jahren nicht mehr drauf, und erst die Forstwirtschaft, die zumindestens in rudimentären Anfängen seit 300 Jahren existiert, die rettet jetzt den Wald? Naja, wenn wir uns draußen umschauen, dann sehen wir, dass riesige Flächen im Bereich von Tausenden von Quadratkilometern gerade absterben, und zwar am stärksten die, die am stärksten bewirtschaftet werden, da gibt’s einen ganz klaren Zusammenhang. Je stärker bewirtschaftet, also je naturferner die Baumarten, je mehr gepflanzt, je mehr Maschineneinsatz, desto schneller sterben die Wälder ab. Und wenn man diese Strategien dann auf ein Schutzgebiet überträgt wie den Leipziger Auwald, dann ist klar, dass so ein Schutz den Wald nicht verbessern kann.

Der Leipziger Auwald, wie der Name schon sagt, der braucht Wasser, der braucht keine Motorsägen, und Motorsägen können kein Wasser ersetzen, kein fließendes und kein stehendes Wasser. Wir brauchen natürliche Dynamiken und im Leipziger Auwald steht nun mal der Schutz an erster Stelle. Ich konnte das übrigens neulich mal von Ferne wenigstens sehen, den Leipziger Auwald, ich war leider noch nicht drin, ich verspreche, ich werde das irgendwann nachholen, aber das ist doch Wahnsinn, dass man vor den Toren einer großen Stadt ein solch tolles Naturjuwel hat. Und, man muss es so sagen, das sollte eben nicht in der Hand von Holzerzeugern sein oder zumindest von Holzerzeugern maßgeblich bestimmt werden, sondern das sollte der Naturschutz sein. Und wenn das offiziell nicht richtig erkannt wird, dann muss man eben auch mal juristisch auf die Fingerchen hauen, und das habt ihr gemacht. Und ich finde das wirklich toll. Weil einfach klar wird, dass es so nicht geht, dass wirtschaftende Behörden, die Verfahren im Blick haben müssen, die dieses Waldgebiet schützen, dort offensichtlich schwer versagt haben.

Und noch mal, das macht uns allen Mut, weil wir erleben das in Deutschland ja auf großer Fläche. Das ist ja ein Konstruktionsfehler der deutschen Forstwirtschaft, dass die Aufsichtsbehörden die größten Holzerzeuger sind. Also da gibt es doch ein Interessenskonflikt, den muss man doch sehen. Und meines Erachtens gehört das getrennt, das haben wir in Deutschland praktisch nirgendwo! Das zieht sich übrigens bis in die forstlichen Hochschulen rein, dass Forstwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, wenn sie ihr Referendariat machen, bei Forstbehörden sind (die ja auch Holzverkäufer sind). Holzverkäufer, Waldbewirtschafter, die größten Dienstleistungsanbieter in Deutschland auf dem Forstdienstleistungsmarkt, das ist alles in einer Hand einer Behörde oder von Behörden, staatlichen Behörden, kommunalen Behörden, die sich dadurch quasi selber kontrollieren und natürlich im Zweifelsfall sagen: “Wir machen alles richtig, da gibt es keine Verfahrensfehler.” Also wenn jetzt Otto-Normalverbraucherin und -Normalverbraucher das zur Anzeige bringen will, dann bei einer Behörde, die es selber verursacht hat? Naja, wie weit man damit kommt, das habt ihr ja selber gesehen. Also man muss dann Geld in die Hand nehmen, man muss ein Gerichtsverfahren anstrengen und die Behörden eben überführen. Und deswegen ist das so wichtig, dass es Menschen gibt, die sagen, wir riskieren das, wir riskieren viel Ärger, das ist ja nicht euer Wald oder es zumindest anteilig nur für Bürger und Bürgerinnen mit einem winzigen Promillesatz euer Wald, aber ihr fühlt euch so verantwortlich für dieses Gemeinwohl, in dem Sinne ist es nämlich doch euer Wald, so verantwortlich dafür, dass ihr sagt, wir nehmen dafür sehr viel Ärger in Kauf, wir müssen herumfragen um Spendengelder, um das Geld für die Verfahren zusammenzubekommen, und gehen dann eben noch in ein sehr ermüdendes Verfahren mit Aussagen, mit Gutachten, mit allen anderen Dingen.

Ihr habt Euch Unterstützung geholt durch die Grüne Liga, was ich gut finde, man muss sich vernetzen, man kann das nicht allein aushalten sowas. Aber man kann dann zusammen eben auch die Erfolge genießen. Und noch ist mit dem Leipziger Auwald nicht alles in Ordnung und das geht natürlich weiter, das habe ich auch mitbekommen, dass das noch lange nicht zuende ist die Geschichte, um die Rettung des Leipziger Auwalds, aber Ihr seid auf einem ganz ganz tollen und mutmachenden Weg, der überall in der Bundesrepublik sehr genau beobachtet wird, und in diesem Sinne darf ich mich nochmal ganz ganz herzlich bei euch bedanken, dass Ihr das für uns alle tut und wünsche euch für die nächsten Jahre weiterhin viel Glück und vor allem viel Freude mit eurem wunderschönen Wald.”

Peter Wohlleben

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