Kann man Wälder einfach machen?

Baumpflanzaktion

Baumpflanzaktion vom DHL Hub Leipzig Team und dem Staatsbetrieb Sachsenforst. Aufnahme vom Februar 2019. Foto: J. Hansmann

Von der menschlichen Hybris, man könne den Klimawandel einfach wegpflanzen oder Wälder einfach anlegen

Ein Beitrag aus dem Aueninstitut für Lebendige Flüsse

Nachdem die fast dreijährige Dürre halbwegs überstanden ist, beginnt nun im Herbst wieder die Zeit der Baumpflanzaktionen aller Orten – so zuverlässig wie der Lebkuchenverkauf im Einzelhandel. Wie schon in den vergangenen Jahren ist das Pflanzen von Bäumen oder gar ganzer „Wälder“ in Zeiten des Klimawandels noch immer angesagt. Gibt man das Stichwort „Baumpflanzaktion“ in eine Internetsuchmaschine ein, begrüßen einen zunächst Werbeanzeigen größerer wie kleinerer Unternehmen, welche sich ihre Brötchen mit dem Pflanzen von Bäumen für CO2-Ablassbriefen in Deutschland, aber auch sonst wo auf der Welt verdienen. Doch auch zahlreiche große Konzerne nutzen Baumpflanzaktionen zu Marketingzwecken, so findet man an nächster Stelle als Suchtreffer den Link zu einer großen Mineralwassermarke, welche Bäume pflanzt, danach kommt eine Bank, ein Versandhaus, man findet auch zwei Umweltorganisationen, einen Zusammenschluss von Krankenversicherungen usw. usf. Baumpflanzaktionen sind also nicht mehr nur eine Aktion von Umweltvereinen, sondern offensichtlich eine beliebte Marketingmaßnahme, ja, und sogar ein ganzer Geschäftszweig geworden.

Es lohnt sich daher stets hinter Baumpflanz-Aktionen zu blicken.1 2 Hin und wieder sind im Laufe der Jahre ganze Firmenkonstrukte im Dickicht der angesagten Baumpflanzaktionswelle gewachsen, bei welchen man gar nicht sicher sein kann, ob da nun überhaupt ein Baum irgendwo am anderen Ende der Welt gepflanzt wurde oder ob man nur irgendein Stück Papier für sein Geld bekommen hat. Oder aber es werden irgendwelche Fremdbaumarten irgendwo gepflanzt, dafür dann aber wertvolle Ökosysteme gestört oder gar zerstört.3

Sicher mögen unter all diesen Firmen, Organisationen und Menschen einige sein, die es wirklich gut und ernst meinen und auch davon überzeugt sind, dass sie hier das Richtige tun, aber ist es das auch? Sicher werden auch unter all diesen baumpflanzenden Firmen, Organisationen und Menschen einige sein, die versuchen, sehr umsichtig und behutsam Bäume zu pflanzen – und dabei beachten, dass auch passende Arten an passender Stelle auf passende Weise gesetzt werden. Beim Hype um das Baumpflanzen ist aber zu befürchten, dass oftmals bspw. eben nicht auf Qualität, sondern Quantität gesetzt wird – und so etwas wird höchst natürlich (!) dann einfach irgendwann Folgen haben, die man eigentlich nicht haben wollte.

Auch im Leipziger Land pflanzt man jetzt im Herbst wieder Bäume, und der Presse ist zu entnehmen, dass in der Tagebaufolgelandschaft im Südraum Leipzigs erneut 5.000 Bäume gepflanzt worden sind (8.000 wurden bereits gepflanzt, 12.000 sollen noch folgen).4 Das Ganze soll ein Wald auf einer ehemaligen Halde werden – aber kann so ein aufgeforstetes Ding auf so einem Boden überhaupt so etwas wie ein vitaler Wald werden? Wird es nicht vielmehr ein kranker Forst werden?

Bergbaufolgelandschaft Herbst 2021 zwischen Groitzsch und Lippendorf. Foto: W. Stoiber

Interessant ist auch, dass man hierbei auf eine Mischung aus einheimischen Baumarten und invasiven Neophyten zurückgreift, es scheint also nicht um Naturnähe oder Naturschutz zu gehen. Bei der Auswahl der Baumarten (bspw. amerikanische Roteiche und mediterrane Schwarzkiefern) ist durchaus davon auszugehen, dass diese Bäume in wenigen Jahrzehnten auch forstwirtschaftlich genutzt werden sollen, hier also auf Wirtschaft gezielt wird, und Naturschutz oder Klimaschutz nur als Vorwand dient. Umweltschutz kann es jedenfalls auch nicht sein, denn so, wie die Bäume aufgeforstet werden, ergibt sich hieraus die klassische Bewirtschaftungsform des schlagweisen Altersklassenwaldes, bei welchem nach ein paar Jahrzehnten diese Flächen komplett wieder kahlgeschlagen werden und somit nicht nur bei der Vorbereitung des Bodens für die aktuelle Aufforstung CO2 usw. langfristig freigesetzt wird, sondern in absehbarer Zeit beim Kahlschlag erneut. Dazu kommen die freigesetzten CO2-Mengen, welche auf Jahrzehnte regelmäßig durch den Einsatz von Maschinen für die Pflege dieser Kunstforsten zusätzlich in die Luft geblasen werden. Der Effekt, dass Aufforstungen erst nach 15 Jahren und mehr CO2 speichern, vorher dort aber massiv CO2 vom Boden freigesetzt wird, ist übrigens schon lange bekannt und es gab schon 2007 (!) über diesen Umstand Presseberichte.5 Dennoch wird dieser Umstand bis heute gerne ignoriert. Und schon 2007 schlossen die Journalisten eines Stern-Artikels: „Ablasshandel mit Bäumen taugt also wenn überhaupt nur auf langfristige Sicht. Doch die zeitlichen Dimensionen sind zu groß, um den Klimawandel zu bremsen. Besser wäre der Erhalt schon bestehender Waldflächen – zum Beispiel die Regenwälder Südamerikas. Dort gehen täglich 32 Quadratkilometer Waldfläche verloren – genug für 3.200 deutsche CO2-Produzenten.“ Aber auch bei uns geht fast täglich Wald verloren oder wird beeinträchtigt, sei es bspw. für den Straßenbau (bspw. die umstrittene A146), für den Bau von Industrieanlagen (prominentes Beispiel Tesla in Grünheide7, aber auch andere Gewerbegebiete8). Oder aber Wald wird fragmentiert und beeinträchtigt für den Bau von Windkraftanlagen (bisher gibt es laut Deutscher Wildtierstiftung 2.000 WKA in deutschen Wäldern, Tendenz steigend – die alle selbstverständlich jeweils eigene Zufahrtswege brauchen usw. usf.9). Vor allem wird Wald flächendeckend beeinträchtigt durch die so genannte „Ordnungsgemäße Forstwirtschaft“.10 Selbstverständlich wird in Deutschland Waldverlust durch Neuaufforstungen kompensiert etc.11 – aber wie schon erwähnt ist bereits bestehender Wald unersetzbar und Neuaufforstungen können den Verlust nicht ansatzweise ersetzen.

Nicht mehr nachvollziehbar ist es, weswegen man neben den Bäumen, welche absehbar im Sägewerk enden werden, bei den Baumpflanzprojekten in und um Leipzig auch Pionierbaumarten wie Birken und Vogelkirschen pflanzt, welche sich, da sie Pioniergewächse sind, überall selbst ansamen und auch wachsen – selbst auf den Dächern leer stehender und zerfallender menschlicher Gebäude.12

Birken auf dem Dach einer Leipziger Industrieruine. Foto: J. Hansmann

Nicht überraschend ist es, dass auch in Leipzig ein Unternehmen mindestens fallweise mit beteiligt ist, ergo lässt sich schließen, dass wir es hier zumindest teilweise mit einer Marketingaktion zu tun haben. Organisatoren der aktuellen Leipziger Baumpflanzungen sind darüber hinaus u.a. eine Stiftung, in deren Kuratorium u.a. eine Bank sitzt sowie ein Waldbesitzerverband und ein Verein, welcher u.a. CO2-Kompensationen vertreibt.13 Es ist dennoch davon auszugehen, dass hier Menschen beteiligt sind, welche es gut meinen und sehr wahrscheinlich maximal davon überzeugt sind, dass sie das Richtige tun und dass sie die Welt mit ihrem Tun besser machen. Die Stiftung arbeitet zusammen mit einer Leipziger Initiative, die mit Sicherheit ebenso von sich und ihrem Tun davon überzeugt ist und welche sich ebenso sicher sein wird, mit solchen Aktionen etwas gegen den Klimawandel ausrichten zu können.14

Es ist auch zu lesen, dass den beteiligten Menschen diese Arbeit viel Freude bereitet, vor allem weil hier Menschen zusammenkommen, um gemeinsam etwas aktiv zu tun. Schön, aber man sieht, hier geht es vor allem um menschliche Befindlichkeiten im Rahmen gemeinsamer ritueller Handlungen.

In Zukunft sollen noch weitere Flächen auf dem Stadtgebiet Leipzigs aufgeforstet werden, so Freiflächen in Plagwitz, Anger-Crottendorf und in der Paunsdorfer Kiebitzmark. Hier sollen einheimische Gehölze verwendet werden, was sehr begrüßenswert ist! Bei solch anthropogen beeinflusstem Boden im urbanen Raum wäre jedoch stets zu prüfen, ob der Boden auch geeignet ist für ein langes Baumleben, nicht dass eine solche Initiative mit ihren Baumpflanzungen auf ungeeignete Standorte verwiesen wird – es wäre gemein gegenüber der Initiative und der beteiligten Bürger, wenn man bereits jetzt wissen sollte, dass die Bäume sich dort nicht gut entwickeln können!

Unter Internetartikeln wird viel kommentiert und es kommt vor, dass diese „Leserbriefe“ interessante Informationen enthalten, welche wir hier kurz zitieren wollen. So schreibt ein Kommentator unter o.g. Artikel15:

„Ich weiß, sie meinen es gut…, und bewirken letztlich ein Naturdesaster. Naturferner kann man einen Forst – nein, von einem Wald kann keine Rede sein – gar nicht anlegen bzw. bauen. Was vorher auf der Fläche war, kann man nicht mehr genau erkennen. Im Hintergrund sieht man z.B. natürlichen Spontanaufwuchs von Birken. Ich vermute mal, man hat die vorhandene Spontanvegetation (So entsteht Natur!) niedergemacht, die beginnende Bodenbildung unterbunden und letztlich einen Acker angelegt. Da vermutlich auf der Fläche vorher besonders geschützte Ödlandschrecken lebten (wie üblich auf den ehemaligen Tagebauflächen), wurde vermutlich auch gegen artenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen. Das müsste man eigentlich anzeigen! Gepflanzt wurden u.a. 1.000 Roteichen, eine nichtheimische und dazu sehr expansive Art, die die heimische Flora verdrängt. Aber auch der Anbau von Bergahorn ist auf einer solchen Fläche natürlich extrem sinnfrei. Insgesamt ist eine naturferne Plantage – in Reih und Glied – nach den Methoden der Intensivforstwirtschaft entstanden, die mit Natur und Biodiversität rein gar nichts zu tun hat. Auf den Fotos sieht man auch die „Pflanzware“, das schaut nach wurzelnackter Ware ohne ausgebildete Feinwurzeln aus. Also extrem vorgeschädigte Pflänzchen mit einer sehr traurigen Zukunft. Anscheinend hat man auch noch nie etwas vom Klimwandel gehört. Vermutlich werden diese Pflänzchen alle im nächsten heißen Sommer vertrocknen. Fast besser so, würde ich sagen, denn Wald im eigentlichen Sinne des Wortes entsteht natürlich ganz anders. Das kann man dort sehen, wo man die Natur sich selbst gestalten lässt. Pionierarten (z.B. Birken, Aspen, Weiden) bereiten den Boden vor für einen geschichteten und artenreichen Wald (Birken zu pflanzen wie anscheinend im Jahr vorher ist auch Blödsinn, denn die kommen von ganz alleine, aber naturnah über Anflug und nicht naturfern über Baumschulware), der sich ganz von alleine entwickelt. ggf. kann man noch schonend ein wenig lenken, das kann u.U. sogar sinnvoll sein. Aber das hier: ein Naturfrevel, ein einziges Trauerspiel. Aber stimmt, man wurde wieder von den Förstern beraten… Und ich muss leider an alle Menschen appelliere: Unterstützt nicht einen solchen kontraproduktiven Unsinn!!! PS: Dass der NaBu Leipzig Partner von Leipzig pflanzt ist, verwundert nicht, ist er doch ein ganz besonders treuer Lobbyist der hiesigen Forstwirtschaft (Stadtforstamt und Sachsenforst).“

Blauflügelige Ödlandschrecke auf Brachland in Paunsdorf im Sommer 2018 (das Habitat wurde inzwischen zerstört für eine Eigenheimsiedlung). Foto: J. Hansmann

Und ja, es stimmt. Wo die Standortbedingungen und der Boden passen, entwickelt sich durch Sukzession natürlich von selbst ein Pionierwald.16 Im Rahmen dieser Sukzession entwickelt sich u.a. der Boden dann sogar selbst weiter und wird somit die Voraussetzung, dass hieraus irgendwann ein vitaler und langlebiger Wald entstehen kann!17 Diese komplexen Bodenbildungsprozesse, bei welchen über Jahrzehnte bis Jahrtausende (die Dauer richtet sich auch nach der Art der verkippten Substrate)18 durch eine Abfolge von Artenlebensgemeinschaften in und über dem Boden eine Vielzahl von grundlegenden Prozessen angestoßen werden, kann Mensch weder schnell mit einem Traktor noch fix mit dem reinen Anpflanzen von irgendwelchen kleinen Bäumchen aus der Baumschule nachstellen. Übrigens wird auch tatsächlich oft vergessen, dass solche Ödlandstandorte in Braunkohlefolgelandschaften durchaus ebenso eine bedeutende Ersatz-Heimat seltener und geschützter Arten und Lebensgemeinschaften sein können, die wir andernorts verdrängt haben. Es ist also stets zu betrachten, wo man denn da eigentlich Bäume hinpflanzt.19

Und auch wenn es nicht schön ist, hier vermeintliche Mißtöne in das idyllische Bild aus o.g. Zeitungsartikel hineinzubringen, in welchem nette Großmütter gemeinsam mit lieben Förstern und Waldbesitzern und engagierten Vereinen und Firmen „Wälder“ mit viel Liebe für die Zukunft pflanzen, um CO2 zu binden – so ist das durchaus tragisch für Natur wie auch Mensch. Es ist leider tatsächlich ein Missgriff im Umgang mit der Natur, wenn dort bspw. Pionierwald mit beginnender Bodenbildung oder u.U. ein Magerrasen entfernt wurden, um dort einen Kunstforst mit standortfremden Bäumen anzulegen! Und leider ist das Heilsversprechen, dass hier CO2 gebunden wird, zumindest für die kommenden Jahrzehnte nicht haltbar – im Gegenteil. Und für diese Tatsache gibt es seit Langem wissenschaftliche Belege!

Aber wie schon oben beschrieben, das Pflanzen von Bäumen für das Klima ist In. Selbst beim abendlichen Fernsehen kann man dem Thema nicht entkommen. Bei der Talkshow „Hart aber Fair“ vom 01.11.21 zum Thema „Kranke Wälder, überflutete Täler: Wird jetzt ernst gemacht beim Klimaschutz?“ tauchten auch wieder die Baumpflanzungen als vermeintliche Super-Lösung gegen den Klimawandel auf.20
Talkshow-Gast Peter Wohlleben („Deutschlands bekanntester Förster“), wies erneut darauf hin, dass es mit der Rechnung „Ich pflanze Bäume und dann wird das mit dem CO2 alles schon kompensiert“ nicht weit her ist:

Holzacker im Kanitzsch 2019

Holzacker im Kanitzsch 2019. Auf solchen Flächen werden jetzt erstmal aus dem Boden CO2 und weitere klimaschädliche Gase freigesetzt. Foto: J. Hansmann

„Eine frisch gepflanzte Aufforstung, da gibt’s auch tolle Forschung aus Deutschland dazu, gast in den ersten Jahren bis Jahrzehnten aus dem Boden mehr CO2 aus als die neu gepflanzten Bäume aufnehmen… Also pflanzen, wenn ich CO2 in die Luft rauspuste, bringt zumindest in den nächsten Jahrzehnten nichts, das ist reines Greenwashing, das ist ein Ablassbrief, ich hab von meinem Urgroßvater noch einen an der Wand hängen, vom Papst mit Faksimile-Stempel ‚In der Stunde seines Todes alle Sünden weg‘ – das machen wir jetzt mit Bäume pflanzen. Das geht nicht! Wir müssen Wald schützen, wir müssen den Holzverbrauch reduzieren, wir müssen insgesamt den Konsum reduzieren, und das hört man halt nicht gerne… Wald kommt von ganz alleine zurück, das macht der seit 300 Millionen Jahren. Und das gepflanzter Wald besser funktioniert, da gibt es kein einziges Beispiel, global, wo ein gepflanzter Wald besser funktioniert als ein Wald der dort an der Stelle von selber zurück kommt. Jetzt ist Bäume pflanzen natürlich was sehr positives, was sehr emotionales und natürlich kann daraus irgendwann auch ein Wald werden in Jahrzehnten bis Jahrhunderten, gar keine Frage, aber wir können damit momentan nichts kompensieren…”

Wir ziehen ein Fazit: wir haben es bei diesen Baumpflanzaktionen schlicht mit einer Mode zu tun. Gutwillige, wohlmeinende Menschen gehen mit lobbyistischen Forstwirtschaftsorganisationen und Unternehmen Kooperationen ein in der vorgeblichen Hoffnung, gemeinsam etwas gegen den Klimawandel aktiv tun zu können. Oberflächlich gesehen scheinen alle zu gewinnen, die wohlmeinenden Menschen haben ein gutes Gewissen, die Forstwirtschaft freut sich über neue Forsten, das Sägewerk mit viel Glück in 60 Jahren+ über Bäume und die Unternehmen haben eine gute Werbung für sich oder gar Geld durch den Handel mit CO2-Kompensationen gemacht.21

Nur die Natur verliert und wirklich CO2 gebunden wird auf die Schnelle auch nicht.

Und was bei solchen Aktionen entsteht sind unter Umständen meist wirklich naturferne Baumplantagen, welche erst nach Jahrzehnten CO2 speichern, aber dann wieder sehr schnell sehr wahrscheinlich zur Holzgewinnung gefällt werden, wenn die Aufforstungen vorher nicht aufgrund des schlechten Bodens zugrunde gegangen sind. Selbst die Anlage des dann gewonnenen Holzes in langlebige Produkte zur CO2-Speicherung ist schlicht eine Marketingmaßnahme, sogenanntes klassisches „Storytelling“, geradezu ein Werbe-Märchen, denn die wenigsten heutzutage hergestellten Holzprodukte sind wirklich langlebig (Laut FNR ist der Trend zum Verbrennen von Holz nach wie vor steigend, lediglich 28,5 % der verwendeten Holzrohstoffe 2016 waren Sägestammholz, aus welchem bspw. hochwertiges und langlebiges Mobiliar entstehen könnte22).

Was wirklich klimarelevant ist, sind bestehende naturnahe Wälder und Böden von möglichst hohem Alter und andere Wälder und Böden, die man sich zu mehr Natürlichkeit hin entwickeln lassen könnte. So weisen auch Kunstforste weltweit in der Regel Naturverjüngung auf, welche sich schneller hin zu einem naturnahen Wald entwickeln würde, so man sie ließe, als das Abholzen ganzer Schläge mit anschließender kompletter Neu-Aufforstung!

Selbst hier wächst was:  Landschaft im ehemaligen Tagebau Peres im Herbst 2021. Foto: W. Stoiber

Auch auf maximal devastierten Orten wie Tagebaufolgelandschaften und Truppenübungsplätzen lassen sich die unterschiedlichen Sukzessionsstadien beobachten, entwickelt sich auch der Boden aufgrund vielfältiger Prozesse und auch hier ist auf geeigneten Flächen zu beobachten, dass von selbst ein naturnaher (zunächst Pionier-)Wald wächst, aber es können sich hier auch durchaus auch andere ebenfalls schützenswerte Lebensgemeinschaften entwickeln als nur Wald, dies sollte nicht vergessen werden.23 Auf solchen Standorten sollte also auf Aufforstungen verzichtet werden um Naturschutz zu treiben! Was sich wo aus der Natur heraus selbst entwickelt, kann man hin und wieder durchaus erahnen, oftmals aber kann es auch noch interessant werden, schlicht solche Gebiete (über Jahrhunderte wenn nicht gar Jahrtausende!) zu beobachten und anhand ihrer Metamorphosen auch erst noch zu lernen – etwas, was wir uns Menschen aufgrund unserer Ungeduld zu oft selbst versagen. Und für viele Prozesse in unserer Umwelt bräuchte es unter Umständen eine Beobachtung und ein Lernen tatsächlich über Jahrhunderte und Jahrtausende, bevor wir diese Prozesse überhaupt erfassen können. Dass wir ungeduldig sind aufgrund der Befürchtungen zum Klimawandel ist sogar verständlich, dennoch sollten wir unsere Bemühungen doch eher darauf fokussieren, bestehendes Schützenswertes zu erhalten und anderes Bestehendes schützenswert werden zu lassen, anstatt unter Umständen beginnende natürliche Sukzession und Bodenbildungsprozesse zu unterbinden und uns hier selbst die Chance zu nehmen, dass sich hier irgendwann halbwegs guter Boden und eine vitale naturnahe Waldlebensgemeinschaft oder auch etwas anderes von selbst entwickeln würden. Initialpflanzungen können dennoch durchaus auch positive Effekte haben, müssen aber auch nicht sein, noch mehr sollten wir Menschen uns darum kümmern, bereits bestehende Naturverjüngung zuzulassen (nicht nur in Bergbaufolgelandschaften, sondern generell), denn diese ist von höchster Relevanz für unsere Baumarten, da diese sich mithilfe solchem „wilden“, von Menschen unbeeinflussten Nachwuchs an sich ändernde Umweltbedingungen wie bspw. durch den Klimawandel anpassen und so auch wandern! Nehmen wir unseren Pflanzen diese Freiheiten, könnte es durchaus sein, dass wir so mancher Art mit unserem globalen Manipulieren wohlmeinend den Todesstoß versetzen.

Wir müssen uns vielleicht doch mehr bewusst sein, dass wir nur Menschen sind mit einer sehr begrenzten Lebensdauer und deshalb einem begrenzten Sichtfeld. Und auch wenn wir Wissen über Generationen weiter geben können ändert dies nichts daran, dass wir Menschen schlicht eine sehr junge Erscheinung auf diesem Planeten sind, welche sehr natürlich noch nicht alles wissen kann. Dies muss aber kein Mangel sein, denn diese Unwissenheit bedeutet, dass unsere Umwelt für uns noch viele Geheimnisse bereithält, welche es zu entdecken gilt.

Es mag frustrierend sein, wenn Mensch doch etwas aktiv tun will, und dies dann kritisiert wird. Aber manchmal – und gewiss in diesem Fall – ist es in mehrfacher Hinsicht besser, nichts zu tun oder wenn man etwas tut, dieses mit möglichst viel Fingerspitzengefühl zu tun!

Keinesfalls sollte man sich aber vormachen, dass man Natur „machen“ kann, Wald „pflanzen“ kann oder gar den Klimawandel „wegforsten“ kann! – Zwar sind solch einfach erscheinende Lösungen auf den ersten Blick nett und attraktiv, doch unsere Welt und besonders die Wälder sind viel zu komplex, als dass wir uns anmaßen könnten, sie einfach „bauen“ zu können. Wir dürfen sogar zugeben, sie noch längst nicht verstanden zu haben.

PS: Der Autor möchte nur kurz darauf hinweisen, dass es neben dem derzeit überwiegend im Fokus stehenden Kohlendioxid auch andere klimaschädliche Gase gibt. Vorrangig ist auch bspw. Methan zu nennen, welches weltweit in hohem Maße durch die moderne industrielle Landwirtschaft in die Atmosphäre geblasen wird. Es darf beim Klimaschutz – wie auch beim Schutz unserer Umwelt -generell nicht nur um einen Teilaspekt und Teillösungen gehen (wie hier um den Teilaspekt CO2 und die vermeintliche Teillösung Aufforstung). Es besteht die sehr wahrscheinliche Möglichkeit, dass wir Menschen unser gesamtes modernes Wirtschaften und Denken grundlegend ändern müssen. Änderungen müssen in beinahe jedem Bereich erfolgen, um unseren Planeten und seine Natur, welche unsere Lebensgrundlage und die Lebensgrundlage aller zukünftigen Menschen bildet, zu erhalten. Ungeachtet davon haben Baumpflanzungen entlang von Straßen, in Städten, in Parks usw. einen sehr positiven Effekt für uns Menschen – und zwar in jeglicher Hinsicht. Daher ist das Engagement von Menschen diesbezüglich grundsätzlich zu begrüßen, nur ist es wichtig, stets zu überlegen: wo pflanze ich welchen Baum wie?


Quellen:

11 Siehe bspw. §11 des Bundeswaldgesetzes und §15 des Bundesnaturschutzgesetzes https://www.gesetze-im-internet.de/bwaldg/BJNR010370975.html http://www.gesetze-im-internet.de/bnatschg_2009/__15.html

17 Laut einer Arbeit der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald sind Sukzessionswälder sogar rentabler als aufgeforstete Wälder: „Sukzessionswälder sind rentabler als durch Pflanzung begründete Laubwälder und sollten daher ihren Platz in landeskulturellen Planungen erhalten, wenn ihnen aus standortkundlichen und anderen Erwägungen nichts im Wege steht. Es ist wahrscheinlich, dass in Deutschland faktisch mehr Wald durch Sukzession als durch Pflanzung neu entsteht. Dies bekräftigt die Forderung, den Sukzessionswald weiterhin interdisziplinär zu untersuchen.“ https://www.dbu.de/projekt_23880/01_db_2409.html

Dieser Beitrag wurde unter Aktuelles veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.