Stellungnahme zu einem interessanten Online-Artikel des Deutschen Forstvereins e.V.

Mit großem Interesse und viel Spaß haben wir diesen Online-Artikel auf der Website des Deutschen Forstvereins e.V. gelesen:

https://www.forstverein.de/aktuelles/news.html?tx_news_pi1%5Bnews%5D=994&cHash=f0c350f98dc20d4f0ec676322591c1c3

Sehr gern nehmen wir hiermit dazu Stellung.

Im Artikel geht es um eine Exkursion in der Nordwestaue bei Schkeuditz zum Thema „Spannungsfeld urbane Forstwirtschaft“, organisiert durch das JNF (Junges Netzwerk Forst) und den SFV (Landesverein Sachsen des Deutschen Forstvereins e.V.).

1) Hierin ist folgender Absatz zu lesen:

“Noch vor ein paar Jahren verzeichnete der Forstbetrieb einen nachhaltigen Holzeinschlag von 4000-5000 fm pro Jahr. Seit der Saison 18/19 ist dieser jedoch drastisch zurückgegangen, da seitens zweier vermeintlicher Naturschutzorganisationen mit gestellten Fotos von vermeintlich gefällten Biotopbäumen, Klagen und Vorwürfen der Druck auf den Forstbezirk immer weiter steigt.”

Anscheinend spielt man hiermit auf das Klageverfahren der GRÜNEN LIGA Sachsen e.V. gegen die Stadt Leipzig an, welches 2020 zugunsten der GRÜNEN LIGA Sachsen e.V. durch das OVG Bautzen entschieden wurde (siehe hier https://www.grueneliga-sachsen.de/2020/06/gruene-liga-sachsen-und-nukla-stadt-leipzig-beschluss-des-ovg-bautzen-vom-9-6-2020/).

Die GRÜNE LIGA Sachsen e.V. ist tatsächlich ein anerkannter Naturschutzverband (siehe hier https://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/download/Uebersicht_anerkannte_Naturschutzvereinigungen_in_Sachsen_3_Juli_2019.pdf).

NuKLA e.V. ist Mitglied der GRÜNEN LIGA e.V. und somit ebenfalls ein anerkannter Naturschutzverein, ist aber nicht als Antragsteller in diesem Verfahren aufgetreten.

Somit handelt es sich nicht um zwei vermeintliche, sondern zwei tatsächliche Naturschutzorganisationen.

Fotos und Videos, welche im Rahmen des Verfahrens und darüber hinaus als Beweismaterialien angefertigt worden sind, sind nicht gestellt und die Biotopbäume wurden auch nicht nur vermeintlich gefällt, sondern ganz real. Weder die GRÜNE LIGA Sachsen e.V. noch NuKLA e.V. verfügen über ein über 1 Hektar großes Fotostudio, um hier derart große Kahlschläge für ein Foto nachzustellen. Wir verfügen auch nicht über entsprechende Maschinen, um gefällte Biotopbäume irgendwo für ein Foto hin zu drapieren. Zwar kennen wir durchaus begabte Künstler aller Art (immerhin steht NuKLA e.V. für Naturschutz und Kunst Leipziger Auwald), allerdings haben diese weder die Zeit noch das Geld für entsprechende Technik, um mit entsprechend teuren Programmen ganze Fotoserien und Videos (sog. Deepfakes) anzufertigen. Das war auch gar nicht nötig, da bspw. die Biotopbäume gefällt worden sind, und in der Tat gibt es auch Zeugen dafür. Manch Biotopbäume kann man übrigens sogar jetzt noch auf bestimmten Flächen finden, zwar zerfallen sie nach und nach, aber sollte es Interessenten geben, bieten wir gern Exkursionen an.

Somit sind also in dem Artikel schon mal mit drei Fakenews zu finden.

Fakenews 1: “Zwei vermeintliche Naturschutzorganisationen” – FALSCH: diese Naturschutzorganisationen sind echte Naturschutzorganisationen.

Fakenews 2: “mit gestellten Fotos” – FALSCH: die Fotos sind nicht gestellt, sondern wurden vor Ort, teilweise mit Zeugen angefertigt.

Fakenews 3: “vermeintlich gefällte Biotopbäume” – Falsch: die Bäume wurden ganz real gefällt und können stellenweise sogar noch an Ort und Stelle betrachtet werden.

2) Interessant ist auch dieser Satz:

“Die Situation ist mittlerweile so angespannt, dass neben dem Urteil zur FFH-Verträglichkeitsprüfung aller Forstwirtschaftspläne nun keine Genehmigungen zur Verkehrssicherung erteilt werden.”

Die Aussage ist falsch. Das o.g. Urteil bezieht sich auf die Stadt Leipzig, nicht den Landkreis Nordsachsen, prinzipiell aber wäre das Urteil auch auf den Landkreis Nordsachsen übertragbar. Allerdings schließt das Urteil Maßnahmen zur Verkehrssicherung gar nicht aus und so heißt es auf der Website der beteiligten Anwaltskanzlei zum Urteil: “Infolge dieser Entscheidung darf die Stadt innerhalb des weiträumig geschützten Leipziger Auwaldes von einigen Maßnahmen der Verkehrssicherung abgesehen keine Fällungen mehr durchführen, bevor sie nicht eine Verträglichkeitsuntersuchung nach Maßgabe der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH-Richtlinie) durchführt.” (https://www.baumann-rechtsanwaelte.de/2020/06/16/oberverwaltungsgericht-bautzen-stoppt-forstwirtschaft-im-leipziger-auwald/) Übrigens fanden und finden auch durchaus Verkehrssicherungsmaßnahmen in den betreffenden Waldgebieten statt. Wer auch immer nun irgendwo keine Genehmigung zur Verkehrssicherung erteilt, wird aber vielleicht seine Gründe haben und es wäre interessant zu wissen, wer das ist und um welche Maßnahmen konkret es sich handelt. Eventuell handelt es sich hier auch um eine Verwirrung seitens des Deutschen Forstvereins e.V. und seiner Mitgliedsvereine und/oder seitens seitens der Autorin des Artikels und/oder seitens der Exkursionsleiter? Die Verkehrssicherungspflicht in Deutschland gilt nur für öffentliche Straßen und Wege, auf normalen Waldwegen haben Bürger in Deutschland stets mit waldtypischen Gefahren zu rechnen und daher gibt es auf normalen Waldwegen keine Verkehrssicherungspflicht, dies ist schon seit 2012 bekannt (https://www.dstgb.de/themen/kommunalwald/aktuelles/urteil-des-bgh-zur-verkehrssicherungspflicht-im-wald/). Wenn nun eine Behörde an einem namenlosen Waldweg in einem Schutzgebiet keine Wegesicherung erlaubt, haben weder die von Sachsenforst geplanten Maßnahmen noch das Verbot etwas mit Verkehrssicherung zu tun.

3) Gern möchten wir uns zu diesem Satz äußern:

“Anstatt die betroffenen Bäume gleich zu fällen, würde der Forstbezirk diese auch gern als Hochstubben stehen lassen oder gar nur die gefährlichen, toten Starkäste aus der Krone nehmen. Doch auch hierfür werden keine Genehmigungen erteilt bzw. hinausgezögert aus Angst davor, doch versehentlich ein Habitat übersehen zu haben.”

Wir befürworten dieses geplante Vorgehen entlang öffentlicher Straßen, Wege und Plätze, weisen aber darauf hin, dass nicht an jedem kleinen namenlosen Waldweg eine Verkehrssicherungspflicht besteht. Wo konkret eine Verwaltung keine Genehmigungen erteilt bzw. herauszögert, ist uns unbekannt, aber es besteht auch die Möglichkeit, dass eine solche Verwaltung schlicht auch ihre Gründe für ihr Verhalten hat.

4) Hierzu haben wir eine Anmerkung:

“Wenn die Sicherheit auf den beliebten Rad-, Reit-, Paddel- und Wanderwegen im Auwald nicht gewährleistet werden kann, müssten diese zum Unmut der Erholungssuchenden gesperrt werden.”

Falsch, diese Wege müssen nicht gesperrt werden, dieses wäre allein eine Entscheidung des betreffenden Forstamtes/Forstbezirks. Prinzipiell kann eine Sperrung mancher Waldwege zumindest aus Sicht des Naturschutzes aber sogar positive Auswirkungen haben, sind doch unsere Wälder stark durch Wege, Straßen, Leitungen usw. usf. fragmentiert (was sehr schlecht ist v.a. in Zeiten des Klimawandels), weiterhin werden die Wälder stellenweise sogar übernutzt. Bei offiziellen Wegen mit Namen gilt ansonsten sowieso die Verkehrssicherungspflicht – nach wie vor.

5) Hierzu sei gesagt:

Aber auch der Arbeitsschutz kann unter diesen Bedingungen nicht gewährleistet werden, sodass Pflegemaßnahmen auf einigen Flächen nicht durchgeführt werden können.”

Manchen Flächen tut es vielleicht sogar ganz gut, wenn man dort keine Pflegemaßnahmen durchführt. Sehr oft arbeitet gerade der Staatsbetrieb Sachsenforst nicht bodenschonend und ein Pausieren der Pflegemaßnahmen könnte durchaus eine Chance für den Waldboden sein, sich regenerieren zu können. Oft haben solche Pflegemaßnahmen auch keine naturschutzpflegerischen Ziele, sondern ihr Hauptzweck ist es, rentable, gerade gewachsene Baumstämme mit möglichst wenigen Seitenästen zu produzieren. Forstliche Pflegemaßnahmen sind also aus Sicht eines ehrlichen Naturschutzes verzichtbar, denn die Natur stört sich nicht an schief gewachsenen Bäumen, im Gegenteil bieten krumm gewachsene Bäume sogar mehr mögliche Habitate als gerade gewachsene Bäume. Und für das forstliche Personal finden sich sicher auch irgendwo ungefährliche Einsatzorte.

6) Hierzu sei gesagt:

“Durch lichter werdende Oberstände vergrast die Bodenvegetation.”

Falsch, eben lasen wir im Text noch von den Folgen der Dürren, Bäume stürben ab, stürzten um, wären eine Gefahr für den Verkehr. Somit werden die Oberstände aber auch ohne forstliche Maßnahmen lichter und selbst wenn es forstliche Maßnahmen gäbe (wie die Entnahme abgestorbener Bäume, der Auslichtung von Kronen und der Kappung von Bäumen), würden diese die Verlichtung logischerweise noch befördern. Das “lichter werden” ist also nicht durch forstliche Maßnahmen aufzuhalten, vielmehr tragen die forstlichen Maßnahmen zur Auflichtung bei und ergo auch der Vergrasung. Natürlich ist auch das Aufforsten von Bäumen eine Pflegemaßnahme, allerdings haben wir in unseren Auwäldern auch ohne Aufforsten sehr oft sehr viel Naturverjüngung und kein Gras. Gras findet sich dagegen häufig aber auf den größeren Kahlschlagsflächen, welche Sachsenforst in den vergangenen Jahren freigeschlagen hat. Es ist zu vermuten, dass vergraste Flächen eher durch diese großen Kahlschlagsflächen gefördert wurden, und nicht erst allein durch später ausbleibende Pflegemaßnahmen auf solchen Flächen entstehen.

“Die gepflanzte Eichenverjüngung hat dadurch keine Chance und auf lange Sicht ist damit auch der Erhalt des FFH-Lebensraumtyps Eichen-Hartholz Aue gefährdet.”

Dies ist falsch, in erster Linie ist die Aue gefährdert durch den Mangel an Auendynamik (regelmäßige Überflutungen). Betreffs der Eichenverjüngungen wären sowieso auch andere Maßnahmen als schlichtes Pflanzen zu überlegen. Weiterhin wäre an manchen Standorten zu überlegen, ob es sich bei einer gepflanzten flächigen Eichenverjüngung, die sich nur mit solch enormen Aufwand etabliert, überhaupt noch um Natur handelt oder nicht doch eher um forstliche Plantagen. Überdies gibt es keinen LRT Eichen-Hartholz-Aue, sondern nur einen LRT Hartholzauenwälder, und dieser besteht mitnichten nur aus Eiche, sondern auch aus Eschen, Ulmen und vielen weiteren Baumarten. Hartholzaue ist also etwas komplexer als nur “gepflanzte Eichenverjüngung” und scheint manch Forstdienstleister in ihrer Komplexität gar zu überfordern?

7) Hierzu sei gesagt:

“Der Kampf dieser vermeintlichen Naturschutzorganisationen scheint also mehr Probleme zu verursachen, als für den Naturschutz im Leipziger Auwald zu lösen.”

Seien wir ehrlich: was werden denn bisher in diesem Text als Probleme beschrieben? Ein Forstbetrieb beklagt, dass er nicht mehr soviel Holz einschlagen kann wie früher – dies hat nichts mit Naturschutz zu tun. Dann wird geklagt, man würde keine Genehmigungen für Verkehrssicherungspflichten an Waldwegen bekommen – auch dies hat nichts zu tun mit Naturschutz, die Verkehrssicherungspflicht an offiziellen Straßen und Wegen ist überdies nach wie vor möglich. Dann wird gedroht, man werde wohl Wege sperren müssen wegen der Sicherheit, aber auch dies ist a) eine Entscheidung des Forstbetriebs und keine Verpflichtung und b) wäre eine hypothetische Sperrung von einzelnen Wegen kein Problem für den Naturschutz, im Gegenteil. Weiterhin wird darüber geklagt, dass der Arbeitsschutz für den Forstbetrieb nicht gewährleistet wäre – auch dies ist nicht relevant für den Naturschutz. Dann wird geklagt, dass forstliche Kulturen nicht gepflegt werden können, aber diese Kulturen sind nicht wirklich Natur – also ist auch dies eher ein Problem des Forstbetriebes, nicht des Naturschutzes. Der Satz “Der Kampf dieser vermeintlichen Naturschutzorganisationen scheint also mehr Probleme zu verursachen, als für den Naturschutz im Leipziger Auwald zu lösen.” ist Unsinn, es sei denn man verwechselt die Bedürfnisse eines Forstbetriebes mit Naturschutz.

8) Hierzu sei gesagt:

“Durch vielfältige Maßnahmen zum Schutz und Erhalt des vom Aussterben bedrohten Eschen-Scheckenfalters ist es gelungen die Anzahl der Gespinste pro Jahr von 12 in 2013 auf etwa 1000 in 2021 zu erhöhen.”

Der Hauptverbreitungsschwerpunkt des Eschen-Scheckenfalters liegt auf sachsen-anhaltinischer Seite und dort gibt es auch Forstwirtschaft, aber es wird anders gearbeitet als in Sachsen. Daher ist diese Aussage zu hinterfragen, v.a. wäre es interessant zu klären, ob hier nicht auch andere Faktoren (Klima, Alter der Bestände usw.) eine Rolle spielen und welche hier nun ursächlich sind für den Populationsanstieg. Aber natürlich kann es dennoch sein, dass die Maßnahmen gute Bedingungen geschaffen haben! Prinzipiell ist so ein Anstieg auch erfreulich, aber das Ziel von Artenschutz kann dessen ungeachtet nicht darin liegen, nun seltene Arten in einem kleinen Gebiet so häufig wie möglich zu machen, v.a. wenn dies auf Kosten anderer bedrohten Arten passiert (so finden sich im Gebiet des Forstbezirks bedenklich wenige Altbäume und die Situation für bspw. Osmoderma eremita ist in diesem Gebiet nicht gut! Dennoch wurden bis in die jüngste Vergangenheit auch kapitable und gesunde Starkeichen gefällt, und dies vor der Dürre. Vor allem aber ist die Situation für Amphibien im Gebiet schlecht – womit wir wieder beim Fehlen der Auendynamik sind, welches das Grundproblem im Auensystem darstellt).

9) Hierzu sei gesagt:

“Als weiteres Beispiel sei auch aufgeführt, dass mit Projektpartnern wie „Lebendige Luppe“ Ansätze zur Wiedervernässung und zur Auwaldrevitalisierung durchgeführt werden, um dadurch eine natürliche Auwalddynamik wiederherzustellen.”

Diese Aussage ist falsch. Bisher wurden keine Ansätze zur Auwaldrevitalisierung durchgeführt, es wurde nur darüber geredet.

10) Hierzu sei gesagt:

“Am Ende wird deutlich, dass der Auwald auf nachhaltige Eingriffe angewiesen ist, um die FFH-Lebensraumtypen, die 90% der Nordwestaue ausmachen, zu erhalten.”

Das ist falsch, der Auwald ist nicht angewiesen auf nachhaltige Eingriffe, der Auwald ist darauf angewiesen, wieder unter einer Auendynamik existieren zu können, alles andere ist nachrangig.

Wir sind sehr gespannt auf weitere Artikel auf Seiten des Deutschen Forstvereins. Übrigens nehmen wir auch Spenden entgegen, die wir u.a. gern auch für bessere Bürotechnik verwenden. Wir versprechen, dass wir damit auch kein 1-Hektar-großes Fotostudio zum Nachstellen von Kahlschlägen bauen werden. Aber wenn diverse Forstbetriebe im FFH-Gebiet “Leipziger Auensystem” Kahlschläge durchführen, werden wir gewiss wieder da sein und die Realität dokumentieren!

Unser Kontonummer lautet:

Vereinskonto

Bank: EthikBank

IBAN: DE82 8309 4495 0003 1646 08 BIC: GENODEF1ETK

Dieser Beitrag wurde unter Aktuelles veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.