Brief an den Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir

Pestizid-Armada bei Leipzig 2021. Foto: J. Hansmann

Hiermit geben wir unseren Mitgliedern, Freunden, Fördernden und den Besuchern unserer Website folgenden Offenen Brief an den Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir zur Kenntnis betreffs seiner zukunftsweisenden Ideen zur künftigen Gestaltung des Nahrungsmittelmarkts, zur Preisgestaltung für Obst und Gemüse sowie zu den Lebensbedingungen der Erzeugenden und ihrer Nutztiere.

Möge es uns als Gesellschaft im Interesse der heutigen Allgemeinheit, der Menschen der Zukunft und vor allem auch im Interesse unserer Mitgeschöpfe gelingen, all dies besser zu gestalten.


Sehr geehrter Herr Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir,

jede neue Regierung wie auch jede neue gesellschaftliche Bewegung verdient es, sehr kritisch, aber auch wohlwollend und auf die guten Potenziale ausgerichtet, betrachtet zu werden. Zugleich und besonders gilt es, zukunftsweisende Ideen und Konzepte zu fördern.

Zukunftsweisend nennen wir solche Ideen, die das Miteinander der Menschen in unserer Gesellschaft in den Fokus ihres Planens und Handelns stellen. Bitte erlauben Sie uns, aus der Fülle der Aufgaben zwei Aspekte anzusprechen, zu deren Behandlung sowie Lösung wir schlicht ermutigen wollen – erstens bezogen auf Nahrungserzeugung und zweitens bezogen auf die Aufgaben und bisherigen Ziele der Forstwirtschaft. Unser Bezug sind Ihre Aussagen am 2. Januar 2022. Wir begrüßen Ihre darin geäußerten Initiativen – so früh in der Regierung gibt es keine Notwendigkeit, Konzepte dazu bereits ausgeklügelt vorlegen zu können!

Ihre am 2. Januar 2022 (über BILD u.a.) veröffentlichten Aussagen zur künftigen Gestaltung des Nahrungsmittelmarkts, insonderheit der so genannten „Fleisch-Produktion“, und auch der Preisgestaltung für Obst und Gemüse sowie die Lebensbedingungen der Erzeugenden (LandwirtInnen et al.) und ihrer Nutztiere (wir empfehlen: einschließlich der Nutzpflanzen – bisher weniger beachtet) sind solche zukunftsweisende Ideen!

• „Wir essen zu viel Weißmehl und Zucker“…
• „(wir essen) zu viel Fett“.

Dafür danken wir sehr und wir werden diese Ihre Anliegen nach Kräften unterstützen und dafür werben.

Es war sehr auffallend, dass sogar aus Ihrer eigenen Partei und nicht wenigen so genannten sozialen Medien resp. Gruppen, Verbänden etc. erstaunlich schneller Widerspruch erfolgte. Zugleich erhielten Sie jedoch Lob u.a. von Greenpeace und dem Bauernverband. Diese Resonanzen kamen derart schnell, dass es nur verwundern konnte, denn unseres Wissens hatte Sie noch nicht einmal konkrete Konzepte mitgeteilt (was ja zu diesem Zeitpunkt auch keinesfalls erforderlich war!). Aber solche konkreten Ausführungen hätte man zu fundiert-sinnvoller Kritik getrost abwarten dürfen! Wir alle kennen solcherlei „getroffene Hunde, die bellen“ nur zu gut. Die Tatsache, dass bestimmte Gruppierungen einschließlich Stimmen aus ihrer Partei, der Fleischerzeuger etc., so rasch glaubten, öffentlich opponieren zu sollen, ohne konkret genug von Ihnen im Detail unterrichtet worden zu sein (zumindest drang solches nicht in die uns zugängliche Öffentlichkeit), wirkte für uns befremdlich. Allerdings sollten die aufgekommenen Kritiken und Widerstände trotz dieses zeitlichen Ablaufs angemessenen gewürdigt ernst genommen werden – ohne Ihr Wirken und Ihre Ideen insgesamt zu verhindern!

Vielmehr möge solche Kritik Sie sogar ermutigen, an den von Ihnen vorgetragenen Ideen weiter zu arbeiten! Die davon schließlich betroffenen Bereiche des Markts müssen im Blick auf die Zukunft zweifellos ihre Bequemlichkeitszone verlassen. Es gilt, Anforderungen unserer Zeit an Tierschutz und Lebensqualität der Menschen mit gleicher Priorität zu berücksichtigen und bei alledem diese Bereiche mit großer Kreativität und mutig neu oder mindestens umzugestalten!

In diesem Zusammenhang ist auch der massive Einsatz von Pestiziden dringend zu reduzieren. Laut Aussage des Pestizidatlas (Global 2000/Österreich, 7.1. ausgegeben) ist der Pestizideinsatz weltweit seit 1990 um über 80% gestiegen. Für Österreich wird ausgesagt „In Pflanzenschutzmitteln, die in Österreich eingesetzt werden, befinden sich 248 verschiedene Wirkstoffe. Von diesen Wirkstoffen gelten 29 als vermutlich krebserregend und schädlich für die Fruchtbarkeit und Sexualfunktion“. Wir ersuchen Sie um Ihre Initiative!

Diese, mit Ihrem neuen Amt verbundene Aufgabe jetzt anzugehen, erfordert Entscheidungsbereitschaft und Mut, die wir Ihnen dafür von Herzen wünschen, sowie Unterstützung, die Sie besonders bei den jungen Menschen und auch im Naturschutz, von unserer Seite auf jeden Fall, reichlich finden werden.

Sehr geehrter Herr Minister, wir wollen mit diesem Schreiben den Chor derer unterstützen, die Ihre neuen Konzepte zum Umgang mit Nahrung und Natur schätzen und auf eine kluge Umsetzung hoffen. Wie nie zuvor gilt es nun, die besten Wege zu finden, um aus der Klima-, der Nahrungskrise und der allgemeinen Krise bei der Nutzung von Natur-Ressourcen heraus zu gelangen. Manche sagen, wir hätten nicht mehr viel Zeit, denn ab bestimmten Belastungen können die natürlichen Gefüge unsere fehlgeleitete oder auf sektorale Interessen fokussierte Nutzung nicht mehr puffern.

Die Ausführlichkeit unseres Schreibens möge uns verziehen werden – sie war angesichts der Komplexität des Geschehens aus unserer Sicht erforderlich.

Wir wünschen alles Gute und viel Kraft, Ausdauer und beste Intuition bei der Wahrnehmung Ihres Amts!

Hochachtungsvoll,

Die Unterzeichner des Briefs:

  • Prof. Dr. Bernd Gerken, NuKLA-Aueninstitut für Lebendige Flüsse
  • Wolfgang Erich Alfred Stoiber, Naturschutz und Kunst Lebendige Auen (NuKLA) e.V.
  • Frau Maria Ziemer, Naturschutz und Kunst Lebendige Auen (NuKLA) e.V.
  • Frau Gudrun Stevens-Holzkämper, Osnabrück Hellern
  • Familie Christine und Hubert Bathon, Partenstein
  • Arndt Kolk, Rosbach v.d.H.
  • Dipl.-Ing. Thomas Brötz, Sinzig
  • Cand. Biol. Jakob Nolte, Roethges bei Laubach

Erläuterung unserer Anregungen zu den Hauptaussagen Ihrer Pressemitteilung:

1. „Wir essen zu viel Weißmehl und Zucker“… lautete eine ihrer Äußerungen.
Wie treffend und wie dringend ist diese wissenschaftlich längst nachgewiesene Erkenntnis und deren gravierende Folgen nun ins allgemeine Bewusstsein zu bringen!

Im gleichen Atemzug nennen Sie „(wir essen) zu viel Fett“. Der Faktor „Fett“ möge aus gesundheitlicher Sicht dringend differenziert betrachtet werden: „Richtige“ Fette mit Natur-entsprechenden Omega-3 / Omega 6 – Fettsäure-Verhältnis von 1:1 bis 1:2 verursachen keine Fettleibigkeit, im Gegensatz zur Aufnahme von Transfetten aus Fritierprodukten, Margarinen etc. Für die schließlich krankmachenden oder prädisponierenden Fettablagerungen sind in der Tat Kohlenhydrate verantwortlich, und vor allem gilt das für die Zustandsformen, in denen sie Menschen angeboten und sogar empfohlen werden – wider besseren medizinischen Wissens sogar DiabetikerInnen. Das möge dringend dem Stand der Wissenschaft angepasst werden.

Nahrung pflanzlicher Provenienz ergänzte, in geringeren Mengen, den Speisezettel unserer Vorfahren, deren Ernährung von einem merklichen Anteil Tiernahrung geprägt war, und die mit dieser Ernährung immerhin drei extreme Kaltzeiten überstehen konnten.

Für jene, die auf Fleisch nicht verzichten wollen, sollte dieses von Weidetiere stammen, die sogen. Massenhafte Nutztierhaltung muss zu ihrem Ende kommen. Dafür ist unsere Landschaft bereit, denn es entspricht ihrer Vorgeschichte!
Je weitgehender auf künstliches Zusatzfutter (Pellets, Proteinkunstnahrung etc.) verzichtet wird, und je weitgehender statt dessen die Tiere aus einem artenreichen Angebot naturnaher Wiese-Gebüsch-Wald(!)-Verbänden ihre Nahrungspflanzen wählen können, umso gesünder sind die Tiere selbst. Umso gesünder ist die Nahrung dann auch für uns Menschen.

Wir haben Verständnis für die Verbraucherverbände und jene, die sich für finanziell schlechter gestellte Gruppen in unserer Gesellschaft einsetzen, wenn sie gegen – plakativ falsch wahrgenommene – „höhere Preise“ revoltieren. Diese Gruppen werden rasch ein Einsehen erlangen, wenn sie erkennen, dass die Änderung der Märkte die Nahrungsqualität fördert. Gerade auch zugunsten sozial schwacher Kreise sollte der Gesundheitswert der Nahrung maximal gesteigert werden. Qualität sollte das Maß der Dinge werden, nicht die Quantität. Denn hochwertige Nahrung ist nicht nur gesünder, sie schmeckt und sättigt auch besser, führt also per se zu weniger Fehlernährungsfolgen.

Wer argwöhnt, sie wollten eine „Lenkungssteuer zur Umerziehung der Bürger“ einführen, sei daran erinnert, wie seit Jahrzehnten massive Lenkungswerbung zugunsten finanziell günstigerem, aber gesundheitlich abträglichen Essen betrieben wird. Mit einer Fülle an unabhängigen wissenschaftlichen Studien kann man eine Argumentation in Richtung verbesserter Qualität unterlegen, und zweifellos stehen Ihrem Haus alle diese auch zur Verfügung.

Wir bitten Sie ausdrücklich Ihre Ideen und Konzepte weiter zu entwickeln.

2. Nun sind Sie zugleich Minister für alle Forsten, da immerhin zu den 50% landwirtschaftlicher Flächen noch weitere 20 % Forstflächen hinzukommen. Insofern vertreten Sie das bezüglich der Flächenzugriffe wichtigste Bundesministerium.

Leider arbeitet jedoch auch der Forst in vieler Hinsicht gegen die Natur, obwohl diese Fachgruppe die von Natur aus langlebigsten Ökosysteme zuallererst zu betreuen (sic) hätte. Diese Fokussierung auf Langlebigkeit erschließt sich daraus, dass (Forst und) Wald von Natur das Rückgrat der Biosphäre bilden – und wir Menschen sind ein Teil der Biosphäre.
Somit sind alle Grundbeiträge der Baumbestände weit über Klima-, Trinkwasser- und Bodenschutz hinaus unmittelbar für die Lebensqualität der Menschen wichtig, somit zu erhalten und möglichst naturnah zu gestalten. Das „möglichst naturnah“ folgt u.a. daraus, dass unsere aktuelle Forstwirtschaft über magere 200 bis 300 Jahre Erfahrung im Umgang mit Baumarten, Begleitarten, Böden etc. verfügt. Die Natur schöpft zu diesen Ökosystemen jedoch aus einer Erfahrung von 350 bis 400 Mill. Jahren Evolution, was sie zu den stabilsten Ökosystemen auf allen vegetationsfähigen Kontinenten der Erde werden ließ. Ohne Wälder gäbe es u.a. nicht die Böden, die wir allerorten nutzen. Insofern sollte die wirtschaftliche (Aus-)Nutzung einen sekundären Aspekt forstlichen Tätigseins bilden, doch nimmt dieser forstwirtschaftliche Bereich erkennbar den höchsten Stellenwert ein! Dass dabei leider auch beachtliche Fehlentscheidungen geschehen, zeigt u.a. die so genannte „Borkenkäfer-Kalamität“ der vergangenen Jahre: Sie geht auf eine überwiegend falsche, nicht standortheimische Baumartenwahl (Monotonie-Fichte/Douglasie/Kiefer) durch staatliche und private Forstwirte zurück. In der Öffentlichkeit wird diese Tatsache (die unter Fachleuten seit Jahrzehnten bekannt ist) nicht benannt oder sogar verschleiert. Viele MitbürgerInnen glauben, „der“ Borkenkäfer oder der Klimawandel mit Trockenheit oder Sturm sei am Sterben der gepflanzten, unnatürlichen Monokulturen Schuld.

Zur häufig einseitig wirtschaftlich betonten Baumartenwahl kommt beinahe deutschlandweit flächendeckend die Missachtung von Aufgaben des Gewässer-, Ökosystem- und Bodenschutzes, die sich prioritär aus der Bedeutung dieser Aspekte für eine auch ökologisch zu nennende Bewirtschaftung ergeben sollten. An Forsthochschulen werden seit Langem Bodenkunde und Klimakunde gelehrt und auf die Empfindsamkeit von Waldböden hingewiesen und dazu geforscht. Die Bedeutung des Bodenlebens ist u.a. für die natürliche Waldverjüngung, aber auch für Anforderungen an die Ökosysteme aus Sicht von Arten- und Lebensgemeinschaftsschutz gar nicht hoch genug zu bewerten. Bodenkundliche Forschungs-Institutionen wissen daher um den auch unter der „Holzbodenfläche“ ablaufenden Humusabbau, der höchst nachteilig für die gesamte Biosphäre ist. Humusabbau ist auf den agro-industriell benutzten 50% Deutschlands ein Effekt der jüngsten Nutzungsgeschichte, während die Humus-Neubildung sich höchst schwer tut – von den 20% Siedlungsflächen ganz zu schweigen. Da kann nicht mehr von Kohlenstoffspeicherung in den Böden gesprochen werden. Auf den für den Klimaschutz zwingend erforderlichen Erhalt aller noch intakten Torfmoore sei hier eindringlich hingewiesen!

Kohlenstoffspeicherung kann auch auf den Kahlschlägen nicht mehr erfolgen, weil die durch falschen Anbau verursachten „Kalamitätsflächen“ meist vollkommen beräumt werden, häufig einschließlich aller Wurzelstöcke. Dadurch werden die freigelegten Böden nach Verdichtung durch tonnenschwere Räumungsmaschinen der unerbittlichen Sonne und Austrocknung an den nun ungeschützten Standorten ihre Kohlenstoffspeicherfunktion verlieren. Das sind nachteilige Auswirkungen, die Jahrzehnte der Heilung bedürfen!

Wollen wir Kohlenstoff-Rückhaltung und effektive Langzeitspeicherung, dann müssen wir dringend den Umgang mit dem Boden ändern! Was dazu erforderlich ist – es ist alles bekannt, und Literatur belegt es reichlich!
Wir umreißen ein Maßnahmenpaket und bitten herzlich darum, dies bei ihren weiteren Überlegungen und Konzepten der Landnutzung zu berücksichtigen. Jeder Einzelaspekt kann durch Literatur und praktische Erfahrungen derer belegt werden, die alternative Methoden der Waldpflege und Nutzung praktizieren. Alle genannten Maßnahmen sind mit Blick auf den Klimawandel von höchster Priorität! Es muss wieder wichtig werden, auf die Methoden zu achten, mit denen wir die Natur nutzen, und es gilt nur noch jene einzusetzen, die die Naturgüter pfleglich und konstruktiv behandeln. Z.B. wurde aus Ostasien bereits um 1910 bekannt, dass Böden und Ertrag durch eine angemessene, sogar intensive Nutzung fruchtbarer gemacht werden können (KING 1911).

Unser vorgeschlagenes Maßnahmenpaket, bezogen auf die Waldflächen des Bundes, der Länder, der Städte und Gemeinden sowie des Privatwaldes, lautet konkret:

Die Forsten des Bundes, der Länder, der Städte und Gemeinden sowie des Privatwaldes

  • entwickeln, nutzen und pflegen ausschließlich standortheimisch zu entwickelnde Waldgesellschaften (anstelle künstlicher Forstbestände ohne oder mit nur fragmentarischem Ökosystemcharakter)
  • alle Maßnahmen erfolgen ab sofort unter Vermeidung von Kahlschlägen einschließlich von Kleinkahlschlägen, die z.T. wie beispielsweise im Auwald Leipzig/Sachsen, unter dem forstlich sehr klar definierten Begriff „Femelloch“ getarnt werden (im Raum Leipzig konnten durch diese Begriffsverwirrung sogar anerkannte Naturschutzverbände zu Befürwortern der naturfernen, großflächigen Eingriffe überredet werden).
  • Die Verjüngung aller Bestände wird ab sofort auf Naturverjüngung resp. Saat umgestellt. Die dazu ggfs. erforderlichen Kleingatter sind Bestandteil dieser pfleglichen Methoden, die mit Auflichtungen unter 10 x 10qm auskommen. Es ist lokalspezifisches Saatgut einzusetzen, und wo mit Blick auf den Klimawandel gebietsfremde Baumarten als künftige Holzlieferanten ausprobiert werden sollen, ist zugleich darauf zu achten, dass die regionale Eigenart und Schönheit der standortheimischen Bestände in Bezug Landschaftsbild und Vielfalt (= Biodiversität!) keinen Schaden leidet.
  • gebietsfremde Baumarten scheiden für den Anbau in Schutzgebieten wie FFH-Gebieten, Naturschutzgebieten und Nationalparken grundsätzlich aus.
  • Es wird dringend empfohlen, alle Baumbestände/baumreiche Lebensgemeinschaften an Feuchtgebieten – Sümpfe, Moore und Auen – einem besonderen Schutz zu unterstellen. Diese Bestände sind klimatologisch von herausragender Bedeutung für Landschaftskonnexe, etwa der Ausmaße der Oberrheineben oder der naturnahen bis naturfremden Nutzlandschaft im Umfeld großer Städte. Ein Modellraum hierzu ist u.a. die Stadt Leipzig und ihr Umland in Nordsachsen, der diesbezüglich bisher vollkommen unzureichend erkannt und daher gesamtökologisch und gesellschaftlich defizitär genutzt wird.
  • Der besondere Schutz von Feuchtgebietstypen betrifft Moore und vor allem die immer noch rund 5 bis 10% Deutschlands umfassenden Auen mit ihren potenziellen Forsten und Auenwiesen. In manchen Auengebieten liegen die Verluste naturnaher Ökosysteme bei bis zu 100 %, indem Auenwiesen in Äcker und Forsten umgewandelt wurden. Diese Ökosysteme sind zudem durch wasserbauliche Maßnahmen meist sehr stark geschädigt und daher bezüglich ihres Wasserhaushalts und ihrer wichtigen Funktion als Trinkwasserreservoire zu revitalisieren, mindestens jedoch zu renaturieren. Herkömmlicher, rein auf Holzertrag zielender Forstbetrieb, ist in diesen Lebensräumen bis auf Weiteres einzustellen. Bereits der o.g. klimatologische Effekt standortheimischer Auenwälder rechtfertigt diese Maßnahme. Erneut ermöglicht wird der für diese Ökosysteme typische Dienst zugunsten Qualität und Quantität der Grundwasservorräte, als Hauptfaktor einer für Menschen nutzbaren Natur, der unseres absoluten Fokus bedarf. Die Hiebsruhe in allen Auenwäldern kann im Verlauf kommender Jahrzehnte gebietsweise und unter sehr speziellen pfleglichen Methoden wieder in holzwirtschaftliche Nutzung genommen werden, wenn ein langjähriges Monitoring die Regeneration der Bestände im gesamtökologischen Blickumfang nachweist und eine Abstimmung der ggfs. wieder möglichen Holzentnahme mit den Anforderungen dieser bekanntlich besonders empfindlichen Ökosysteme zweifelsfrei beschieden wird.
  • Es stünde der Forst- und der Landwirtschaft gut an, nach nunmehr bald 150 Jahren getrennter Landnutzung die Kooperation über Wiese-Wald-Weide / Hutelandschaftpflege sukzessive wieder zuzulassen. Im Rahmen solcher Vorhaben können auch Agro-Forestry-Systeme eingeführt werden, zu deren Entwicklung und Nutzung Deutschland weitgehenden Nachholbedarf hat.

Zusammenfassend nennen wir die umfassende Relevanz von naturnahen Wäldern für die Leistungsfähigkeit der Biosphäre

  • Ausgleich klimatischer Extrema, wie Temperaturverlauf, Windzugriff, Zugriff durch Niederschläge (Regen/Hagel/Schnee)
  • U.a. Temperatur-Ausgleich in der Landschaft, als ein wesentlicher Beitrag zur Erträglichkeit des Klimas in Ballungsräumen mit hohem Grad der Bodenversiegelung
  • Sauerstoff-Freisetzung durch Photosynthese – u.a. in Ballungsräumen essentiell
  • Kohlenstoffbindung – die umso effektiver wird, je weniger die Böden mechanisch belastet werden. U.a. scheiden Einsätze von Harvestern, Herstellung von Kahlschlägen und Vollumbruch nach Kahlschlag oder Kalamität vollständig aus. Wir brauchen die 20% „Holzbodenfläche“ in Deutschland so naturnah und artenreich es geht, weil absehbar das Forst-Resort schneller reagieren wird, als die durch mehrfache Anspruchsträger komplexere Umstellung der Landwirtschaft auf deren 50%igem Bundesflächenanteil es erwarten lässt.
  • Trinkwasser-Neubildung und Wiederherstellung von Trinkwasser-Ressourcen durch den sofortigen Stopp der Infiltration von anorganischen Düngestoffen und innert fünf Jahren umzusetzendes endgültiges Moratorium des Einsatzes organischer Biozide. Dies ist höchst vorrangig, denn es wird Jahrzehnte dauern, bis die notwendige Wirksamkeit soweit gediehen ist, dass infolge Vergiftung aufgegebene Trinkwasserbrunnen wieder für die menschliche Nutzung gefahrlos in Betrieb genommen werden können.

Hier finden Sie den Öffentlichen Brief als Download

Dieser Beitrag wurde unter Aktuelles veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.