Warum diese Liebe fürs Geschiebe?

Ein naturnaher Fluss: die Mulde bei Dessau Juni 2020. Foto: J. Hansmann

Ein Beitrag aus dem Aueninstitut für Lebendige Flüsse

In diesem kleinen Beitrag wollen wir einmal kurz erklären, warum wir stets und ständig soviel Wert darauf legen, dass bei Renaturierungs- sowie Revitalisierungsprojekten auch das Geschiebe und das Treibgut in den Fließgewässern berücksichtigt werden müssen.

Flüsse und Bäche gibt es schon länger, als es Menschen gibt. Seit es erkaltetes Festland auf der Erde gibt, gibt es Fließgewässer und es entstanden die erste Ur-Auenlandschaften! Wo es regnet und Wasser von Felsen abfließt oder in die jungen Sedimente einsickert, tritt es an anderer Stelle an einer oder oft sogar mehreren Quellen wieder aus.1 Das Wasser fließt in Abhängigkeit vom Neigungswinkel des Geländes in gestreckten, gespaltenen oder mäandrierenden Gerinnen. 2 3 4

Geschiebe in der Weißen Elster in Leipzig Juli 2019. Foto: J. Hansmann

Während das Wasser dem Gefälle entsprechend bergab fließt, nimmt es Abrieb vom Untergrund mit, d.h. das fließende Wasser wirkt erodierend. Kleinere Teile des Untergrunds werden vom Wasser mittransportiert, die ihrer Korngröße entsprechend als Felsblöcke, Steine, Kiese, Sande, Lehm und Ton definiert sind.5 Viel und schnell fließendes Wasser transportiert große Teile, je langsamer das Wasser fließt, umso mehr reduziert sich die Korngröße auf Lehm und Ton! Diese erodierten Teile werden in den Gerinnen und Auen der Fließgewässer an geeigneten Stellen als Sedimente zeitlich befristet zwischengelagert und gelangen schließlich in die Meere.

Natürliche Gewässer gleichen sich weltweit, weil überall auf der Erde die Physik gleich ist. Die mitgeführten Sedimente selbst wirken übrigens auch auf den Lauf des Wassers ein, denn sie werden zeitweilig Hindernisse, die das Wasser zu Umwegen bringen! Umgekehrt wirkt der Lauf des Wassers auf die Sedimente ein.6

Die Gestalt der Gerinne eines lebendigen, nicht technisch kontrollierten Flusses, wird auch durch pflanzliche und tierische Reste, vor allem durch Zweige, Äste und manchmal ganze Bäume beeinflusst. Äste und Baumstämme bilden sogar oft die Initiale von Inseln aus Lehm, Sand und Kies, weshalb man bspw. an der Donau bei Wien manche Silberweiden-Inseln als „Haufen“ bezeichnet.

Genist in den Zweigen einer Weide an der Elbe bei Aken ca. 2003. Foto: J. Hansmann

Sobald aus den Gerinnen Wasser in die Auenfläche übertritt, werden häufig ganze „Decken“ aus Laub, Ästen und Stämmen vom flächigen Abfluss erfasst und oft viele Kilometer flussabwärts verdriftet. Die Decken aus Laub und feinem Geäst werden als Genist bezeichnet. Diese Geniste bieten einen sehr speziellen Teilzeit-Lebensraum, der Auen eine Sonderstellung verleiht – es gibt sie nur in lebenden Auen! Auf dem Treibgut und den Genisten können durch das Wasser jede Menge Organismen wie in einem Schiff oder wie auf einem Floß durch die Welt transportiert werden. Diese Organismen können sich dadurch auch weiter verbreiten, als es ihnen sonst möglich wäre. Für alle europäischen Auen sind die Geniste von großer Bedeutung, bspw. für Muscheln und Schnecken, Kerbtiere und sogar Lurche, Reptilien und Kleinsäuger. Wer also einen Auenstandort erkennen möchte, sucht nach der Gefälle-typischen Gerinnestruktur, der Sedimentvielfalt, der Zonation von Pflanzen- und Tierwelt sowie nach – Genisten!7

Genist und Treibgut an der Elbe bei Aken ca. 2003. Foto: J. Hansmann

Einen natürlichen Fluss können wir immer an der Menge der umherliegenden Zweige, Äste und Baumstämme in und um den Fluss erkennen, welche durch Wasser verdriftet wurden! Für die Entfaltung der Natur dürfen wir dieses Material fantastisch nennen, denn Kies- und Sandbänke bilden genauso wie Inseln und Zweige, Äste und ganze Baumstämme eine Vielzahl von Lebensräumen für zahlreiche Organismen.8 Durch die Um- und Ablagerung der Sedimente werden überdies im Boden vielfältige und wertvolle Prozesse angestoßen. Dabei bilden sich spezifische „Auenböden“, und an deren Zustand kann schnell erkannt werden, ob es sich um eine intakte oder um eine subfossile Aue handelt. Die Auenböden der Flussniederung bei Leipzig zeigen bspw. allerorten die Stagnation der Aue an.9

Kiesheger an der Mulde bei Bad Düben August 2021. Foto: J. Hansmann

Diese Prozesse der Sediment- und Treibgutumlagerung an und in Flüssen finden schon seit Urzeiten statt und es ist daher verständlich, dass wir weltweit sehr spezifisch fließwasser-typische Anpassungsstrategien wie u.a. die Schwimm-, Tauch- und Kletterbefähigung, die bei Nicht-Auen-Lebewesen nicht oder nur rudimentär ausgebildet sein können, an auenbewohnenden Organismen beobachten können.10 Durchweg fallen Auen durch ihren Artenreichtum auf und bilden oft einzigartige Lebensräume für eine Vielzahl von teilweise stark bedrohten Arten.11

Auenlandschaften zeichnen sich durch gebietstypische Schwankungen der Ökofaktoren aus und halten sich als Auengefüge trotz dieser Schwankungen bei Bestand. Man kann diese von Natur aus sehr variablen Ökosysteme als „resilient“ bezeichnen. Ihren Charakter als Auenwälder beginnen sie erst einzubüßen, wenn der Wasserhaushalt durch zu viele Jahrzehnte gestört ist. In der ökologischen Resilienz ist jedoch begründet, dass sie noch Jahrzehnte nach den äußeren Veränderungen wieder renaturierbar resp. oft sogar revitalisierbar sind – wie es auch für das Auensystem Leipzig gilt!

Betonelster

Betonelster bei Leipzig 2021: weit entfernt von einem natürlichem Fluss. Foto: J. Hansmann

All diese uralten und eminent wichtigen Prozesse stören wir Menschen seit Jahrhunderten, insbesondere seit dem 19. Jahrhundert und noch immer stören wir diese Prozesse in immer weiterreichendem Maße! Wir sollen uns also nicht über den schlechten Zustand der Fließgewässer oder über das „unerwartete“ Absterben von Beständen in einem Auwald wundern. Ein schlechter „Zustand der Fließgewässer“ kommt vor allem durch baulich bedingte Abweichungen von natürlichen Ufer- und Sohlenstrukturen sowie durch „schlechte“ Wassergüte zustande, wobei Letztere vor allem durch unzureichende Abwasserklärung in menschlichen Siedlungen entsteht, so dass unsere Flüsse zum Himmel stinken, wie bei Leipzig der Floßgraben unterhalb des Zustroms der Kläranlage Markkleeberg und die obere Neue Luppe beim Zustrom der Abwässer aus Leipzigs Großkläranlage im Rosental. Beide unangenehme Situationen sind heutzutage durch geeignete Technik vermeidbar!

Wenn Sedimentations- und Treibgutprozesse unterbunden werden, passiert aber noch Schlimmeres. Ohne dieses Material vertieft sich die Sohle der Flüsse und indem die Flüsse immer schneller fließen, drainieren sie die Landschaft, deren Segen sie zuvor waren! Ein Fluss wird also aus sich heraus drainierend wirken, wenn ihm der Sedimentbewegung und das Treibgut fehlen!

Zeichen eines gestörten Systems: Sedimententnahme am Elsterbecken in Leipzig Oktober 2018. Achtung: weder Sediment noch Treibgut werden in Leipzig wieder in die Flüsse zurück gebracht, sondern entsorgt. Foto: J. Hansmann

Andernorts hat man solches schon erkannt und berücksichtigt auch Sediment und Treibgut bei Flussrevitalisierungen. Wo es aus baulichen Gründen schwierig ist, auentypische Dynamik wieder zuzulassen, entnimmt man das Geschiebe bspw. an einer Stelle und bringt es an einer anderen Stelle wieder ein.12 Aber mit Verlaub, wir nennen das dämlich! Immerfort das Geschiebe an einer Stelle zu entnehmen, umherzufahren und an anderer Stelle wieder einzubringen ist keine brauchbare Lösung für die Zukunft, u.a. des Energieverbrauchs wegen! Man kann die Abflussprobleme so beseitigen, dass der Fluss diese Prozesse wieder (wie vor den wasserbaulichen Eingriffen) allein bewältigen kann. Die Landschaft der Aue wird dann wieder so, wie Flüsse sie schon seit Urzeiten geprägt haben, und das allein durch die Schleppkraft des Wassers – und dabei ist es kein Problem, gleichzeitig fest überbaute Siedlungsbereiche vor Hochwasser zu schützen.

Hier in Leipzig wurde eine Weide April 2018 entnommen, weil sie vielleicht in die Weiße Elster hätte fallen können. Foto: J. Hansmann

In Leipzig gibt es eine Fülle an Potenzial der Wiederbelebung der Auen, doch bis heute wird dies alles leider nicht wirklich berücksichtigt. Es ist sehr offenkundig, es zeigt jeder Plan oder jede Darstellung im Internet oder Vortrag: Bei den zu klein geplanten Renaturierungsprojekten der „Lebendigen Luppe“, der Paußnitz usw. denkt man gar nicht an das Geschiebe, und Treibgut wird überdies regelmäßig hurtig aus allen Flüssen und Bächen entfernt, weil man dies eben so macht seit dem 19. Jahrhundert. So wurde nach einem Herbststurm 2021 aus dem Batschke-Floßgraben schnell auch jeder Baum und jedes größere Zweiglein herausgefischt, damit die Paddelboote auch ja in keiner Weise beeinträchtigt werden. Ebenso entlang der Weißen Elster, der Pleiße und selbst der Parthe (wo nicht mal jemand mit dem Boot langpaddelt), wird bisher nahezu jeder Baum, der im Sturm mal hineinfällt oder welchen ein Biber gefällt hat, früher oder später herausgefischt, weil – ja warum eigentlich? Im Leipziger Auensystem wird dabei sogar noch weit entfernt von Wehren, wichtigen Brücken etc., regelmäßig alles größere Totholz entnommen. Warum? Es macht weder zur Gewässerstabilisierung noch zur Wiederbelebung der Biodiversität einen Sinn!

Auch diese Eiche in der Pleiße in Leipzig wurde schnellstens entfernt und in Einzelteile zerlegt am Ufer abgelegt (Aufnahmedatum März 2018). Foto: J. Hansmann

Einerseits ist es gerade im Umfeld von Wehren, Brücken und anderen wasserwirtschaftlichen Anlagen sogar nachvollziehbar, dort bspw. größere Baumstämme zu entfernen, da diese durchaus solche Anlagen beeinträchtigen können. Aber Achtung: unsere Fließgewässer sind viel zu stark verbaut und bei einer Vielzahl solche Anlagen wäre es zu überprüfen, ob man diese noch braucht oder ob man nicht endlich Gewässer und Aue revitalisierende Lösungen anstreben kann? Es gibt reichlich Vorbildprojekte aus Deutschland , die direkt auf Weiße Elster, Pleiße, Parthe und das Luppendelta übertragen werden können!

Unsere Gesetze zur „Regulation“ von Gewässern sind über Jahrzehnte bis Jahrhunderte gewachsene Konstrukte. So gibt es ein bundesweites Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts13 sowie auch ein eigenes Wassergesetz je nach Bundesland, für Sachsen gibt es so das Sächsische Wassergesetz.14

Laut §40 des bundesweiten Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushaltes heißt es :

„Die Unterhaltung oberirdischer Gewässer obliegt den Eigentümern der Gewässer, soweit sie nicht nach landesrechtlichen Vorschriften Aufgabe von Gebietskörperschaften, Wasser- und Bodenverbänden, gemeindlichen Zweckverbänden oder sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts ist.“

In §39 wird auch geklärt, was unter Unterhaltung zu verstehen ist:

„(1) Die Unterhaltung eines oberirdischen Gewässers umfasst seine Pflege und Entwicklung als öffentlich-rechtliche Verpflichtung (Unterhaltungslast). Zur Gewässerunterhaltung gehören insbesondere:

  1. die Erhaltung des Gewässerbettes, auch zur Sicherung eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses,
  2. die Erhaltung der Ufer, insbesondere durch Erhaltung und Neuanpflanzung einer standortgerechten Ufervegetation, sowie die Freihaltung der Ufer für den Wasserabfluss,
  3. die Erhaltung der Schiffbarkeit von schiffbaren Gewässern mit Ausnahme der besonderen Zufahrten zu Häfen und Schiffsanlegestellen,
  4. die Erhaltung und Förderung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers insbesondere als Lebensraum von wild lebenden Tieren und Pflanzen,
  5. die Erhaltung des Gewässers in einem Zustand, der hinsichtlich der Abführung oder Rückhaltung von Wasser, Geschiebe, Schwebstoffen und Eis den wasserwirtschaftlichen Bedürfnissen entspricht.

(2) Die Gewässerunterhaltung muss sich an den Bewirtschaftungszielen nach Maßgabe der §§ 27 bis 31 ausrichten und darf die Erreichung dieser Ziele nicht gefährden. Sie muss den Anforderungen entsprechen, die im Maßnahmenprogramm nach § 82 an die Gewässerunterhaltung gestellt sind. Bei der Unterhaltung ist der Erhaltung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts Rechnung zu tragen; Bild und Erholungswert der Gewässerlandschaft sind zu berücksichtigen.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für die Unterhaltung ausgebauter Gewässer, soweit nicht in einem Planfeststellungsbeschluss oder einer Plangenehmigung nach § 68 etwas anderes bestimmt ist.“

Also muss der Besitzer, die Kommune oder das Land dafür sorgen, dass

  • das Wasser ordnungsgemäß abfließen kann,
  • die Ufer freigehalten werden sollen, damit das Wasser „besser“ abfließen kann, und
  • der Zustand des Gewässers primär den „wasserwirtschaftlichen Bedürfnissen entspricht“.

Hier wurden Januar 2022 an der Parthe in Leipzig Weiden gefällt, die zu tief in den Fluss hingen. Meinte man seitens der LTV, es wären zuviele Sitzwarten für den Eisvogel? Oder hatte man Angst, dass die Feuchtwiesen dort hätten überflutet werden können? Foto: J. Hansmann

Schon der Begriff „ordnungsgemäß“ hat es in sich! Eine Gesellschaft, die sich in die Natur einfügt, wird „ordnungsgemäß“ als alles bezeichnen, was der Fluss durch Dynamik und Zonenbildung von Natur aus hervorbringt – und wodurch er der menschlichen Besiedlung natürliche Grenzen setzt, die im Interesse der Anwohnenden beachtet werden – dann wird es nicht zu Hochwasserschäden kommen! Unsere Gesellschaft hat sich dementgegen darauf verlegt, dem Gewässer eine Ordnung vorzuschreiben, die gegen Gesetze der Natur verstößt, u.a. gegen solche der Strömungsdynamik und des Feststoffstransports von Wasser! Konsequenterweise kommt es vor allem an diesen „ausgebauten“ Flüssen zu Schäden bis hin zu talweiten Katastrophen, wie im 19. Jahrhundert an der sächsischen Gottleuba und jüngst sehr aktuell u.a. an der Ahr im nördlichen Rheinland-Pfalz.

Freut sich über jeden Baum und Ast, der in einen Fluss oder Bach fällt: der Eisvogel. Leipzig, Rosental, August 2019. Foto: J. Hansmann

In Zeiten, wo es eigentlich eher ratsam wäre, das Wasser in der Landschaft zu halten, möchten also Gesetze lieber, dass das Wasser schneller aus der Landschaft fortfließt. Aha! Seit einigen Jahren wird uns ein Klimawandel bewusst. Allein deshalb gilt es, die Auen wieder zu beleben, denn das auentypische Wasserregime kühlt und reguliert das Klima der Landschaft im Umfeld der Auen! Warum tut man sich in Leipzig bei der Zukunftsgestaltung des Ratsholzes und der Nordwestaue so schwer?

Zurückgeschnittene Weiden und Treibgut wurden Januar 2022 aus der Parthe in Leipzig entfernt – wo bestand die Gefahr? Hätte sich ein Stau gebildet, wären geschützte Feuchtwiesen überflutet worden. Hinterher wurde das Ufer anscheinend noch geharkt. Foto: J. Hansmann

Immerhin ist in unseren Gesetzen oft fixiert, dass die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts auch berücksichtigt werden sollen, aber die Schizophrenie, die beim heutigen Umgang mit unseren Gewässern zutage kommt, ist hier bereits festgelegt. Das liegt auch daran, dass wir Menschen schon jeher das Land an den Flüssen und Bächen anders nutzen wollen, als wir es nutzen sollten und es ja von vielen Landbesitzern auch gewünscht ist, die Fließgewässer statisch und geregelt zu halten. Dennoch lässt das Gesetz genug Spielraum, um hier Kompromisse zu finden zwischen bspw. einem „ordnungsgemäßen Wasserabfluss“ auf der einen und einer natürlichen Sedimentations- und Treibgutdynamik auf der anderen Seite.

Auch das Sächsische Wassergesetz schreibt vor, dass „feste Stoffe“ aus einem Gewässer entfernt werden sollen, es heißt aber auch „soweit es im öffentlichen Interesse erforderlich ist, um den Gemeingebrauch zu erhalten“.

„(1) Die Unterhaltung der Gewässer umfasst neben den Pflichten des § 39 Abs. 1 WHG insbesondere auch die Verpflichtung,

  1. die Ufer in naturnaher Bauweise zu sichern; die Gewässerrandstreifen zu diesem und den in § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG genannten Zwecken natürlich zu gestalten und zu pflegen, soweit dies nicht nach § 24 Abs. 2 Satz 2 erfolgt,
  2. die landeskulturelle Funktion der Gewässer zu erhalten oder wiederherzustellen,
  3. die Belange der Fischerei zu berücksichtigen,
  4. feste Stoffe aus dem Gewässer oder von seinen Ufern zu entfernen, soweit es im öffentlichen Interesse erforderlich ist, um den Gemeingebrauch zu erhalten,
  5. Wühltiere, die die Standsicherheit von Uferböschungen, Deichen und Dämmen beeinträchtigen, zu bekämpfen; die Regelungen des Artenschutzes und zur Bekämpfung des Bisams bleiben unberührt, und
  6. bei ausgebauten Gewässerstrecken den Ausbauzustand zu erhalten, sofern nicht etwas anderes bestimmt ist; die zuständige Wasserbehörde soll den Umfang der Unterhaltung einschränken, wenn sie die Erhaltung des durch den Ausbau geschaffenen Zustands nicht mehr für notwendig hält.“

Also wird hier theoretisch durchaus beschrieben, dass es seitens des für die Unterhaltung eines bestimmten Gewässers oder eines Gewässerabschnitts Zuständigen möglich ist, fallweise zu entscheiden, ob bspw. ein Baumstamm o.Ä. in einem Fluss oder an einem Flussufer liegen bleiben kann oder nicht. Die Gesetze bieten also offenbar unseren Gewässern mehr naturnahen Spielraum, als er seit Jahrzehnten gewährt wird.

Kurzer Prozess: die Weide war nicht mal umgestürzt, aber offenbar bestanden Bedenken wegen der Standsicherheit? Möckern, Leipzig, Februar 2020. Foto: J. Hansmann

Bis heute erleben wir, dass man in Sachsen dazu tendiert, bspw. mehr Treibgut und Geniste zu entnehmen, als für die Betriebssicherheit der gebauten Gewässer sein müsste. So werden alljährlich auch größere Weiden gekürzt oder gefällt, wenn sie an einem Uferbereich Richtung Wasser anbrüchig werden könnten – selbst wenn die nächste Brücke oder das nächste Wehr noch ein gutes Stück weit weg liegen. Man ist eben sehr ordentlich – aber bezogen auf die Potenziale der Natur, die auch den Menschen dienen, ist man diesbezüglich auf naturstörende Art zu ordentlich! Die so genannte „Betriebsssicherheit“, d.h. ihre Hochwassersicherheit der Gewässer lässt sich durch Rückbau kanalisierter oder regulierter Gewässerstrecken verbessern und zugleich die Ökologie der Aue fördern!

Wir fassen zusammen, was nun auch für das Auensystem Leipzig an der Zeit ist:

  • Alle Fließgewässer schnellstmöglich umfassend revitalisieren, mindestens zu renaturieren, wo immer dies möglich ist, v.a. unter Beachtung der Parameter Treibgut und Geschiebe!
  • In allen dafür möglichen Teilen des Leipziger Auensystems soll die Geschiebedynamik und auch die Treibgutdynamik überall dort zugelassen werden, wo es möglich ist. WICHTIG: Bei größeren Brücken und derzeit noch wichtigen wasserwirtschaftlichen Anlagen möge man aktiv werden, um die möglichen umfassenden Planungen alsbald auszuführen und umzusetzen! Man kann bspw. Brücken auch so bauen, dass sie Naturdynamiken zulassen!
  • Das kosmetische Beräumen von Fließgewässern und deren Ufern fernab von wasserwirtschaftlichen Anlagen ist überflüssig, für die Fließgewässer und ihre Lebensgemeinschaften kontraproduktiv und kann sofort eingestellt werden.

Prof. Dr. Bernd Gerken, Johannes Hansmann


1  https://de.wikipedia.org/wiki/Quelle

B. Gerken: „Auen: Bedrohte Lebensadern der Natur“, Freiburg im Breisgau

http://biberhandbuch.de/Biberhandbuch_Broschueren/Totholz_bringt_Leben_in_Fluesse_und_Baeche.pdf

So verdankt die Stadt Leipzig ihr Trinkwasser u.a. grundwasserführenden pleistozänem Muldeschotter ua. bei Naunhof http://landschaften-in-deutschland.de/themen/78_B_157-wasser-fuer-die-stadt/

10  Bspw. Köcherfliegen, Steinkrebse, aber auch eine Vielzahl von Fischarten usw. usf.

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