Immer wieder interessant, was so in der Zeitung steht: Esche und Ahorn – wo die Natur keine Probleme hat, sollten wir Menschen uns keine machen!

Im Leipziger Rosental im Oktober 2021. Foto: J. Hansmann

Anmerkungen zu einem Artikel in der LVZ vom 29.12.21

Ein Beitrag aus dem Aueninstitut für Lebendige Flüsse

Gegen Ende des letzten Jahres fiel uns in der Leipziger Volkszeitung ein Artikel auf, den wir sehr interessant fanden. Der Titel des Artikels lautet “Leipzigs Stadtförster: ‘Mehr als jeder zweite Baum ist schon krank'”. Da möchte man doch gleich den Kopf einziehen und nicht mehr das Haus verlassen, wenn es dort so von Kranken wimmelt! Aber dennoch – ja! Das Klima verändert sich, und ja, auch Bäume werden dadurch geschwächt, werden krank und sterben stellenweise sogar ab. Mancherorts mehr, mancherorts weniger. Relevant sind doch aber die Details, bspw. welcher Baum wo und wie krank wird und wieso – denn aus der Beantwortung dieser grundlegenden Fragen könnten sich Lösungen ergeben!

Der Artikel will vor allem die Situation in Leipzig beleuchten – gut! Wir fassen uns kurz: laut dem Artikel geht es den Eichen im Auwald verhältnismäßig gut, auch wenn es den Eichen auf den anderen, trockeneren Standorten etwas schlechter geht, aber das ist nachvollziehbar. Die Trockenjahre waren auf jeden Fall eine Belastung. Immerhin brachte 2021 schon mit etwas mehr Regen erfreulicherweise Besserung.

Dann heißt es aber in dem Artikel: „Bei den anderen Hauptbaumarten im Auwald sehe es allerdings düster aus. Nahezu alle Ahorne seien von der Rußrindenkrankheit infiziert. Diese habe bislang immer zum Tod des Baumes geführt. Besonders ältere und stärkere Ahorne seien in größerem Umfang abgestorben oder gerade dabei.“

Aber ist Ahorn überhaupt typisch für den Auwald?

Es gibt zahlreiche Publikationen über den Leipziger Auwald, und eines kann man in fast allen lesen: der Leipziger Auwald wäre eine Hartholzaue, in welcher die typischen Baumarten Stieleiche, Esche und Ulme (Feldulme, Flatterulme, Bergulme) sind. Natürlich kommen auch noch zahlreiche weitere Baumarten im Auwald vor, einige der für unsere Leipziger Aue eher etwas untypische Baumarten sind aber Bäume der Gattung Ahorn, also Berg-, Feld und Spitzahorn. Den Feldahorn könnte man hier noch als am auentypischsten bezeichnen).1 2 3 4 5

Bäume wie Bergahorn und Feldahorn können dennoch durchaus am Rand einer Tiefland-Aue oder auf seltener überfluteten Stellen in dieser vorkommen (bspw. auf einer Insel), sie sind aber dennoch nicht besonders prägend für einen Auwald.6

Es sei hier zudem darauf hingewiesen, dass im Auwald der Bergahorn in der Vergangenheit sogar forstlich gefördert worden ist, v.a. nachdem man die Flüsse ausgebaut hatte und der Auwald trocken lag. Das damalige forstliche Personal setzte in dieser Situation schlicht auf diese Baumart als zukünftigen Holzlieferant.7 8

Abgestorbener Bergahorn im Leipziger Rosental im Mai 2021. Foto: J. Hansmann

Warum sind die Ahorne nicht besonders charakteristisch für unseren Auwald? Sie brauchen einen gut belüfteten Boden, wohingegen der Leipziger Auwald große Anteile feinerdigen Bodens aufweist. Weiterhin ertragen Bäume der Gattung Ahorn längere Überflutungen nicht und sterben bei längeren Überflutungen infolge Sauerstoffmangel im Wurzelsystem schnell ab.9 10 Längere Überflutungen würden aber im Leipziger Auwald auftreten, wenn er standortökologisch eine intakte Aue sein dürfte. Wir wissen alle, dass es aber nun seit Jahrzehnten hier schon keine regelmäßigen Überflutungen mehr gibt – weil wir Menschen diese mit brachialen technischen Methoden einfach verhindern! Es ist auch allseits bekannt, dass der Leipziger Auwald wieder mehr regelmäßige Überflutungen bekommen muss und soll und deswegen mit seinen Flüssen schnellstmöglich wieder revitalisiert werden muss. Wenn das nicht bald geschieht wird er seinen Ökosystemcharakter als Aue verlieren! Bis dahin sind Bäume der Gattung Ahorn, so sie in höherem Maße auftreten, schlicht ein Anzeiger dafür, dass die Aue gestört ist.11

Bergahorn auf der Mittelwaldfläche

Bergahorn auf der Mittelwaldfläche in der Leipziger Burgaue 2021. Foto: J. Hansmann

Ganz ungeachtet der fehlenden Überflutungen kommen Bergahorn und Spitzahorn auffällig v.a. auf durch Menschen auch auf andere Weise gestörten Standorten vor! Hier zeigen die beiden Ahorn-Arten auch an, wo ein durch Menschen verursachter besonderer Stickstoffreichtum herrscht (bspw. durch Verkehr, Landwirtschaft, aber auch auf größeren Kahlschlägen. Dazu gehören auch die so genannten „Lochhiebe“, die in Leipzig auf Kahlschlaggröße erweitert wurden sowie die so genannte Mittelwald-Versuchsfläche in der Burgaue).12 13

Man kann es einem Ahornbaum auf jeden Fall nicht zum Vorwurf machen, dass er nun in einer trocken gefallenen Aue die Gelegenheit ergriffen hatte und sich dort vermehrte, wo man ihn nicht sogar einst angepflanzt hatte! Diese „Verahornung“ ist Ausdruck der fortgesetzten Störungen durch den Menschen! Abgesehen davon Achtung – auch von den derzeit keimenden Jungpflanzen wird nicht jede ein großer Baum werden, dafür sorgen schon Gegebenheiten wie die intraspezifische Konkurrenz, natürliche Differenzierung und Stammzahlabnahme durch natürliche Mortalität.14

Gerade in einer gestörten Aue können an sich auenuntypische Arten dennoch eine wichtige Zwischenrolle zur Erhaltung eines Waldklimas spielen und auch den Waldboden schützen – und somit dürfte auch Ahorn in dieser Ausnahmesituation durchaus einen Sinn in der Lebensgemeinschaft Wald erfüllen. Wenn aber nun Ahornbäume im Auwald jüngst auffallend an einer Pilzkrankheit sterben, so kann dies möglicherweise auf die Dürre im Rahmen des Klimawandels zurückzuführen sein. Ein sicheren Zusammenhang zwischen gewissen Umweltveränderungen und Baumgesundheit herstellen zu wollen ist angesichts der komplexen Wechselwirkungen in Ökosystemen allerdings nicht so einfach möglich wie in einer Monokultur.

Für Ökosysteme ist es typisch, dass durch sterbende Bäume entstehende Lücken oft sehr schnell durch eine oder mehrere andere Baumarten geschlossen werden. Um zur weiteren Entwicklung der Waldungen Funktionszusammenhänge erkennen zu können, müssten wir mindestens gebietsweise beobachten, was dort nun passiert. Dazu müsste auf alle forstlichen Eingriffe verzichtet werden (Ausnahme sind stets Wegesicherungsmaßnahmen). Wir wissen vielerorts in Mitteleuropa so wenig über natürliche Dynamik von Wäldern, weil ständig eingegriffen wird und wir der Natur keine Chance geben, uns die von Natur aus am besten zu den Lebensraumbedingungen passenden Entwicklungen zu zeigen! Das ist der Grund, warum wir für den Auwald ein mindestens zehnjährigen Nutzungsstopp wünschen. Auch wenn die Nutzungspolitik im FFH-Gebiet „Leipziger Auensystem“ oder die geplanten Maßnahmen im Projekt „Lebendige Luppe“ dies nicht erkennen lassen, gehen wir dennoch davon aus, dass in naher Zukunft wieder Auenbedingungen eingeführt werden. Das wird dann die Situation dann zusätzlich nochmals gravierend verändern!

Weiden waren neben Ulmen und Pappeln früher übrigens weitaus charakteristischer für den Leipziger Auwald als heute. An der Parthe in Leipzig Februar 2020. Foto: J. Hansmann

Dennoch können wir uns darüber auch streiten, dass wir hier nun von Charakterbaumarten schreiben, aber der Begriff „Hauptbaumart“ meinte ja etwas anderes?15 So könnte man ja auch argumentieren, auch wenn in einem lebenden Auwald möglicherweise Stieleiche, Esche und Ulme die prägenden Charakter-Baumarten sein sollen, sind sie vielleicht ja momentan deswegen nicht die forstlichen Hauptbaumarten, weil der Auwald schon Jahrzehnte von seinen Flüssen getrennt ist und v.a. eben ständig forstlich eingegriffen wurde (siehe bspw. Aufforstungen mit Bergahorn). Forstliche Eingriffe selektieren ja nicht in erster Linie nach Standorteigenschaften sondern nach den Forderungen des Holzmarktes, welcher bspw. in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts ganz andere Wünsche hatte als heute. Wäre es anders, es gäbe in Deutschland nicht so viele Fichtenforsten, als wie sie jüngst den Borkenkäfern zum Opfer fallen konnten.

Vor allem, ist das denn noch alles so mit den Zahlen? Im „Vorbericht zur Forsteinrichtung des Forstbetriebes der Stadt Leipzig (Leipziger Stadtwald) für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2022“ aus dem Jahre 2012 sind für die Stadtwälder 16 folgende Baumarten (nach Flächenanteilen) als am häufigsten genannt: Stieleiche 19,4 % (216,4 ha), Gemeine Esche 35,7 % (398,4 ha) und Bergahorn 20,9 % (233,8 ha) usw.17 Aber ist dies jetzt, 10 Jahre später, eigentlich überhaupt noch so? Wie häufig sind die einzelnen Baumarten in der Oberschicht nun heute nach der dreijährigen Dürre? Wie wird es in 20 Jahren sein? Müssen die Anteile auf ewig so bleiben oder muss man sich überhaupt darum scheren, ob nun die Anteile des Bergahorns und der Esche sinken?

Waldlebensgemeinschaften einer Hartholzaue unterliegen einer raum-zeitlichen Wandlung, wobei sich ihre Artenzusammensetzung und Struktur durch die Flussdynamik im Idealfall ständig und vor allem nur bedingt vorhersehbar verändert. Dabei verändern sich auch stets die Baumarten-Anteile! Erhebungen an europäischen Auen haben gezeigt, dass eine oder mehrere „der eigentlich charakteristischen Baumarten“18 über einige Zeiträume nur in sehr geringen Anteilen vorhanden sein oder sogar ganz fehlen können. Vielleicht kommt genau aus diesem Grund die Esche bspw. in historischen Aufzeichnungen über den Leipziger Auwald nicht vor, so als hätte es sie vor einigen Jahrhunderten nicht einmal dort gegeben!19 Vielleicht gab es sie aber doch, allerdings nicht als Baum, der von forstlichem Interesse sein konnte! Eschen wurden in früheren Zeiten gern ausgiebig geschneitelt, da ihr Laub ein beliebtes Viehfutter war.20 Vielleicht aber waren auch die Standortbedingungen tatsächlich nicht passend für die Esche? Im Buch „Flora der phanerogamischen Gewächse der Umgegend von Leipzig“ von 1830 heißt es jedenfalls noch:

„Fraxinus. Esche… Dieser Baum ist bei uns wohl kaum einheimisch; aber um die Dörfer, an Hecken und in den Wäldern hier und da angepflanzt, im verschlossnen Holze, der Nonne u.s.w.“21

Esche im Leipziger Rosental Mai 2021

Esche im Leipziger Rosental Mai 2021. Foto: J. Hansmann

Und auch aus anderer späterer Literatur sowie anhand der Waldbilder vor Ort kann man erkennen, dass der hohe Anteil an Eschen im Leipziger Auwald im 19. und 20. Jahrhundert schlicht von uns Menschen so gemacht wurde. Dies bedeutet nicht, dass die Esche nicht in den Auwald gehört – nur kann man aus diesen Überlegungen ersehen, wie sehr die Baumartenzusammensetzung in einem Auwald schwanken kann, sei es durch Hochwasser, sei es durch menschliche Einflussnahme. Es sei auch zu überlegen, ob unsere Vorfahren beim flächigen Aufforsten von Eschen ungewollt waldbauliche Fehler gemacht haben könnten, welche nun dazu führen, dass in bestimmten Bereichen besonders viele Eschen abgängig sind.

Zum anderen ist nun aktuell betreffs der Hauptbaumarten eben durch die Ahorn-Rußrinden-Krankheit und das Eschentriebsterben so einiges im Umbruch – auch hieran kann man ersehen, wie schnell sich einstige Gewissheiten ändern können. Wer eben noch vielleicht gewünschte Hauptbaumart war, ist es nun nicht mehr – andere Arten werden die Lücken füllen, und welche dies sein werden, geben die Umweltbedingungen des jeweiligen Standortes vor. Vor allem sei beachtet, dass weder von Vegetationskundlern noch von Förstern der Einbruch bei Esche und Bergahorn vorhergesehen wurde. Es zeigt erneut, dass wir zu wenig vom Waldgeschehen verstehen!

Betrachten wir den Ausfall von Bergahorn und Esche doch einmal als Chance! So schreiben Engelmann et. al.:

Naturverjüngte Eichen in der Burgaue 2021. Foto: J. Hansmann

„Es findet so gut wie keine Naturverjüngung der Eiche statt. Auf den 60 Untersuchungsflächen, die in der gesamten Leipziger Nordwestaue verteilt sind, lässt sich nur sehr vereinzelt Eichenverjüngung im Unterwuchs finden. Diese Jungeichen werden selten größer als 30 cm. Von insgesamt 9.658 in der Strauchschicht untersuchten Individuen waren nur 14 Stiel-Eichen (Engelmann et al. 2020). Stattdessen dominieren mit einem gemeinsamen Anteil von 41,1 % die beiden schattentoleranten und standortfernen Ahornarten (Berg- und Spitz-Ahorn), die mit ihrem dichten Blattwerk den Waldboden abdunkeln. Die für die Eichenverjüngung notwendigen 20 % bis idealerweise 50 % des normalen Tageslichts (Modrow et al. 2019 für die schattentolerantere Trauben-Eiche – Quercus petraea [Mattuschka] Liebl.) werden dadurch im Auwald nur sehr selten erreicht.“22

Wenn nun die standortfernen Ahornarten und auch Eschen ausfallen, können die Chancen für die Eichenverjüngung durch die dann für sie günstigeren Lichtverhältnisse am Waldboden steigen! Ob sich die Eichennaturverjüngung nun dort einstellen und sogar durchsetzen wird und wann, kann natürlich wiederum niemand garantieren. Auf jeden Fall gilt es, die Entwicklung der Waldlebensgemeinschaft zu beobachten, wie sich der Auwald trotz der derzeit noch fehlenden Überflutungen weiter entwickeln wird – und mit Überflutungen sei dies erst recht zu beobachten!

Wie wir das Blatt auch wenden, gerade der fehlenden Auendynamik wegen ist so schnell wie möglich wieder ein Anschluss der Aue an die Leipziger Fließgewässer herzustellen! Dabei besteht kein Grund zur Panik oder Trauer wegen des Bergahorns oder der Esche – wenn man will, kann man auch durchaus Hoffnung haben – vor allem, wenn man nun wirklich mit den Bemühungen zur Revitalisierung der Leipziger Aue voranschreiten würde! Diese Revitalisierung sollte aber auch eine echte sein – inklusive wirklicher Flussdynamik mit Geschiebeumlagerungen und fließenden Genisten aus Treibgut! Vom Ingenieur gemachte, zeitlich vom natürlichen Abfluss unabhängige Einstauungen bestimmter begrenzter Bereiche haben nichts, aber rein gar nichts mit echter Auendynamik zu tun! Die Wirtschaft des Menschen muss sich an die Auendynamik anpassen, nicht umgekehrt!

Zurück zum LVZ-Artikel, wo es heißt, dass man nun in den absterbenden Beständen Halbschattenbaumarten wie Hainbuche, Winterlinde und Wildobst einpflanzen will. Wie sollte solches Vorgehen einem Auwald angemessen sein, da alle drei in lebenden Auwäldern nach derzeitiger Kenntnis sehr geringe Anteile zeigen und nur seltene Überflutungen ertragen? Und es ist zuvor zu prüfen, ob sich in den absterbenden Beständen nicht doch bereits andere Naturverjüngung befindet – ggf. auch von Eiche, Esche, Ulme und auch den genannten Baumarten Hainbuche, Winterlinde und Wildobst.

Eiche aus Naturverjüngung im Staditzwald bei Leipzig im Januar 2022. Foto: J. Hansmann

Es sollte keine Frage sein, diese Potentiale zu nutzen! Naturverjüngung garantiert stets auch die genetische Vielfalt des Leipziger Auwaldes! Bei naturverjüngten Bäumen kann man davon ausgehen, dass diese wichtige genetische Informationen etwa zur lokalen Standort-Anpassung in die nächsten Waldgenerationen tragen. So etwas kann der Mensch mit aufgeforsteten Bäumen aus der Baumschule schwerlich nachstellen!23 24 25 26 Natürlich spricht auch nichts dagegen, kleinflächig auf nun natürlich entstandenen Lichtungen innerhalb eines abgängigen Bestandes bspw. Eichen zu säen oder zu pflanzen (dann sollten sie unverletzte Wurzeln mitbringen und nicht älter als 7-8-Monate sein). Vereinzelt mag auch an bestimmen Standorten Hainbuche oder Winterlinde in Betracht kommen, obwohl es hier ja Naturverjüngung von beiden Baumarten gibt (es ist an sich unnötig diese extra pflanzen zu wollen!). Da der Leipziger Auwald ein möglichst schnell zu revitalisierender Auwald ist, und weder Hainbuche noch Winterlinde besonders überflutungstolerant sind, sollten sie eher auf Randlagen des Auwaldes oder erhöhten Standorte ausgebracht werden – dies sei kleinräumig zu beachten.

Wir halten die Sorge vor den sich massiv vermehrenden Ahornen auf großer Fläche im Leipziger Auwald für unbegründet. Auch in den bereits bestehenden Prozessschutzflächen im Leipziger Auwald hat sich noch kein „toter“ Stangenwald gebildet (tot ist aber selbst ein solcher Stangenwald ja nicht, die Bäume leben ja). Wenn Bäume im Auwald absterben, ist es aber wichtig, die Strukturvielfalt zu erhalten und solche Flächen nicht zu beräumen – erst recht nicht mit schweren Maschinen – denn durch Bodenverdichtung und Strukturarmut würde der Mensch dann leider doch wieder dazu beitragen, dass sich dann ein Stangenwald bildet. Wenn man aber umgestürzte Bäume liegen lässt, abgestorbene Bäume stehen lässt und auch Gebüsch zulässt, ergibt sich eine Vielzahl unterschiedlicher kleinräumiger Umweltbedingungen, aus welcher dann höchst natürlich noch mehr als zuvor eine Naturverjüngung hervorgehen dürfte! Und diese enthält dann auch unterschiedlich alte Jungbäume – wie sollte denn dann ein Stangenwald entstehen? Generell sind in Waldverbänden Lücken für das Ökosystem von besonderem Wert, denn dort können Büsche entstehen, und Stieleiche sowie auch Esche und Wildobst verjüngen sich aus Gebüsch oft besonders gut, und sie ersparen dem Förster über einige Meter sogar die Schaftpflege und den Verbissschutz. Daher möge man bitte keine Angst mehr vor Gebüsch 27 im Wald haben!),

Wir sollten unseren Lesern jedoch noch erklären, was eigentlich ein Stangenwald ist. Am schnellsten verfügbar, da im Internet abrufbar ist die Definition des Landeszentrums Wald Sachsen-Anhalt:

„Stangenholz: Wuchsklasse ab dem Beginn der natürlichen-> Astreinigung bzw. vom Erreichen der Derbholzgrenze bis zu einem mittleren -> Brusthöhendurchmesser von etwa 20 cm.“28

Stangenholz bedeutet also, dass auf einer größeren Fläche zahlreiche Bäume gleicher Art stehen und zwar alle einen Alters – bis zu einem Brusthöhendurchmesser von etwa 20 cm. Alte Bäume fehlen dann gänzlich. So eine Fläche entsteht nicht auf natürliche Weise, sondern dadurch, dass in einem Wald eine Fläche beräumt und wieder aufgeforstet wird – und zwar auf äußerst monotone Weise.

Totholz im FFH-Gebiet “Leipziger Auensystem” im September 2019. Foto: J. Hansmann

Wenn man eine aufgeforstete Fläche hat, die sehr monoton, aber der Aufwuchs schon älter ist – und wenn nun ein solcher Bestand von bspw. Bergahorn oder Esche auf einer größeren Fläche ausfällt, hätte man dann ja wieder eine monotone Fläche, auf welcher auch aus Naturverjüngung wieder ein monotoner Stangenwald entstehen würde? Aber wir haben im Leipziger Auwald nicht viele monotone Flächen, und es fallen nicht immer alle Altbäume gleichzeitig aus (manche halten sich durchaus noch wacker und man wird sehen, wer überlebt und wer nicht, dies wird die Zukunft zeigen). Wenn es Verluste gibt, dann doch v.a. im Oberstand, Mittel- und Unterstand bleiben doch erhalten und die Lücken werden wahrscheinlich zügig geschlossen. Und es sei erneut betont: auch tote Altbäume, bilden stehend(!) oder liegend Strukturvielfalt und beeinflussen die Fläche mikroklimatisch günstig, werfen Schatten, hemmen Verdunstung und wirken Klima-ausgleichend! Aus einem strukturreichen totholzreichen Altbestand entsteht kein Stangenwald. Deshalb ist es wichtig, auch tote oder absterbende Bäume im Bestand zu lassen und nicht immerfort von Selbstwerbern beräumen lassen! Zudem bildet das Totholz einen natürlichen Verbiss-Schutz für die Naturverjüngung, verzögert die CO2-Abgabe in unseren Breiten um Jahrzehnte und speichert Wasser – zusätzlich zu den positiven Auswirkungen auf Artenvielfalt und Bodengesundheit. Es gibt also viele Gründe, Totholz, insbesondere auch Bäume im Ganzen, im Wald zu belassen und nicht heraus zu räumen für Brennholz (Holzverbrennung ist sowieso schlecht für das Klima!).29 Dies werde aber bitte nicht so verstanden, man müsse nun mehr Totholz z.B. durch Ringelung „herstellen“, was in der jüngsten Zeit – ganz gegen die Natur – in Mode kam. Natürlich entstehendes Totholz ist dem künstlich Gemachten weit überlegen (das betrachten wir später eigens)!

Staditzwald im Mai 2020. Foto: J. Hansmann

Übrigens ist auch im Staditzwald (der im LVZ-Artikel erwähnt wird) sehr viel Naturverjüngung zu finden. Vor allem am Südwestrand und Südostrand finden sich dort naturverjüngte Eichen, die durch Verbiss-Schutz gefördert werden könnten. Im nördlichen Bereich des Staditzwaldes finden sich sowohl Buchen als auch Linden und Ulmen u.v.m. aus Naturverjüngung. Selbstverständlich verjüngt sich dort auf der Anhöhe ebenso Ahorn, aber gerade an diesem trockenen Standort mag dies dem Ahorn mal erlaubt sein? Welche dieser naturverjüngten Bäume groß werden, kann der Mensch beeinflussen, er könnte es aber auch schlicht beobachten und sich von der Natur überraschen lassen. Vieles ist möglich, und was wie getan wird, ist zuallererst eine menschliche Entscheidung, jedoch könnte durch schlichte Beobachtung gelernt werden, was oft vergessen wird. Beobachten gehört zur besten Aufgabe eines Försters! Mit Sicherheit werden der Staditzwald ebenso wie der Auwald ein Wald bleiben. Nur bedarf letzterer seiner Auendynamik, um wieder ein richtiger Auwald zu werden. Eine sanfte Eichenförderung im Staditzwald könnte übrigens sogar dem Artenschutz dienlich sein, denn dort gibt es Vorkommen von Osmoderma eremita, welche sich gewiss in über 200 Jahren über ältere Eichen freuen werden.

Und so schreibt man auch weiterhin im Artikel, dass es möglich wäre, „die bereits freigewordenen Lücken noch etwas aufzuweiten und dort die ökologisch wichtigen und relativ klimasicheren Eichen anzusiedeln“ – dagegen spricht erst einmal nichts – aber die Frage ist, muss überhaupt aufgeweitet werden und wer wüsste denn schon, wie sehr? Zu einem entstehen von Natur aus ständig und insbesondere jetzt größere Lücken – und bevor man hier eingreift, möge man zudem beachten, dass diese Lücken die natürliche Tendenz haben, sich von selber erweitern! Angesichts des Klimawandels warnen wir daher vor auch gering scheinenden Erweiterungen, denn das ausgleichende Waldinnenklima kann leicht durch eine zu große Auflichtung aufgelöst werden!

Kahlschlag im Leipziger Auwaldgebiet “Nonne” im Juli 2020. Foto: J. Hansmann

Im letzten Satz des Artikels heißt es: „Um diese Pflanzungen in sogenannten Femeln hatte es jedoch in der Vergangenheit erbitterte Kämpfe mit Naturschützern gegeben.“ Wir haben es schon öfters gesagt und müssen es hier wiederholen: was man in Leipzig einen Femel nennt, ist kein Einziger! Die angeblichen Femel haben größtenteils Ausmaße mindestens eines Kleinkahlschlags! Ein Kahlhieb beginnt schon ab ca. 0,1 Hektar Warum? Wir zitieren:

„Unter Kahlschlag ist deswegen jede Freilegung einer Teilfläche zu verstehen, die sie einem Freiflächenklima aussetzt. Es handelt sich um eine bioklimatische Definition. Danach liegt immer dann ein Kahlhieb vor, wenn der Durchmesser einer Schlagfläche die umgebende Baumhöhe übertrifft. Das sind in Deutschland bei Hieben in älteren Hochwäldern höchstens 30-35 m, also maximal 1000m2 oder nur 0,1 ha – in der Regel eher darunter.“30

Und warum ist das so mit dem Klima? Was ist daran so schlimm, wenn dann 0,1 ha freigelegt worden sind?

„Ein Kahlschlag (=Freihieb, Kahlfläche etc.) ist bioklimatisch zu definieren. Er erzeugt durch die Freilage des Waldbodens ein Freiflächenklima, d.h. mit ganzflächiger Besonnung, mit höheren Temperaturextremen im Tagesverlauf, jahreszeitlich bedingten Früh- und Spätfrösten sowie bodennahen Fallwinden etc. Dieser Zustand stellt sich ein, wenn die Freifläche komplett oder in Teilen ganztägig von der Sonne beschienen wird.“

Und wenn das Waldklima auf solcher Fläche aufgelöst wurde, ist es sehr schwer für die Waldlebensgemeinschaft, diese Lücke wieder zu schließen, allein schon deshalb, weil die Heilung des Strahlungs- und Trockenheits-geschädigten Bodens Jahre bis Jahrzehnte erfordert. Zudem besteht jederzeit die Gefahr, dass solche Freiflächen bei zukünftigen Stürmen und Dürren noch größer werden, weil die sie umgebenden Bäume durch eben das Freiflächenklima sehr vulnerabel sind.

Ein Femel sollte also kleiner als ca. 0,1 ha sein! Als verträglich für eine Waldlebensgemeinschaft wird in der Literatur sogar nur eine Größe von 0,03-0,07 ha genannt! Zudem entstehen Femel nicht auf einmal wie in Leipzig, sondern langsam über mehrere Jahre hinweg.31 Und nochmals: die Natur schafft ja eigentlich schon selbst genug Freiflächen, auch solche, die ein findiger Förster mit Eiche einsäen kann wenn er mag, wobei dieser findige Förster dann auch noch die Bodengare fördert, wenn er die Lichtung so klein wie möglich hält!

Neue Methoden zur Eichenverjüngung im Leipziger Ratsholz Februar 2022. Foto: J. Hansmann

In natürlich entstandenen Lücken können also sicher hier und da Eichen oder auch Eichengruppen eingebracht werden. Dabei empfehlen wir anstelle der gebräuchlichen Heister- oder Lodenpflanzung v.a. das Eichellegen, denn keimende Eicheln erbringen die beste Wurzelbildung, die bei Baumschulpflanzen durch Schnitt bereits im frühen Alter gestört ist. Zudem würde somit eine traditionelle und seit Jahrhunderten bewährte Methode eingesetzt – wie geschaffen für ein Schutzgebietssystem, in dem Kulturlandschaft gepflegt und erhalten wird! Welche Auflichtungen für welche Pflanzart geeignet sind, möge man durch Beobachtung herausfinden (wir werden dieses ggf. auch in einem späteren Beitrag noch weiter ausführen). Wenn diese Lücken überhaupt bei Bedarf mit kundiger und sanfter Hand nur höchst zurückhaltend aufgeweitet werden, sollte dies im Interesse der Erhaltung des Waldklimas auch nicht mit schweren Maschinen geschehen – um den Waldboden nicht zu beeinträchtigen! Überdies: Gerade entlang von Waldwegen, wo es wegen Wegesicherungsmaßnahmen auch weiterhin viele Fällungen geben könnte, fänden wir es sehr begrüßenswert, würde man linear Eichen legen oder sehr junge Eichen mit unbeschnittener Wurzel pflanzen!

Wir haben durchaus bemerkt, dass im Ratsholz und in der Burgaue bereits Gruppen junger Bäume (Eichen?) unter aufgelichteten Beständen angepflanzt wurden. Wir begrüßen diese Maßnahme sehr und freuen uns auf das Gelingen dieser Versuche!

Wenn man derart minimalinvasiv und sanft Eichen fördert – und gern auch Wildobst o.Ä. berücksichtigt – ist nun wirklich gar nichts dagegen zu sagen, auch wenn in Zukunft betrachtet werden will, ob die Areale genügend hell sind. Dennoch sollte der bestehenden Naturverjüngung mehr Beachtung geschenkt werden. Natürlich kann sanft Einfluss genommen werden. Wo Furcht vor dem Ahorn aufkommen will, kann bspw. kleinflächig händisch regulierend eingegriffen werden. All dies sind aber menschliche Entscheidungen. Man kann auch schlicht beobachten. Nur eine Sache gibt es, die man tun muss: die Aue und ihre Flüsse schnellstmöglich revitalisieren!

Prof. Dr. Bernd Gerken, Johannes Hansmann


1 Hrsg. ENEDAS e.V.: „Der Leipziger Auwald“, S. 8 ff., Edition Leipzig, Leipzig 2013

2 Hrsg. Prof. Dr. Gerd K. Müller: „Der Leipziger Auwald“, S. 22 ff., Urania-Verlag, Leipzig, Jena, Berlin 1992

3 Hrsg. Alfred Birkfeld, Ernst Suhr: „Landschaftsschutzgebiet Leipziger Auewald“, S. 23 ff., VEB Bibliographisches Institut, Leipzig 1962

4 Otfried Lange: „Die geschichtliche Entwicklung des Leipziger Stadtwaldes“, S. 43 ff., Freiburg im Breisgau 1959

5 Emil Adolf Roßmäßler: „Der Wald“, S. 555, Winter, Leipzig, Heidelberg 1863

6 Bei Tal-Auen im Bergland kommt Bergahorn dagegen durchaus vermutlich auch natürlich vor – prinzipiell ist dies aber banal, weil es gibt ja einen Grund, warum der Bergahorn seinen Namen trägt. Informationen hierzu sind bspw. hier zu finden: https://www.lwf.bayern.de/mam/cms04/biodiversitaet/dateien/w62_bergahorn-mischwald-baumart.pdf

7 Otfried Lange: „Die geschichtliche Entwicklung des Leipziger Stadtwaldes“, S. 138 ff., Freiburg im Breisgau 1959

8 Stadt Leipzig, Amt für Stadtgrün und Gewässer, Abteilung Stadtforsten (Stadtforstamt): “Vorbericht zur Forsteinrichtung des Forstbetriebes der Stadt Leipzig (Leipziger Stadtwald) für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2022”, S. 45, S. 47, Leipzig 2012 https://static.leipzig.de/fileadmin/mediendatenbank/leipzig-de/Stadt/02.3_Dez3_Umwelt_Ordnung_Sport/67_Amt_fuer_Stadtgruen_und_Gewaesser/Stadtwald_und_Auenwald/Informationen_Bewirtschaftung_-_Jagd/Vorbericht_zur_Forsteinrichtung_des_Stadtwaldes_der_Stadt_Leipzig_2012.pdf

9 https://www.waldwissen.net/de/waldwirtschaft/waldbau/waldverjuengung/ueberflutung-bei-jungpflanzen

10 https://www.lwf.bayern.de/mam/cms04/service/dateien/mb36_hochwasser_bf.pdf

11 Diese Thematik ist auch aus anderen Regionen schon lange bekannt, siehe bspw. hier https://www.afsv.de/images/download/literatur/waldoekologie-online/waldoekologie-online_heft-15-4.pdf

12 https://www.leipziger-auwald.de/upload/Downloadordner/Dokumente/Meissner2011_Bachelorarbeit.pdf

13 https://de.wikipedia.org/wiki/Kahlschlag

14 https://www.wald-und-holz.nrw.de/fileadmin/Naturschutz/Dokumente/Behandlung_Bergahorn.pdf

15 „Hauptbaumart“ bezeichnet eine Baumart, die forstlich aus wirtschaftlichen Aspekten eben als Hauptbaumart festgesetzt wurde, „Charakterbaumart“ bezeichnet dagegen eine Baumart, welche Pflanzensoziologen zu einem bestimmten Zeitpunkt als besonders charakteristisch für ein bestimmtes Gebiet empfanden.

16 Darin sind aber auch einige kleine Wälder außerhalb des Auwaldes enthalten, der Auwald macht aber den größten Teil aus.

17 Stadt Leipzig, Amt für Stadtgrün und Gewässer, Abteilung Stadtforsten (Stadtforstamt): “Vorbericht zur Forsteinrichtung des Forstbetriebes der Stadt Leipzig (Leipziger Stadtwald) für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2022”, S. 58, Leipzig 2012 https://static.leipzig.de/fileadmin/mediendatenbank/leipzig-de/Stadt/02.3_Dez3_Umwelt_Ordnung_Sport/67_Amt_fuer_Stadtgruen_und_Gewaesser/Stadtwald_und_Auenwald/Informationen_Bewirtschaftung_-_Jagd/Vorbericht_zur_Forsteinrichtung_des_Stadtwaldes_der_Stadt_Leipzig_2012.pdf

18 Wir setzen dies in Gänsefüßchen, weil wir Menschen sehr wahrscheinlich eigentlich gar nicht so genau wissen, was die charakteristischen Baumarten in diversen mitteleuropäischen Auen sind.

19 Judith Glaeser: „Die Esche(Fraxinus excelsior L.) — ein Baum des Leipziger Auwaldes?“, Forstwissenschaftliches Centralblatt 2001

20 https://de.wikipedia.org/wiki/Schneitelung

21 Gustaf Theodor Klett, Hermann Eberhard Friedrich Richter „Flora der phanerogamischen Gewächse der Umgegend von Leipzig“, S. 28, Friedrich Hofmeister, Leipzig 1830

22 Engelmann et al. „Reiner Prozessschutz gefährdet Artenvielfalt im Leipziger Auwald“, S. 5 https://www.ufz.de/index.php?de=46872

23 https://www.waldwissen.net/de/waldwirtschaft/waldbau/waldgenetik/genetik-und-klimawandel

24 https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/journal/der-zahn-der-zeit

25 https://www.klimawandelanpassung.at/newsletter/kwa-nl9/kwa-adapttree

26 https://www.swissinfo.ch/ger/eltern-baeume-vererben-ihr-gedaechtnis-an-nachkommen/45569578

27 Wir fügen hinzu, dass Sträucher in einem Auwald gewissermaßen normal sind und man sagen könnte, dass sie sogar natürlich in Auwäldern vorkommen, siehe bspw. hier https://naturwald-akademie.org/waldwissen/wissenschaft-und-politik-fuer-den-wald/unsere-auwaelder-sind-unverzichtbar/ und auch hier http://www.life-rhein-emmerich.de/de/massnahmen/entwicklung-auenwald . Aus historischen Aufzeichnungen ist zudem bekannt, dass es einst im Leipziger Auwald eine Vielzahl von Sträuchern gab (siehe bspw. O. Lange „Die geschichtliche Entwicklung des Leipziger Stadtwaldes“ S. 57)

28 https://landeszentrumwald.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Bibliothek/Politik_und_Verwaltung/MLU/Waldbau/Definitionen_wichtiger_forstlicher_Begriffe.pdf

29 https://naturwald-akademie.org/forschung/positionen/holz-zu-verbrennen-ist-nicht-klimaneutral/

30 Wilhelm Bode, Rainer Kant: „Dauerwald – leicht gemacht“, S. 119 ff., Natur + Text GmbH, Rangsdorf 2021

31 https://www.forestbook.info/femelschlag/


Den Originaltext des LVZ-Artikels können Sie hier unter diesem Artikel lesen. Sie finden ihn auch auf der Internetseite der LVZ, allerdings hinter einer Bezahlschranke.


Leipzigs Stadtförster: „Mehr als jeder zweite Baum ist schon krank“

Nach den Dürrejahren bringt das eher forstfreundliche, feuchtkalte 2021 noch keine Entspannung.

Seit 31 Jahren geht Leipzigs Stadtförster Andreas Sickert immer im Spätsommer auf große Inspektionstour. Dann steuert er die zehn immergleichen Referenzflächen an, die er kurz nach seinem Amtsantritt in Leipzig als eine seiner ersten Handlungen eingerichtet hatte.

Kreuz und quer in und um Leipzig sind die Flächen verteilt: Von Gundorf im Nordwesten geht es über die Burgaue und die Gottge bei Leutzsch runter bis nach Lößnig-Dölitz, Connewitz und das Hainholz. Auch der Staditzwald bei Taucha zählt zu Sickerts Zielen – denn der gehört Leipzig.

„Auf jeder der Flächen sind jeweils 30 Eichen markiert“, erzählt der Förster. „Nach den vier Kriterien Vitalität, Belaubungsgrad, Kronenbild und Blattverfärbung habe ich über all die Jahre die Bäume begutachtet“, so Sickert. Trotz einiger Schwankungen sei der Zustand der Eichen in den 31 Jahre insgesamt stabil gewesen. „Das Problem sind die Trockenjahre seit 2018“, sagt er.

Während die Eichen im Auwald die Dürrejahre noch einigermaßen gut überstanden haben, seien trockenere Standorte wie der Staditzwald auf einer Endmoräne schwer getroffen worden.

Dort wurden auch starke Eichen dürregeschwächt anfällig für Krankheiten. Sichtbar sind Schäden an der Borke durch Käfer – „und das Kronenbild ist deutlich schlechter geworden“, sagt Sickert. Die ehemals dichten Laubdächer hätten viele Löcher bekommen, weil viele dünne Äste abgestorben sind.

Dennoch habe der feuchtkalte Sommer 2021 dem Wald etwas geholfen. Allerdings nicht so viel, wie manche schon gehofft hätten. Sickert: „Durch die Trockenheit in den Vorjahren sind viele kleine und kleinste Wurzeln verdorrt. Bis sich die neu bilden, dauert es.“

Der Stadtförster, von Hause aus Optimist, hat dennoch Hoffnung für die Eichen: „Wenn es so weitergeht wie in diesem Jahr bin ich zuversichtlich.“

Bei den anderen Hauptbaumarten im Auwald sehe es allerdings düster aus. Nahezu alle Ahorne seien von der Rußrindenkrankheit infiziert. Diese habe bislang immer zum Tod des Baumes geführt. Besonders ältere und stärkere Ahorne seien in größerem Umfang abgestorben oder gerade dabei. Die Krankheit habe inzwischen ein Ausmaß erreicht, das „nur noch als verheerend bezeichnet werden kann“, so der Stadtförster in seinem jährlichen Bericht.

Und auch das Eschentriebsterben geht unvermindert weiter. Bei den Eschen sei sogar eine weitere Verschlechterung zu beobachten gewesen, heißt es im Bericht. Sickert: „Inzwischen gibt es so gut wie keine Esche mehr ohne Schäden.“

Esche und Ahorn hatten bislang mit rund 60 Prozent den größten Anteil an den Baumarten im Auwald. Damit ist mehr als jeder zweite Baum in Leipzig stark geschädigt.

Sickert setzt daher darauf, in die absterbenden Bestände Halbschattenbaumarten wie Hainbuche, Winterlinde und Wildobst einzupflanzen. Werde nichts unternommen, drohe der Wald mit Ahornen, die sich trotz Krankheit nach wie vor von selbst vermehren, zu verbuschen und zu einem toten Stangenwald zu werden.

Möglich sei auch, die bereits freigewordenen Lücken noch etwas aufzuweiten und dort die ökologisch wichtigen und relativ klimasicheren Eichen anzusiedeln, schlägt Sickert vor. Um diese Pflanzungen in sogenannten Femeln hatte es jedoch in der Vergangenheit erbitterte Kämpfe mit Naturschützern gegeben.

Quellenangabe: Leipziger Volkszeitung vom 29.12.2021, Seite 14

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