Lasst die Ahr leben! Wie wir Menschen immer und immer wieder die gleichen Fehler machen

Ahrtal im Bereich Ahrbrück. Foto: Bewahrerderwerte. Bewahrerderwerte, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons

Ein Beitrag aus dem Aueninstitut für Lebendige Flüsse

Auch wenn wir den Fokus unserer Arbeit bisher v.a. auf Mitteldeutschland gerichtet haben, wollen wir in unserem heutigen Beitrag noch einmal die Geschehnisse an der Ahr aufgrund ihrer Aktualität etwas genauer in den Blick nehmen. Da wir uns damit in einer ganz anderen Region bewegen, obwohl wir hauptsächlich Lesende aus Mitteldeutschland auf dieser Seite haben, geben wir kurz zu Anfang ein paar allgemeine Informationen zum Thema, kommen dann zu den aktuellen Geschehnissen und gehen dann auf einige besonders interessante Vorkommnisse ein.

Kurzer Überblick über das Gebiet

Weinberg oberhalb von Dernau vom Krausbergturm fotografiert. Foto: Elvaube. This file was uploaded with Commonist. This photograph was taken with a Canon EOS 450D, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons

Die Ahr entspringt in der Eifel in Blankenheim und fließt dann nach Westen zum Rhein, in welchen sie bei Sinzig nach ca. 85 km mündet. Dabei durchfließt sie die Gebirgslandschaft durch das Ahrtal, welchem sie auch den Namen gegeben hat. Dieses Tal wurde zwar schon in der Römerzeit vereinzelt besiedelt, mit der Industrialisierung und dem auch aus vielen anderen Regionen Deutschlands bekannten damals neuen Umgang mit Landschaft und Natur ergaben sich jedoch starke Veränderungen. Die Ortschaften wurden immer größer, Bahnstrecken wurden angelegt und Straßen gebaut. Um mehr Siedlungsfläche und auch Raum für Infrastruktur zu gewinnen sowie um den Fluss besser wirtschaftlich nutzen zu können (bspw. für Mühlen), gab es auch an der Ahr Flussausbaumaßnahmen. Wie anderswo änderte sich im 19. Jahrhundert insbesondere die Landnutzung bis hin zur heutigen agroindustriellen Extrem-Ausprägung.

Im Ahrtal gibt es schon seit dem Frühmittelalter belegbar Weinanbau, welcher bis heute für die Region prägend ist. Die Art und Weise, wie man im Ahrtal Wein anbaut, hat sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ebenso stark geändert – mit Folgen bis in die heutigen Tage.1 2 3 Was hat sich geändert? Flurbereinigungen säuberten im Ahrtal wie überall die Landschaft von Natur, damit man mehr Raum für die Landwirtschaft usw. gewinnen konnte. Es wurden Terrassen für den Weinanbau geschaffen und Wälder gerodet. Auf den Weinbergen wurden Wasserrinnen angelegt, die das Regenwasser schnell ins Tal leiten. Wo noch Wälder in und um das Ahrtal erhalten blieben, wurden sie oft zu Monokulturen, in denen der Boden nun so gestört ist, dass er kaum Wasser speichern kann und das Regenwasser schnell ins Tal abfließt, anstatt im Wald zu versickern. Wo es im Einzugsgebiet der Ahr landwirtschaftliches Grünland gibt, wird es oft intensiv bewirtschaftet und stark befahren, so haben auch die Böden dort nur wenig Wasserspeicherfähigkeit. Zudem gibt es viel großflächigen Maisanbau.4 So geschah im Ahrtal eben all das, was die Menschen in dieser Zeit deutschlandweit mit ihrer Landschaft machten und auch bis heute weiter machen, nur ist es hier besonders brisant, da das Tal so schmal ist.5 Heutzutage gibt es darüber hinaus noch einen starken Nutzungsdruck durch den Tourismus im Ahrtal.6

Im Laufe dieser Entwicklung wurde also dem Fluss bis heute immer mehr Raum genommen. Darüber hinaus sind im Einzugsgebiet die Bedingungen durch die moderne Landnutzung ungünstig in Bezug auf die Wasserspeicherfähigkeit der Böden (wir erwähnen es noch mal: vielmehr wurde alles so gestaltet, dass das Wasser schneller und massiver die Berge hinab fließt – eben ins Tal!). Das Ahrtal liegt zwar im Regenschatten der Eifel, deswegen regnet es im Vergleich zu anderen Regionen weniger, es scheint auch mehr die Sonne – was für den Weinanbau sehr gute Bedingungen sind.7 Aber es gibt Ausnahmen – und vergleichsweise weniger Regen bedeutet nicht für immer keinen Regen! Regelmäßige Hochwasser sind seit dem Mittelalter immer wieder belegt, besonders starke Hochwasser sind in der Regel Sommerhochwasser.8 Es ist geradezu fatal, dass – wie übrigens auch in anderen Regionen – nach einigen Jahren und Jahrzehnten, in welchen es dann mal kein größeres Hochwasser gibt, stets schlicht vergessen oder verdrängt wird, dass doch jederzeit wieder ein solches kommen kann. Und dann wird in diesem Zustand der Amnesie dem Fluss wieder Raum genommen, um Häuser, Straßen, Weinberge, Campingplätze usw. zu bauen – mit langfristig bösen Folgen für Mensch wie Natur.

Das Hochwasser 2021

Hochwasser in Altenahr-Kreuzberg. Foto: Martin Seifert. Martin Seifert (The original uploader was CnndrBrbr at German Wikipedia..), CC0, via Wikimedia Commons

Ab Sonntag, dem 11. Juli 2021 entwickelte sich über Deutschland eine absehbar brisante Wetterlage mit sehr heißen und feuchten Luftmassen. Zunächst gab es aber erst einmal am Dienstag, dem 13.07.21, ergiebige Regenfälle über dem Schwarzwald, später kam es im östlichen Bayern, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg zu schweren Gewittern. Von Dienstag, dem 13.07.21, auf Mittwoch, dem 14.07.21, gab es erste Starkregenereignisse im Bereich von Altena bis Hagen. Ab Mittwoch Nachmittag zog ein intensives Starkregengebiet von Norden zur Eifel. Bis zum Abend kam es in Folge dessen zu einer katastrophalen Flutwelle im Ahrtal.9 Zahlreiche Häuser und Brücken wurden zerstört und beschädigt, ebenso wurden Straßen und Bahnlinien wurden zerstört. Es gab 141 Tote und 766 Verletzte.10

Das Aufräumen nach der Flut

Es ist absolut verständlich, dass die Menschen nach dieser Katastrophe ihre Heimat schnell wieder bewohnbar machen wollten und auch noch wollen. Es ist ihr Zuhause – wohin sollten die Menschen sonst gehen? Trotzdem ist die Situation schwierig – wir Menschen haben schlicht wie überall in Deutschland bis in die heutige Zeit unsere Siedlungen auch in Bereiche gelegt, in denen es wahrscheinlich gar keine Siedlungen geben sollte. Nur wie damit umgehen, wenn Menschen nun dort leben und ihre Wohnhäuser haben, wo in Zukunft wieder ein Hochwasser kommen kann? Rheinland-Pfalz hat beschlossen, dass bereits bestehende Gebäude auch in Überschwemmungsgebieten Bestandsschutz haben. Somit können die Menschen ihre Wohnhäuser an Ort und Stelle sanieren bzw. wieder neu aufbauen. Rein menschlich ist dies eine nachvollziehbare Entscheidung, löst aber das Grundproblem nicht und somit kritisierten Experten bereits vergangenes Jahr diese Entscheidung.11 Noch schlimmer: in manchen Kommunen versucht man, über Ausnahmegenehmigungen auch in Neubaugebieten weiter zu bauen, die im Überschwemmungsgebiet liegen. So stehen in Altenahr die Bauarbeiter nach einem Beitrag vom 12.01.22 im Deutschlandfunk quasi schon wieder bereit.12 Die Stadt Altenahr schrieb auf Anfrage des Deutschlandfunks: „Menschen müssen die Möglichkeit haben, in den flussnahen Bereichen zu leben.“ Müssen sie das wirklich? Vor allem: Dann haben diese Menschen auch irgendwann die Möglichkeit, wieder ein Hochwasser zu erleben – ist dies zielführend? Ansonsten wünscht sich die Stadt Maßnahmen, um Hochwasser „abzufangen“, aber um das Problem sollen sich bitte die anderen Gemeinden kümmern. Tolle Einstellung! Das erinnert an die Kaffeeküche im Großraumbüro, wo auch jeder denkt, irgendein anderer würde schon das dreckige Geschirr freiwillig abwaschen!

Eine Lösung des Problems eines besiedelten engen Tals mit steilen Abhängen ist es bspw., unbesiedelte Flächen im Tal als Retentionsräume für zukünftige Hochwasser zu erhalten und ggf. günstig umzugestalten. Landnutzer müssten dann im Falle des Falles entschädigt werden o.Ä. Weiterhin wäre es zielführend, das gesamte Einzugsgebiet entlang der Ahr in den Blick zu nehmen – auch hier vor allem bezüglich der Landnutzung.

Doch bereits Oktober vergangen Jahres war zu beobachten, dass man scheinbar nicht immer gedenkt, wichtige Retentionsräume zu erhalten oder neu zu schaffen. So ist in einem Artikel in der Rhein-Zeitung vom 23.10.21 über die Ahr bei Rech folgendes zu lesen:

Rheinzeitung vom 23.10.21. S. 6

„Die Zerstörung im Ort ist gewaltig, die weite, überwiegend landwirtschaftlich genutzte Fläche vor dem Dorf, die die Ahr in einem leichten Bogen umfließt, glich nach der Katastrophe einem Bombenkrater. Schlamm, Geröll, Schutt und Trümmer allenthalben. Davon ist nichts mehr zu sehen, das Gelände ist aufgeräumt. Es ist aufgeschüttet und eingeebnet – und erinnert nun an einen überdimensionierten Schotterplatz. Gegenüber auf der anderen Flussseite liegt hinter dem Ortsausgang von Rech, direkt zwischen Ufer und B 267, ein schmaler Streifen des Campingplatzes. Auch er sei genau wie die große Ebene mit ‚Steinen aus der Ahr‘ aufgeschüttet, wie der Diplom-Ingenieur Thomas Brötz, Fachmann für Umweltplanung aus Sinzig, sagt. Er steht hier am Ufer, das seiner Darstellung nach um die zwei Meter höher liegt als vor der Flut. Tatsächlich fällt es an diesem Flussabschnitt schwer, die Ahr von Rech aus kommend aus dem Auto überhaupt zu entdecken. Wer aussteigt und ein paar Schritt geht, sieht: Sie plätschert hier mit einer Breite von vier Metern vor sich hin – in einem trapezförmigen Flussbett, das leicht an einen Kanal erinnert. Vor der Flut, sagt Brötz, hatte sie dreimal mehr Platz.“ 13

Diese in dem o.g. Zitat genannte landwirtschaftliche Fläche wäre doch als Retentionsraum geeignet gewesen, um das Dorf zu schützen? Vielleicht wäre sie auch weiterhin als extensiv bewirtschaftetes Grünland sogar weiter landwirtschaftlich nutzbar gewesen? Wie kam man auf die Idee, den Fluss in ein künstliches Trapezprofil zu verlegen? Es ist bekannt, dass derart eingeengte Flüsse dann im Hochwasserfall eine noch höhere Fließgeschwindigkeit haben und dann für die Siedlungen erst richtig gefährlich werden? Möchte man hier die nächste Hochwasserkatastrophe vorbereiten?

Brisant: solche unverständlichen Aktionen gab es auch an vielen anderen Orten entlang der Ahr:

Plattgefahrene Aue im Langfigtal am 24.01.2022. Foto: B. Gerken

„Experten wie der Ökologe Prof. Bernd Dr. Gerken schätzen, dass mittlerweile bereits Hunderttausende Kubikmeter potenzieller Retentionsflächen auf diese Weise wieder verloren gegangen sind. Auch alte Seitenarme und Sumpfsenken seien mit zugeschüttet worden. Alles in allem hätten die Erdbewegungen die Schutzgebiete massiv beeinflusst, fürchtet Gerken auch um die Artenvielfalt im Ahrtal“ … „ein paar Fahrminuten weiter kurz vor Mayschoß: Die Ahr zieht hier eine Kehre um einen an sich flachen Uferbereich, normalerweise ein idealer Ort, an dem sich der Fluss ausbreiten kann, wenn zu viel Wasser drückt. Normalerweise. Doch auch hier: Die Fläche ist teils aufgeschüttet und planiert, sodass die Ahr im Fall der Fälle weniger Raum greifen kann als zuvor. Weiter oben im Ort: Dort ist das Flussufer ebenfalls trapezförmig mit Baggerschaufeln in Form geklopft und befestigt – ein Bild, das sich flussaufwärts, flussabwärts häufig zeigt. ‚Innerorts mag das alles seinen Sinn haben‘, sagt Brötz. In den Ortschaften gehe es selbstverständlich darum, die Ufer so zu befestigen, dass Straßen, Kanäle und andere Infrastruktur in Ufernähe wiederhergestellt werden könnten. Wieso allerdings auch außerhalb der Orte, teils sogar in den für einen natürlichen Hochwasserschutz so wichtigen Ahrauen, mittlerweise solche Trapezufer zu sehen seien – das kann Brötz schlichtweg nicht nachvollziehen.“

Was erwartet man sich um Himmels Willen davon, entlang der Ahr großräumig Schotterflächen aufzutürmen, zu planieren und den Fluss in einen viel zu engen Kanal zu verlegen? Meint man, das Wasser wird sich so beim nächsten Hochwasser durch Zauberei in Luft auflösen oder wie durch Hexenwerk brav in den viel zu kleinen Kanal passen?

Laut Günter Kern, dem Vor-Ort-Beauftragten der Landesregierung für Wiederaufbau im Ahrtal, welcher ebenfalls in o.g. Artikel zu Worte kommt, seien hier schlicht einige Sofortmaßnahmen, welche aus Sicherheitsgründen notwendig gewesen wären „übers Ziel hinausgeschossen“ – so kann man es natürlich auch nennen. Irgendwann soll es auch ein Hochwasserschutzkonzept geben – man darf gespannt bleiben, aber es wäre klüger, wenn man vor der Fertigstellung des Konzepts solche massiven Eingriffe unterlassen würde. Ein Vertreter der Struktur- und Genehmigungsbehörde (SGD) Nord ließ verlauten:

„Nicht jede Aufschüttung oder Ufermodellierung, die in den vergangenen Wochen am Ahrufer vorgenommen wurde, wird Bestand haben.“

Warum hat man dann erst diese Aufschüttungen und Ufermodellierungen angelegt und dabei vor allem auch Natur zerstört? Es geht hier ja auch um gravierende Eingriffe innerhalb von Schutzgebieten, u.a. dokumentiert mit Videoaufnahmen durch Prof. Dr. Bernd Gerken, auch kritisiert von zahlreichen anderen Naturschutzorganisationen? Warum lässt man solches zu?

Auch der Biologe Wolfgang Büchs hat sich diesbezüglich öffentlich zu Wort gemeldet. In einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 15. Januar 2022 heißt es:

Plattgefahrene Aue im Langfigtal am 24.01.2022. Foto: B. Gerken

„Erst nach der tödlichen Sturzflut im Ahrtal ist dort nach Darstellung eines Experten ‚eines der artenreichsten‘ Naturschutzgebiete in Deutschland mit Baumaschinen zerstört worden… Wolfgang Büchs, Hildesheimer Biologieprofessor und Ahrtal-Kenner seit vier Jahrzehnten, ist nach eigenen Worten ‚geschockt‘. Bei veröffentlichten Untersuchungen zusammen mit vielen Kollegen‚ wurden in diesem Gebiet circa 4300 Tierarten und knapp 1200 Pflanzenarten nachgewiesen, darunter 17 Arten, die neu für die Wissenschaft waren – und das mitten in Deutschland‘, sagt Büchs. 480 hätten schon vor Jahren auf der Roten Liste bedrohter Arten gestanden. Büchs spricht von ‚sinnlosem Herumbaggern und Planieren‘, gefällten gesunden Bäumen und einer Zuschüttung von Orchideenstandorten mitten in einem Naturschutzgebiet. Es fehle die naturschutzfachliche Begleitung dieser Arbeiten. Die Verantwortlichen der zuständigen Behörden seien hier ‚offenbar hoffnungslos überfordert‘.“ 14

Warum wurde hier ein schlecht befestigtes Trapezprofil angelegt? Sollte man diese Fläche nicht eher als Retentionsraum nutzen? So besteht nun jedenfalls die Gefahr, dass zukünftige Hochwasser für die Ortschaft noch verschärft werden und es zudem dabei Schlammlawinen durch Erosion geben wird. Screenshot aus dem Video “Die Ahr nach der Katastrophe 2” von Prof. Dr. Bernd Gerken

Im Artikel heißt es weiterhin, dass die Politik die Hinweise natürlich sehr ernst nimmt und dass schon seit September angeblich nur mit „Zustimmung der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord am Gewässer gearbeitet werden dürfe“ – davon merkt man aber nichts! Natürlich sei es auch Ziel der Politik, „der Ahr mehr Raum zu geben und in möglichst großen Bereichen eine naturnahe Entwicklung zu ermöglichen“ – das sieht aber vor Ort anders aus! Und wenn Naturschutzgebiete und Ähnliches mit Tonnen von Schotter verschüttet werden, muss sofort was passieren und nicht erst, wenn es am Sankt-Nimmerleinstag dann ein Hochwasserschutzkonzept geben wird. Die Verwaltungen scheinen sich in Ausflüchte zu retten, das wären nur Ausnahmen usw., und verweist auf im Laufe der Flut natürlich entstandene Schotterbänke, die es dort natürlich auch gibt – aber die beiden Professoren werden genau so wie die Naturschutzorganisationen vor Ort sicher den Unterschied zwischen künstlichen Verfüllungen und natürlichen Schotterbänken erkennen können. In den Videos von Professor Dr. Bernd Gerken sieht man ja auch die schweren Baumaschinen bei der Arbeit!

Eine der schweren Baumaschinen im NSG “Ahrschleife – Langfigtal” am 24.01.22. Screenshot aus dem Video “Die Ahr nach der Katastrophe 3” von Prof. Dr. Bernd Gerken

Anstatt nun aufzuhören, dort mit schweren Maschinen umher zu fahren und aufzuhören, künstliche Verfüllungen und Trapezprofile anzulegen, gedenkt man nun seitens der SGD Nord (laut dem Artikel in der Sueddeutschen), sich möglicherweise an natürlich entstandenen Schotterbänken zu vergreifen um diese „bis auf maximal 30 Zentimeter über dem normalen Ahr-Wasserstand“ zu entfernen? Und das würde nicht ohne schwere Maschinen gehen? Kiesheger sind doch wertvolle ökologische Lebensräume? Oder wurde sich hier nur missverständlich ausgedrückt? Die Videoaufnahmen lassen jedenfalls Schlimmes befürchten.

Wie man mit wertvollen natürlichen Strukturen im Ahrtal umgeht, welche im Laufe des Hochwassers entstanden sind, kann man auch aus einem Beitrag des SWR vom 29.12.21 lesen:

Durch das Hochwasser entstandene wertvolle neue Auenstrukturen (Steilufer, Kiesheger usw. usf.) bei Bad Bodendorf Oktober 2021. Solche Strukturen sollte man belassen, sie gehören an einen Fluss und in ein Naturschutzgebiet! Screenshot aus dem Video “Die Ahr nach der Katastrophe 4” von Prof. Dr. Bernd Gerken

„Das Ahr-Hochwasser hat mit 134 Todesopfern viel Leid gebracht – aber mit seinen Änderungen des Flussverlaufs gebe es auch neue ökologische Chancen, so Naturschützer. Diese Chancen seien jedoch nicht genutzt worden, meinen sie. Mehr noch: Der Hochwasserschutz habe sich seit der Flut teils sogar verschlechtert. Nach Angaben der Vorsitzenden des Naturschutzbundes (Nabu) Rheinland-Pfalz, Cosima Lindemann, hat das extreme Ahr-Hochwasser im Juli das Flussbett teils verlegt und neue Nebenarme entstehen lassen. Diese hätten einen hohen ökologischen Wert und könnten bei niedrigeren Hochwassern entlastend wirken. Leider sei von diesen neuen Strukturen fünfeinhalb Monate nach der Katastrophe nichts mehr zu finden: ‚Nebenarme sind wieder zugeschüttet worden und das Flussbett wurde in großen Teilen begradigt‘, so Lindemann weiter. Aufschüttungen zur Wiederherstellung des abgetragenen Landes würden die Ahr heute in vielen Bereichen in eine Art Trapezprofil legen. Die Ahr sei an mancher Stelle heute sogar schmaler als vor der Flut.“ 15

Was hört man von Politik? „Ja, wir wollen dem Fluss schon mehr Platz geben, es wird irgendwann ein Konzept geben und dann bauen wir notfalls auch was wieder weg…“

Was hört man von der Verwaltung? „Das musste so gemacht werden und außerdem war das nicht so schlimm und jetzt fahren wir weiter mit den schweren Maschinen herum.“

Man möchte meinen, Mensch hat gar nichts begriffen! Man kann nur hoffen, dass es bald Besserung geben wird! Bevor noch in weiteren Naturschutzgebieten u.Ä. aus angeblicher Alternativlosigkeit (NICHTS ist alternativlos!) ein paar Baustraßen, Schotterhalden und Trapezprofile angelegt werden, welche man dann irgendwann angeblich wieder abbauen will (es sei zu hoffen, dass darunter noch irgendwas überlebt hat!)… Und wenn man die jüngsten Verlautbarungen in der Presse verfolgt, sieht es auch nicht so aus, als würde man langfristig auch nur ansatzweise etwas in Bezug auf die Landnutzung im Einzugsgebiet der Ahr ändern wollen.

Wer selbst einen kurzen Einblick über die Geschehnisse im Ahrtal haben möchte, dem seien nochmal folgende Videoaufzeichnungen von Prof. Dr. Bernd Gerken empfohlen. Wir weisen auch darauf hin, dass man u.a. Flächen verfüllt hat, um illegal ein Gewerbegebiet auszubauen oder einen Campingplatz zu erweitern – werden diese dann nach der Fertigstellung des Konzepts auch zurück gebaut, wenn sie erst einmal stehen? Wohl sicher nicht!

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Das Pützfeld Hangmoor im Ahrtal – ein Fall zur Wiederherstellung

Ungenehmigte Verfüllung und somit temporäre Zerstörung eines Hangmoors für die Ausweitung eines Gewerbegebiets – offenbar war die Erweiterung des Gewerbegebietes schon länger geplant, konnte aber wegen des Schutzgebietes nicht durchgeführt werden. Nun hat man die Gunst der Stunde genutzt, um dieses Schutzgebiet mindestens temporär zu zerstören?

 


Feuchtgebiet und Quellsumpf bei Pützfeld / Ahr-Aue – 2. Teil

Weitere Planierung und somit temporäre Zerstörung des Hangmoors und Nutzung der Fläche als Holzplatz.

 


Die Ahr nach der Katastrophe 1: gefährliche Ufer und Flächenbehandlung

Entfernung von Auengehölzen, starke Befahrung der Uferzonen, Anlage eines ungünstigen Trapezprofils – hierbei handelt es sich um einen nicht genutzten und nun vorerst vergeudeten Retentionsraum.

 


Die Ahr nach der Katastrophe 2: Erosion an den ungeeigneten Auffüllungen
der Aue und der Ahr-Ufer

Ungeeignete Ufer- und Flächenbehandlung, Anlage eines Trapezprofils: solche Maßnahmen sind hochwasserschutztechnisch kontraproduktiv!

 


Die Ahr nach der Katastrophe 3: Verheerende Zerstörungen im Langfigtal

In einem NSG wurde mit schweren Maschinen die Böden flächig verdichtet sowie Flora und Fauna weitestgehend zerstört.

 


Die Ahr nach der Katastrophe 4

Anlage von Erddeponien bei Rech,Verfüllung und Planierung der Aue bei Heimersheim/Lohrsdorf und Bad Bodendorf – um einen Campingplatz zu erweitern?

 

Anmerkung für die Behörden vor Ort: ab ca. 4:05 sind eine durch das Hochwasser natürlich entstandene Schotterbank sowie andere wertvolle Strukturen zwischen Heimersheim/Lohrdorf und Bad Bodendorf zu sehen, welche genau so wie sie sind erhalten bleiben sollten! Dort muss niemand irgendwelchen Schotter mit schweren Maschinen abtragen!


Johannes Hansmann


 

https://de.wikipedia.org/wiki/Ahr

https://de.wikipedia.org/wiki/Ahr_(Weinanbaugebiet)

https://de.wikipedia.org/wiki/Ahrtal

„Die Furcht vor der nächsten Flut“, Leipziger Volkszeitung vom 07.02.2022, Seite 2

https://www.lebensraumwasser.com/aus-der-geschichte-und-erfahrungen-lernen-katastrophenvorsorge-durch-wissenstransfer-gastbeitrag/

https://bnn.de/nachrichten/wirtschaft/ahrtal-uber-halbe-milliarde-euro-sachschaeden-fuer-wirtschaft

https://de.wikipedia.org/wiki/Ahr_(Weinanbaugebiet)

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Hochwasserereignisse_an_der_Ahr

https://wetterkanal.kachelmannwetter.com/meteorologische-chronologie-der-flutkatastrophe-im-westen-deutschlands-im-juli-2021/

10  https://de.wikipedia.org/wiki/Hochwasser_in_West-_und_Mitteleuropa_2021#Rheinland-Pfalz

11  https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/ahrtal-flut-wiederaufbau-100.html

12  https://www.deutschlandfunkkultur.de/flaechenversiegelung-ahr-flutkatastrophe-100.html

13  „Alles im Fluss? Aufschütten, einebnen: An der Ahr und ihren Ufern wird seit der Flut baulich viel verändert – Experten fürchten Folgen für Mensch und Natur“, Rheinzeitung vom 23.10.21. S. 6

14  https://www.sueddeutsche.de/wissen/naturschutz-bad-neuenahr-ahrweiler-experte-besonderes-ahr-naturschutzgebiet-wird-zerstoert-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-220115-99-717622

15  https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/koblenz/ahrtal-flusslauf-naturschutz-100.html

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