Reaktionen auf die Resolution des 4. Internationalen Auenökologiesymposiums

Verlesung der Resolution durch Prof. Dr. Bernd Gerken. Screenshot aus dem Livestream

Hiermit geben wir den Besuchern unserer Website unsere aktuelle Pressemitteilung bezüglich der Reaktion des Sächsischen Staatsministeriums für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft betreffs unserer Resolution zu Kenntnis.

Kurz zur Erklärung: Anlässlich des 4. Internationalen Auenökologiesymposiums wurde im Oktober des vergangenen Jahres eine Resolution verabschiedet ( Link zur Resolution ). Der Kreis der Unterstützenden der Resolution wurde größer, weswegen es im Dezember 2021 zu einer Aktualisierung der Resolution kam ( Link zur Neuauflage Resolution ). Am 01.12.21 wurde die Resolution an Herrn Staatsminister Günther per Mail versandt und angefragt, ob sich die Sächsische Landesstiftung für Umwelt und Natur, welche das Symposium auch unterstützt hat, sich an der Resolution beteiligen würde (Beteiligungsanfrage). Am 24.01.22 bekamen wir ein Antwortschreiben (Antwort Resolution – 4. Internationales Leipziger Auenökologiesymposium) auf welches wir nun mit der unten stehenden Pressemitteilung antworten.


Resolution des 4. Internationalen Auenökologiesymposiums: Antwortschreiben SMEKUL

A. Pressemitteilung zu dem Antwortschreiben

Waldschützer/innen fordern: „Auwälder müssen endlich der Dynamik der Natur überlassen werden!“

Sämtliche rezenten Auenwälder in Deutschland und alle Wälder auf ehemaligen Auenstandorten, die durch Wiederherstellung des natürlichen Wasserregimes wieder zu echten Auenwäldern entwickelt werden können, werden aus dem forstlichen Management durch Gesetz ausgeschieden“. Dies fordern die Teilnehmer/innen, einige Umweltverbände sowie namhafte Waldökolog/innen und Waldschützer/innen wie Peter Wohlleben, Professor Pierre Ibisch, Professor Michael Succow und Professor Hans Dieter Knapp in einer Resolution im Rahmen des 4. Internationalen Leipziger Auenökologiesymposiums, ausgerichtet durch den Naturschutzverein Naturschutz und Kunst Leipziger Auwald – NuKLA e.V. im Oktober 2021.

Flussauen gehören zu den Ökosystemen, denen der Mensch im vergangenen Jahrhundert am meisten zugesetzt hat. Die noch existierenden Auwälder kann man nur noch als klägliche fragmentierte Reste einstiger Auenlandschaften betrachten, die zudem durch Deiche und intensive forstliche Eingriffe stark gefährdet sind. Es ist also eigentlich nur logisch, diese letzten Relikte, zu denen auch der Leipziger Auwald gehört, endlich wirksam durch Prozessschutz zu bewahren und dem forstlichen Zugriff zu entziehen.

Das Umweltministerium des Freistaates Sachsen ist sich in den letzten Jahren der kritischen Situation des Leipziger Auwaldes mehr und mehr bewusst geworden und hat erste – zwar zaghafte, jedoch durchaus ermutigende – Schritte eingeleitet, das Leipziger Auensystem durch ein Naturschutzgroßprojekt hydrologisch revitalisieren zu wollen – eine Grundvoraussetzung für die auendynamische Eigenentwicklung auch der Weich- und Hartholzwälder.

Umso befremdlicher fiel die Reaktion des Umweltministeriums auf die Zusendung der Resolution aus: Um das artenreiche Ökosystem des Leipziger Auwaldes zu erhalten, sei neben der Verbesserung des Wasserhaushaltes ein “abgestimmtes forstliches Management erforderlich”, eine Behauptung, die nicht nur unbegründet bleibt, sondern schlicht falsch ist. Das Gegenteil ist der Fall: Sachsenforst und das Leipziger Forstamt haben in der Vergangenheit hinlänglich bewiesen, dass sie die wertvollen Waldbestände entwerten und zunehmend zerstören.

Eine Trendwende ist nicht erkennbar. Nicht das Umweltministerium hat kürzlich eine Überarbeitung des Managementplans für den Leipziger Auwald initiiert, sondern Herr Sickert von Stadtforsten im Schulterschluss mit Herrn Padberg von Sachsenforst. Viel offensichtlicher geht es eigentlich nicht mehr: Ein Weiter-So in der Forstwirtschaft soll unter dem Deckmäntelchen des Naturschutzes für weitere Jahre zementiert werden. Und das Schreiben des SMEKUL zeigt bereits, wie stark die Macht der Forstwirtschaft offensichtlich ist: Ohne weitere Prüfung und ohne überhaupt zu wissen, inwieweit eine hydrologische Redynamisierung möglich sein würde, wird bereits erklärt, dass die Forstwirtschaft in Leipzigs Auwald segensreich für dessen FFH-Schutzgüter sei.

Das Umweltministerium Sachsens wird sich entscheiden müssen: Will es endlich eine Auenrevitalisierung angehen, umsetzen und damit konsequent gleichermaßen dem massiven Verlust von Biodiversität wie auch der Klimakrise entgegen treten, oder möchte es weiterhin die forstliche Ideologie des WaldBAUS unterstützen! Eines sei bereits ganz deutlich gesagt: NuKLA e.V. wird sich auch weiterhin mit der gebotenen Konsequenz für den Erhalt des Leipziger Auwalds einsetzen und ist jederzeit bereit, dafür zu streiten, auch erneut vor Gericht.

Hier nun das ausführliche Antwortschreiben von NuKLA e.V. an das sächsische Umweltministerium:


B. Antwortschreiben

Sehr geehrter Herr Staatsminister Günther, sehr geehrter Herr Kilian,

vielen Dank für Ihr Antwortschreiben vom 24. Januar 2022 zu unserer Resolution des 4. Internationalen Auenökologiesymposiums vom Oktober 2021.

Leider befremdet uns Ihr Schreiben doch ziemlich. Ihr Fazit lautet: “Um das artenreiche Ökosystem des Leipziger Auwaldes mit seinen Lebensräumen zu erhalten, ist neben einer Verbesserung des Wasserhaushalts durch die Initiierung auendynamischer Prozesse ein abgestimmtes forstliches Management erforderlich. Naturschutzseitiger Handlungsbedarf besteht insbesondere aufgrund unzureichender bis schlechter Erhaltungszustände der auentypischen Natura 2000-Schutzgüter. In geeigneten Bereichen sind daher Maßnahmen zur Erhaltung und Entwicklung auentypischer Biotope, Lebensraumtypen und Arten erforderlich. Die Grundlage dafür bildet die FFH-Managementplanung.”

Ihr Ministerium beabsichtigt, eine großangelegtes Auenrevitalisierungsprojekt im Leipziger Auensystem als Naturschutzgroßprojekt auf den Weg zu bringen (Thesen hierzu: https://www.ufz.de/export/data/global/245354_DP_9_2020_Wirthetal.pdf). Dies ist sehr zu begrüßen, denn natürlich kann nur eine hydrologische Dynamisierung die Leipziger Auenlandschaft überhaupt retten.

Wie und in welchem Umfang eine solche Redynamisierung tatsächlich gelingen wird – und welche Restriktionen und wirtschaftlichen Interessen dagegen sich schlussendlich durchsetzen werden (wir denken z.B. an das WTNK), steht selbstredend noch in den Sternen. Aber offensichtlich wissen Sie schon jetzt, dass ein forstliches Management – man sollte eigentlich ehrlicherweise von forstlichen Eingriffen sprechen – notwendig sein wird, um ungünstige Erhaltungszustände von Natura 2000-Schutzgütern zu verbessern.

Für diese Behauptung werden Argumente in Ihrem Schreiben nicht vorgebracht. Sie erläutern zunächst, dass Laubbäume mit einem Durchmesser > 80 cm nicht mehr gefällt werden, was jedoch keineswegs eine Maßnahme zur Verbesserung der Waldlebensraumtypen sein kann, sondern allenfalls eine Maßnahme, um forstliche Schäden zu mindern. Interessanterweise heben Sie in Ihrem Schreiben dann die Prozessschutzflächen hervor, die in ihrer Größe angewachsen seien. Wenn Ihr Ministerium diese erfreuliche Tatsache jedoch begrüßt (aus unserer Sicht zu Recht), warum begrüßen Sie dann nicht die Zielrichtung unserer Resolution, sondern lehnen sie offensichtlich ab?

Wie Schutzgüter durch forstliche Eingriffe tatsächlich verbessert werden sollen, wird nicht begründet. Wie auch? Denn wäre dem tatsächlich so, müssten solche Verbesserungen ja auch in den letzten Jahren erkennbar geworden sein. Und an der forstlichen Ideologie hat sich bis heute nichts geändert, wie sich an den öffentlichen Äußerungen der verantwortlichen Forstbeamten unschwer erkennen lässt.

Die Erhaltungszustände der Schutzgüter haben sich nicht verbessert, im Gegenteil! Die massiven Schädigungen, die durch die forstlichen Eingriffe der letzten Jahrzehnte im Leipziger Auwald erfolgt sind, erschließen sich bereits jedem halbwegs naturschutzfachlich gebildeten Waldspaziergänger, in ihrer ganzen Tragweite natürlich viel deutlicher systemisch denkenden Waldökologen, wie sie auf dem NuKLA-Auenökologiesymposium 2021 zugegen waren (s. Unterzeichner/-innen der Resolution). Leider war indes die Teilnahme des SMEKUL und LfULG am Symposium sehr überschaubar.

Die forstlichen Eingriffe und damit einhergehenden Schädigungen des Waldökosystems im Leipziger Auwald manifestieren sich u.a. durch:

  • (Klein)Kahlschläge in Wald-FFH-Lebensraumtypen (flächige Verluste) und deren Ersetzung durch plantagenartige monotone Altersklassenaufforstungen (Stadtforsten und Sachsenforst), wobei auch nichtheimische Arten wie Roteiche, Schwarznuss, Esskastanie und Elsbeere zum Einsatz kommen (Sachsenforst),
  • Destabilisierung von FFH-LRT-Altbeständen durch massive Altdurchforstungen, einhergehend mit flächigen Bodenschädigungen, einer empfindlichen Reduzierung der Biomasse (häufig mehr als 100 Fm/ha Holzernte), Auflichtung der klimatisch so wichtigen Kronendächer usw. (Stadtforsten und Sachsenforst),
  • Destabilisierung von FFH-LRT-Altbeständen durch sog. Sanitärhiebe, teils scheinbegründet mit dem Arbeitsschutz, die nicht dem Schutz der Menschen dienen, sondern dynamischen Prozessen völlig zuwiderlaufen und der forstlichen Ideologie des „Aufräumens“ folgen,
  • Zerstörung einer großen Waldfläche im NSG „Burgaue“ durch das sog. Mittelwaldumwandlungsexperiment (Stadtforsten),
  • eine starke Förderung des Ahornaufwuchses durch alle intensiven forstlichen Eingriffe (Stadtforsten und Sachsenforst).

In dem Ihnen vielleicht bereits bekannten (ansonsten sei Ihnen der Film sehr zu empfehlen) NuKLA-Film “Der Leipziger Auwald – Ein Nachruf?” (2021) sind die forstlichen Schädigungen ausführlich dokumentiert und analysiert: https://www.youtube.com/watch?v=F2PhppM-bIk.

Die in Ihrem Schreiben erwähnten Kalamitäten sind sicherlich auch den Dürren insbesondere der Jahre 2018 bis 2020 geschuldet, werden aber auch in starkem Maße und nachhaltig (so die Zerstörung der Waldböden) getriggert durch die intensiven forstlichen Eingriffe.

Wir lasen kürzlich in der Presse: Der Managementplan zum Leipziger Auensystem soll aktualisiert werden; eine Aufgabe Ihrer Naturschutzverwaltung, eigentlich… Interessanterweise kam die Initiative hierfür jedoch nicht vom Naturschutz, sondern von der Forstwirtschaft – im Schulterschluss Herr Sickert von Stadtforsten und Herr Padberg von Sachsenforst (z.B.: https://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/255117). Viel offensichtlicher geht es eigentlich nicht mehr. Das Ziel scheint sehr klar: Die forstlichen Institutionen und ihre Bediensteten und Begünstigten werden versuchen, die teils ziemlich schwammigen Vorgaben des Managementplans so zu konkretisieren bzw. konkretisieren zu lassen, dass sie so weiter agieren können wie bisher. Ein Umdenken ist nicht einmal in Ansätzen erkennbar. Darauf deuten alle öffentlichen Aussagen von Sachsenforst und Stadtforsten unmissverständlich hin. Die forstlichen Eingriffe sollen unter dem Deckmäntelchen des Naturschutzes als Maßnahmen zur Gebietsverwaltung tituliert werden, um keine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchführen zu müssen. Womit man sich dann vermutlich auch die Beteiligung der GRÜNEN LIGA Sachsen e.V. vom Halse halten möchte. Ein sicherlich nicht ungeschickter Versuch, so das OVG-Urteil zum Leipziger Auwald, welches die GRÜNE LIGA Sachsen e.V. und NuKLA e.V. gewonnen haben, zu unterlaufen – allerdings auch ein sehr durchsichtiger!

Ihr Schreiben zeigt unseres Erachtens nach bereits recht deutlich, wie stark die Macht der Forstwirtschaft ist: Ohne weitere Prüfung – und ohne überhaupt zu wissen, inwieweit eine hydrologische Redynamisierung möglich sein wird – erklären Sie bereits, dass auch in einem solchen Fall die Forstwirtschaft segensreich für FFH-Schutzgüter sein wird. Eine solche Aussage durch die oberste Naturschutzbehörde müssen wir leider als ersten, aber bereits recht deutlichen Schritt eines Offenbarungseides gegenüber der Forstwirtschaft interpretieren.

Eines sei bereits ganz deutlich gesagt: Wir, NuKLA e.V. und GRÜNE LIGA Sachsen e.V., werden uns auch weiterhin mit der gebotenen Konsequenz für den Erhalt des Leipziger Auwalds einsetzen. Wir werden die Überarbeitung des Managementplans sowie die weiteren Forsteinrichtungen und Forstwirtschaftspläne im Rahmen unserer Mitwirkungsrechte sehr kritisch begleiten. Und wir sind jederzeit bereit, wieder dafür zu streiten, auch vor Gericht.

Ihr Schreiben haben wir an die Unterzeichner/innen der Resolution weitergeleitet. Einige Kommentare hierzu möchten wir Ihnen nicht vorenthalten:

Dr. Siegfried Klaus (Zeitzeuge der forstlichen Verwüstungen im Auwald und Mit-Herausgeber des Buchs „Der Holzweg“ [oekom-Verlag 2021]):
„Brutale Eingriffe in den Leipziger Auwald haben Geschichte. Im Winter 2007-2008 trauten wir unseren Augen nicht, als uns der übliche Spaziergang in den Connewitzer Teil des Leipziger Auwald führte: Der Leipziger Stadtforstbetrieb „erntete“, was über Jahrzehnte gewachsen war. Schwertechnik zerfurchte die empfindlichen Böden der Aue, zermalmten die Baumverjüngung und schleppten prachtvolle alte Eichen, Linden, Eschen und Ahorne zu den Polterplätzen, die sich über 1 km Länge ausdehnten. Eine vorherige Markierung und Schutz von Höhlenbäumen – Fehlanzeige. Zurück blieben tief zerfurchte Waldböden, z. T. wassergefüllte, knietiefe Fahrspuren, aufgerissene Kronendächer, teilweise geschädigte Zukunftsbäume und Verlust an Altholz, darunter viele Eichen im besten Alter. Kreischende Begleitmusik lieferten an Wochenenden die Sägen der Selbstwerber, die Brennholz für ihre Kamine benötigten. Mein kritischer Beitrag in „Nationalpark 2/2008“ führte damals nicht zu einem Umdenken in der Behandlung dieses einzigartigen Waldes, dem wichtigsten Erholungsraum für die Bürger der Großstadt Leipzig.“

Stefan Michel, Diplom-Biologe und freiberuflicher Gutachter für Naturschutz und
Naturressourcenmanagement:
„Aus meiner Erfahrung ist es für die Erhaltung der Auenwälder notwendig, auf forstliche Ansätze und Maßnahmen zu verzichten. Stattdessen sollten die wenigen erhaltenen Auenwälder eine rein vom Naturschutz bestimmte Behandlung erfahren, wobei Prozessschutz und eine spezielle, naturschutzfachlich gut begründete Pflege und Entwicklung sich ergänzen können, besonders dringend eine hydrologische Redynamisierung. Aus eigener Anschauung konnte ich feststellen, dass durch forstliche Institutionen geplante und durchgeführte Maßnahmen überwiegend den Notwendigkeiten der Erhaltung der Auenwälder widersprechen. So habe ich mir im Juli 2020 das forstliche Management im Leipziger Auwald angesehen, z.B. (Klein-)Kahlschläge mit anschließender naturferner plantagenartiger Aufforstung, z.T. sogar mit Roteichen, Elsbeeren und Esskastanien im Waldgebiet Kanitzsch, oder als „Mittelwaldumwandlung“ deklarierte, ökosystemar katastrophale Schirmschläge im Naturschutzgebiet Burgaue. Hier wurde auf mehreren Teilflächen die ehemalige naturnahe Waldstruktur mit vielen Altbäumen nahezu vollständig aufgelöst, Überhälter sind durch die Freistellung schwer geschädigt und teilweise bereits abgestorben. Auf älteren Umwandlungsflächen ist die Bodenvegetation durch dichten Ahornaufwuchs ausgeschattet, auf neueren Umwandlungsflächen haben die plötzliche Besonnung, Erhitzung und Austrocknung sowie die Bodenverwundungen zu einer massiv gestörten, ruderalisierten Vegetation geführt. Solche forstlichen Maßnahmen als günstig für die Biodiversität zu bezeichnen, widerspricht jeglichen modernen waldökologischen Erkenntnissen, und diese Maßnahmen können keinesfalls als der Erhaltung des Auenwald dienend bezeichnet werden. Das Umweltministerium Sachsens sollte daher die forstliche Ideologie des WaldBAUS durch massive Eingriffe nicht weiter rechtfertigen.“

Harry Neumann, Bundesvorsitzender der Naturschutzinitiative e.V. (NI):
„Der Konflikt im Leipziger Auwald macht deutlich, dass es in den deutschen NATURA 2000-Waldgebieten dringend einer grundlegenden Reformierung und Neuausrichtung des Gebietsmanagements bedarf. Die Aufgabenbereiche des naturschutzfachlichen Managements sowie der Gebietskontrolle dürfen nicht mehr länger in der Hand der Forstbehörden liegen, sondern fach- und rechtsaufsichtlich bei den Landesnaturschutzbehörden. Die Naturschutzbehörden müssen insbesondere für Waldgebiete endlich Naturschutzplanungen vorlegen, die sich an modernen waldökologischen Anforderungen ausrichten, statische Naturschutzverständnisse überwinden sowie endlich erkennen und klar formulieren, dass die derzeitige Forstwirtschaft in aller Regel (mit wenigen Ausnahmen wie z.B. der Erhalt kulturell/historisch wertvoller Niederwälder oder Hutewälder) Waldökosysteme und deren Biodiversität gefährdet. Dies gilt natürlich in besonderem Maße für die hochgradig dynamischen Auensysteme.“

Norbert Panek (Agenda zum Schutz deutscher Buchenwälder):
„Das Beispiel Leipziger Auwald zeigt: Es muss endlich Schluss sein mit dem Primat der Forstwirtschaft in FFH-geschützen Waldgebieten. Nur ein konsequentes Zulassen ungestörter natürlicher Waldentwicklungsprozesse kann dort den Erhalt der Vielfalt natürlicher Wald-Lebensräume auf Dauer gewährleisten. Derartige Wälder entstehen nur durch ein konsequent naturschutzorientiertes und in großen Teilen Nutzungsverzicht übendes Ökosystem-Management. Nehmt den Förstern im Leipziger Auwald endlich die Säge aus der Hand!“

Karl-Friedrich-Weber (einer der besten Eichenexperten Deutschlands, der auch die Stiftung Naturlandschaft vertritt) zu den Jungaufforstungen:
„Nach sechs Jahrzehnten beruflicher und ehrenamtlicher Erfahrung mit der Bewirtschaftung von Eichenwäldern ist meine Erkenntnis: Die gegenwärtige plantagenartige Verjüngung der Eichenwälder im Kahlschlagverfahren und Auflichtung der Bestände ist gegen die natürliche Dynamik gerichtet sowie extrem bodenschädigend und unwirtschaftlich.“

Dr. Torsten Welle (Leiter Wissenschaft und Forschung der Waldakademie Lübeck):
„Ein gesundes Auenwaldsystem benötigt kein abgestimmtes forstliches Management zur Verbesserung des Wasserhaushaltes. Wenn das nötig ist, war das Auenwaldsystem vorher schon in einem naturfernen, nicht funktionsfähigen Zustand!“

Prof. Dr. Bernd Gerken (Aueninstitut für Lebendige Flüsse, Leipzig):
„In Flusssystemen prägen die Dynamik des Wassergangs mit gebietstypischen Schwankungen der Niedrig- und Hochwasserzeiten sowie das Geschiebe und das treibende Genist, als das von den Gewässern bewegte Substrat, die Gestalt der Auen und die Lebensdauer der Pflanzen- und Tiergemeinschaften. In der Sprache der Forstwirtschaft wird manchmal gesagt, das Hochwasser bestimme die Umtriebszeit der Wälder. Wer in solchen Ökosystemen zusammenhängende, nach Artenzusammensetzung und Struktur einheitliche Bestände sucht, wie moderne Forstwirtschaft sie nach ihren häufig naturfremden Regeln baut, tut sich schwer, denn die Dynamik der Fließgewässer lässt in den Auen ein komplexes Mosaik an Standorten entstehen, und vielerorts haben wir keine reinen “Typen” von z.B. Weichholz- oder Hartholzauen vor uns, sondern Durchdringungskomplexe, die eine Kartierung eher erschweren Aber besser, machen sie diese Aufgabe sogar reizvoller! Durchdringungskomplexe widersetzen sich oft einer z.B. pflanzensoziologischen Einordnung. Auenwälder sind zudem seit Menschengedenken genutzt und bewirtschaftet worden, jedoch die meiste Zeit nicht nach den Regeln der so genannten ordnungsgemäßen Forstwirtschaft, sondern oft genug exploitativ und ohne übergeordnete Pläne. Die längste Zeit ihrer Entwicklung waren zudem Weidetiere mit-prägende Elemente dieser Lebensräume, so der Rothirsch, der Auerochse und bis in jüngste Zeit Herden kleinbäuerlich gehaltener Rinder, Pferde, Schweine, Ziegen und Schafe. Die Bedeutung dieser Ökosysteme prägenden Weidetiere resultiert aus der Tatsache, dass sie zu den natürlichen Requisiten aller europäischen Ökosysteme hinzugehören und u.a. eine lebensraumvernetzende Wirkung erfüllen. Und ihre Wirkung u.a. auf die Vogel-, Insekten- und Fledermausfauna waren überragend! Noch immer bilden die verbliebenen Auen die Hotspots der Artenvielfalt in Europa, doch wir kennen sie in ihrer Funktionsweise nicht wirklich, und wir sehen wie im Auwald Leipzig, an vielen Abschnitten von Elbe, Rhein, Donau und Weser ihr Dahinsiechen, weil die Flüsse ihre einstigen Auen noch immer nicht wieder gestalten dürfen! Wir wissen allerdings, dass sie zu den prägenden Klima-regulierenden Ökosystemen gehören, und für die Regeneration nachhaltiger Grund- und Trinkwasservorräte verantwortlich sind. Doch wir wissen auch, dass sie diese zunehmend existentiell wichtigen Aufgaben als dahinsiechende Restökosystem nicht wirklich erfüllen können. Es wird daher Zeit, dass wir diesen Ökosystemen den ihnen gebührenden Raum und die Zeit geben, sich nach Gesetzen der Natur wiederherstellen zu können. Dazu bedarf es des Anschlusses aller Auenlandschaften an die Wasserführung der sie einst prägenden Fließgewässer. Und es bedarf einer Forstruhe, indem in Auenwäldern auf absehbare Zeit weder Brennholz noch Wertholz erwirtschaftet werden muss. Dazu empfehlen wir für ausgewählte Gebiete einen Zeitraum von mindestens einer Baumgeneration, gemessen am Lebensalter der die europäische Hartholzauen prägenden Stieleiche mit einem Lebensalter von mindestens 400 bis 500 Jahren, jedoch für alle übrigen Auenwaldbestände von mindestens 100 Jahren.“

Vor diesem Hintergrund bitten wie Sie mir größtem Nachdruck, Ihr geplantes und in Ihrem Schreiben zum Ausdruck gebrachtes Vorgehen einer erneuten Prüfung zu unterziehen.

Mit freundlichen Grüßen

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