Auch zu Ostern will NuKLA e.V. es genauer wissen

Wegesicherungsmaßnahmen in der Burgaue. Aufnahmedatum 04.03.2022. Foto: J. Hansmann

Vielleicht erinnern sich manche Lesende unserer Website noch an unseren Beitrag vom 17.02.22 zu den geplanten Wegesicherungsmaßnahmen im Leipziger Auwald.1 Natürlich sind wir an diesem Thema dran geblieben und geben hiermit den Lesenden unserer Website die neuesten Entwicklungen zu diesem Thema zur Kenntnis. Worum ging es noch einmal?

Aus der Presse erfuhren wir am 15.2 und 16.02.20223 von geplanten Baumfällungen auf dem gesamten Stadtgebiet, da viele Bäume in Folge der Dürre, Krankheiten usw. geschädigt seien. Neben Fällungen in diversen Parks wurden auch im Schlosspark Lützschena, der Burgaue und an der Gustav-Esche-Straße Wegesicherungsmaßnahmen angekündigt. Aufgrund der hohen Anzahl der Bäume hatten wir aber noch Fragen hierzu. Daraufhin haben wir in einem Offenen Brief4 eine Anfrage nach SächsUIG gestellt.

Einige Tage später erschien in der LVZ am 24.02.22 ein Artikel, in welchem nochmals über die geplanten Maßnahmen sowie unseren Offenen Brief berichtet wurde. Die Stadt Leipzig verwies gegenüber der LVZ jedoch auf die Verkehrssicherungspflicht – was aber unsere Fragen ja nun nicht beantwortete.

Gefällte Esche an der Gustav-Esche-Straße. Aufnahmedatum 04.03.2022. Foto: J. Hansmann

Ab dem Monatswechsel Februar/März 2022 haben wir dann mehrere durchgeführte Baumfällungen im Schlosspark Lützschena, der Burgaue und entlang der Gustav-Esche-Straße dokumentiert. Prinzipiell schien es sich im Großen und Ganzen wirklich um Wegesicherungsmaßnahmen zu handeln, auch wurden vorwiegend tatsächlich absterbende oder bereits abgestorbene Bäume gefällt, aber dies änderte ja nichts daran, dass wir immer noch keine Antworten auf unsere Fragen erhalten hatten. Darum wurde durch uns am 28.03.22 eine entsprechende Klage wegen Untätigkeit auf eine Anfrage nach SächsUIG auf den Weg gebracht.

Am 31.03.22 erhielten wir dann eine Mail vom Amtsleiter des Amts für Stadtgrün und Gewässer, in welcher teilweise unsere Fragen beantwortet wurden, leider aber eben nur teilweise (PDF der Mail, Anhang 1, Anhang 2, Anhang 3, Anhang 4, Anhang 5)!

Darum haben wir gestern am 14.04.22 eine weitere Offene Anfrage gestellt und hoffen nun auf Klärung unserer Fragen. Wenn alles seine Richtigkeit hat, sollte man uns unsere Fragen ja problemlos beantworten können. Die neue Offene Anfrage finden Sie unter diesem Beitrag.

Natürlich werden wir die Lesenden unserer Website auch weiterhin über die weiteren Entwicklungen zu dieser Sache informieren. Überdies wünschen wir allen ein frohes Osterfest!


Offener Brief vom 14.04.2022

Sehr geehrter Herr Dittmar,

vielen Dank für die Übersendung der Antworten, die Sie uns nach der Überstellung des Klageschreibens der von uns beauftragten Kanzlei vom 25.03.2022 wegen Untätigkeit auf eine Anfrage nach SächsUIG übermittelt haben.

Allerdings stellen sich nach Auswertung der uns zugesandten Informationen einige Fragen hinsichtlich der Vollständigkeit und auch der Rechtmäßigkeit der vorgenommenen Fällungen.

Im LVZ-Artikel vom 16.02.2022 war zu lesen, wobei die Informationen zu diesem von Ihrem Amt gekommen sein dürften: „Damit nur gefällt wird, was für das Gesamt-Biotop im Schlosspark auch verträglich ist, wurde ein Sachverständigenbüro für Artenschutz engagiert.“

In Ihrem Antwortschreiben an uns vom 31.03.2022 schreiben Sie: „Ein artenschutzrechtlicher Fachbeitrag, der die Baumpflegearbeiten bewertet, wurde nicht erstellt. Da die Arbeiten unter Beteiligung einer gesonderten ökologischen Begleitung erfolgten… Die ökologische Begleitung erfolgte durch fachlich geeignete Personen mit entsprechenden Berufserfahrung und einschlägigen Referenzen.“

Ihrem Antwortschreiben sind allerdings keinerlei Informationen über Ergebnisse einer ökologischen Begleitung o. ä. beigefügt (keine Daten zu den Vorab-Kontrollen, keine Ergebnisse im Rahmen der Fällbegleitung). Es ist jedoch grundsätzlicher Standard, dass im Rahmen einer als seriös zu bezeichnenden ökologischen Bau- oder Fällbegleitung eine ausführliche Dokumentation mit den Befunden der Begutachtung erfolgt. Eine artenschutzrechtliche Betrachtung ist nach Ihrem Antwortschreiben gar nicht erfolgt. Es stellt sich die Frage, warum dies nicht erfolgte – gerade angesichts der sehr zahlreichen alten und dicken Bäume, die betroffen waren -, denn das Artenschutzrecht gilt bekanntermaßen grundsätzlich und überall. Die Aussage, dass keine artenschutzrechtlichen Verbote ausgelöst bzw. verhindert wurden, bleibt somit eine bloße Behauptung, die anhand der vorgelegten Unterlagen nicht weiter überprüfbar ist.

Angesichts der Vielzahl alter gerodeter Bäume ist es vielmehr sehr merkwürdig und wenig nachvollziehbar, dass offensichtlich keine nach § 44 Abs. 1 BNatSchG geschützten Lebensstätten xylobionter Käfer, Fledermäuse oder Brutvögel betroffen gewesen sein sollen und somit auch kein Kompensationsbedarf zu ermitteln war?

Aus den Unterlagen ergibt sich zudem nicht, dass dem obersten Primat der Eingriffsminimierung tatsächlich in ausreichendem Maße Rechnung getragen wurde. Es finden sich keine belastbaren Informationen, warum eine zwingende Notwendigkeit für all diese Fällungen bestanden haben soll. Vor Ort kommen vielerorts erhebliche Zweifel auf, z.B. in der Nähe des Campingplatzes am Auensee. Hier wurden alte Eschen gefällt (und zwar sogar bodennah), die teils 20 m und mehr von der Grenze des Campingplatzes entfernt standen. Auch bei anderen Bäumen, z.B. bei solchen, die eindeutig vom Weg weggeneigt waren oder auch in deutlichem Abstand vom Weg stockten, ergeben sich erhebliche Zweifel. Nähere Begründungen, warum die Fällungen jeweils zwingend erforderlich waren, unter nachvollziehbarer Benennung und Beschreibung der Gründe, sind in den beigefügten Unterlagen nicht enthalten.

Sehr überrascht hat uns auch Ihre Antwort zur FFH-Thematik: „Eine FFH-Verträglichkeitsprüfung zur Beseitigung der akuten Gefahrensituation (s. Frage 3) war nicht erforderlich… Es waren nur Maßnahmen zulässig, die der Wiederherstellung der Verkehrssicherung an öffentlichen Wegen und Orten des öffentlichen Interesses (Bänke, Skulpturen, Denkmale, Gräber etc.) dienten.“. Überraschend auch dahingehend, dass Ihr Amt das OVG-Urteil zum Leipziger Auwald unseres Sachstandes nach sehr merkwürdig, unserer Ansicht nach rechtlich nicht haltbar, auslegt: s. https://static.leipzig.de/fileadmin/extensions/pressreleases/D6DD8530F875630AC125858A004B858B/465-quo-Auwald-OVG-Urteil.pdf : „…so Rüdiger Dittmar. Vielmehr werde künftig eine strikte Trennung erfolgen und für Maßnahmen der Verkehrssicherung eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt werden, wenn erhebliche Beeinträchtigungen der Schutzgebiete nicht offensichtlich ausgeschlossen werden können…”

Demnach hätte Ihr Amt ja gerade für diese Maßnahmen eine FFH-VU beauftragen müssen. Oder hat Ihr Amt mittlerweile erkannt, dass diese Interpretation rechtlich nicht haltbar ist?

Wobei das OVG-Urteil natürlich sehr eindeutig besagt, dass AUCH für die anderen Maßnahmentypen wie Schirmhiebe, Kleinkahlschläge und Altdurchforstungen die FFH-Prüfpflicht besteht.

Zu der Frage der Verkehrssicherheit, die Sie als gegeben auch an allen Waldwegen setzen, ergeben sich ebenfalls erhebliche Zweifel. Generell besteht keine Verkehrssicherung im Wald gegenüber waldtypischen Gefahren (so z.B. Pilzbefall oder Insektenbefall). Das keine Pflicht besteht, heißt allerdings nicht, dass Verkehrssicherungsmaßnahmen im Einzelfall nicht durchgeführt werden dürfen. Im FFH-Gebiet bedarf es dafür aber der FFH-VP und ggf. einer Ausnahme, wenn z.B. Leib und Leben in zu starkem Maße gefährdet sind und in der Abwägung als überwiegend anzunehmen sind. Die menschliche Gesundheit kann ein Grund für eine naturschutzrechtliche Ausnahme sein.

Das Urteil zum Harzer Hexenstieg besagt aber, dass an Wanderwegen im Wald keine Verkehrssicherungspflicht besteht:

https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/lg-magdeburg-10o70119-schmerzensgeld-wandern-im-walde-auf-eigene-gefahr-baum-verletzung/

Der Waldbesucher, der auf eigene Gefahr Waldwege betritt, könne nicht erwarten, dass er vor jeder waldtypischen Gefahr sicher sei. Vielmehr müsse ein Wanderer oder Spaziergänger damit rechnen, dass im Wald Gefahren bestehen, und er sei selbst dafür verantwortlich ist, für seine Sicherheit zu sorgen. Risiken, die das freie Bewegen in der Natur mit sich bringen, seien deshalb entschädigungslos hinzunehmen.“

Ihr Antwortschreiben lässt solche Überlegungen gar nicht erkennen. Es finden sich in den beigefügten Unterlagen keinerlei Hinweise, dass diesen Sachverhalten und Abwägungen auch nur ansatzweise Rechnung getragen wurde, nicht einmal im Naturschutzgebiet. Es wird nicht erkennbar, auf welcher Rechtsgrundlage oder auf Grundlage welcher Gerichtsurteile die Rodungen in diesem Umfang als angeblich alternativlose Verkehrsscherungsmaßnahmen erfolgten.

Offensichtlich wurde auch gar nicht in Erwägung gezogen, zumindest in Teilbereichen auf die Fällungen zu verzichten und auf die waldtypischen Gefahren aufmerksam zu machen. So sieht man in angrenzenden Waldgebiete mittlerweile häufig Warnhinweise (Betreten auf eigene Gefahr – z.B.: https://www.imago-images.de/sp/1002501789), um Rodungen wertvoller Bäume zu vermeiden.

Mittlerweile haben wir auch weitere Rodungen alter Bäume entlang von Wegen außerhalb der Burgaue und des Schlosspark Lützschena feststellen müssen, so entlang eines Reitweges östlich der Gustav-Esche-Straße im Leutzscher Holz, so dass wir unsere erneute Nachfrage auf das gesamte FFH-Gebiet “Leipziger Auensystem” (städtische Flächen) erweitern.

Fazit: Ihr Schreiben lässt nicht erkennen, dass artenschutzrechtliche Verbotstatbestände mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen wurden und auch nicht, dass erhebliche Beeinträchtigungen maßgeblicher Bestandteile des FFH-Gebietes „Leipziger Auensystem“ vermieden wurden.

Mit explizitem Verweis auf das SächsUIG bitte ich Sie hiermit, folgende Fragen innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist zu beantworten und uns weitere Informationen zu übergeben:

  1. Bitte übermitteln Sie uns analog zu unserer ersten UIG-Anfrage alle verfügbaren Informationen über die Fällungen entlang von Wegen und Straßen auch außerhalb der Burgaue und des Schlossparks Lützschena innerhalb des gesamten FFH-Gebietes “Leipziger Auensystem” (städtische Flächen). Die weiteren folgenden Fragen betreffen somit dann auch diese Flächen (keine Begrenzung auf die Burgaue und den Schlosspark Lützschena).

  2. Geht NuKLA e.V. recht in der Annahme, dass Ergebnisse der wie Sie es nennen „ökologischen Begleitung“ gänzlich undokumentiert sind? Wenn nein, bitten wir um Übersendung der diesbezüglichen Berichte, Protokolle u.ä.. Können Sie uns „die fachlich geeigneten Personen mit entsprechenden Berufserfahrung und einschlägigen Referenzen“ benennen, die zum Einsatz kamen?

  3. Auf welcher rechtlichen Grundlage basierend wurde auf die Anfertigung eines artenschutzrechtlichen Fachbeitrages und einer FFH-Verträglichkeitsuntersuchung verzichtet? Hat das Amt für Stadtgrün und Gewässer Ihre bisherige Position zur Interpretation des Urteils des OVG Bautzen zum Leipziger Auwald revidiert? Wenn ja, übermitteln Sie uns bitte Ihre aktuelle Rechtsauffassung.

  4. Die uns bekannten Rechtsgrundlagen und die darauf fußende Rechtssprechung (z.B. zum Harzer Hexenstieg) besagt, dass an Waldwegen keine Verkehrssicherungspflicht besteht. Sie hingegen gehen offensichtlich von einer solchen an allen Wegen, an denen Fällungen stattgefunden haben, aus. Bitte begründen Sie nachvollziehbar Ihre rechtliche Auffassung.

  5. Wie erklärt das Amt für Stadtgrün und Gewässer, dass bei diesen umfangreichen Rodungen – darunter sehr zahlreiche alte und dicke Bäume – keinerlei rechtlich relevante Lebensstätten geschützter Tierarten erfasst wurden? Aus den beigefügten Unterlagen ergeben sich auch keine Hinweise auf durchgeführte Kompensationsmaßnahmen. Wurden solche doch durchgeführt (z.B. Totholzpyramiden) und wenn ja für welche konkret betroffenen Lebensstätten?

  6. Mit welcher Methodik wurden die Vorab-Untersuchungen hinsichtlich der Lebensstätten geschützter Arten durchgeführt? So ist z.B. bekannt, dass sich die Lebensstätten der Käferart Eremit häufig in den oberen Kronenbereichen befinden, die insbesondere vom Boden aus nicht sichtbar sein können. Wurde ein Hubsteiger verwendet?

  7. Welche Methodik wurde angewandt, um auszuschließen, dass die vielen betroffenen Bäume essenzielle Habitatbestandteile geschützter Vogelarten oder von Fledermäuse beinhalteten bzw. waren?

Mit frdl. Grüßen, W. Stoiber


3 „Schädlinge und fehlende Sicherheit: Stadt will hunderte Bäume roden“, Leipziger Volkszeitung vom 16.02.2022, Seite 17

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