Ein Mal die Wahrheit bitte

Die Kolumne zur NuKLA Konzertreihe von Frank Willberg, dieses Mal zum 52. Konzert, was als Schauspiel am 24. September in der Alten Börse zu Leipzig aufgeführt wird.

Wir sind krank und wollen vom Arzt oder Ärztin nicht hören „Ich kann Ihnen nicht helfen“. Auch ein „Ach so schlimm ist das doch nicht“ wäre unbefriedigend. Genauso wenig hilfreich ein Plausch mit Nachbarn, die uns unser Leiden ausreden wollen. Gleichwohl am schlimmsten erscheint mir, wenn wir uns selbst belügen und die Wahrheit nicht erkennen wollen. Zu unangenehm. Zu wenig hoffnungsvoll.

In diesem Sinne gehen mir nicht nur Lügen und andere gewöhnliche Unwahrheiten auf die Nerven. Auch Halbwahrheiten sind teuflisch. Aus diesem Grund werde ich auch keine Kolumne mehr schreiben können, denn die ganze schonungslose Wahrheit kann für die meisten Menschen nur das Werk eines Pessimisten oder gar Zynikers sein. Ein heftiges Missverständnis. Zwar hat ein berühmter Russe mal gesagt oder geschrieben „Die Wahrheit ist noch immer zumutbar“. Aber wer will sich sein oder ihr bequemes Leben schon von trüben Nachrichten vermiesen lassen?

„Es ist nicht 5 vor 12, sondern leider schon halb 1!“ Prima. Eh alles zu spät. Vielleicht hat daher die alte, soeben abgewählte australische Regierung einen verheerenden Umweltbericht erst gar nicht veröffentlicht. Darin werden nicht nur die Bedrohtheit und das Sterben von Ökosystem in Downunder geschildert. Die Fachleute prophezeien auch Temperaturen von 50 Grad – nicht in der Wüstensonne, sondern in den vergleichsweisen milden Küstenstädten.

Meinen Schulkindern habe ich von der ETH (Eidgenössische Hochschule Zürich) berichtet, die die Klimakatastrophe konkret illustriert hat: Berlin bekommt binnen 30 Jahre das Wetter von Canberra, London das von Barcelona. Ein spanischer Ranger entgegnete mir darauf „Fein, dann kommen nicht mehr so viele (blöde) Engländer nach Spanien. Ich konnte nur ein bisschen lächeln. Waldbrände und Hitze sind also nur ein Vorgeschmack, dass der Preis unseres sich-selbst-Belügens von unseren Kindern zu bezahlen sein wird. Ihr Leben wird sich in ein Überleben verwandeln.

Warum? Wir wissen doch alle warum. Wir leben wie die Maden im Speck. Wir besitzen zu viel, essen zu viel. Wir verbrauchen zu viele Ressourcen. Und das, was wir besitzen, nutzen wir zu wenig und schmeißen es oft einfach schnell weg. „Entsorgen“ nennen wir das. Dabei fangen die Sorgen beim Müll erst an. Die Hälfte unseres Essens essen wir nicht, sondern schmeißen es auf dem Weg vom Acker auf den Teller weg. Ein Viertel unseres Getreides wird an Schweine verfüttert. Ein zweites Viertel verfeuert, um Strom zu gewinnen. Und das dritte Viertel exportiert.

Apropos drei Viertel: So viele Klamotten schlummern in unseren Kleiderschränken, ohne dass wir sie tragen. Wir müssten nicht verzichten, wenn wir sie nicht besäßen. Aber ihre unnötige Produktion hat Ressourcen verbraucht, CO2 ausgestoßen. Als Maden haben wir mehr Speck um uns, als wir je essen können. Wohingegen geschätzt 80 Prozent der Menschheit nichts von dem besitzen, was wir als normal, aber eigentlich immer noch nicht genug empfinden.

In den Nachrichten wurde noch tatsächlich eine Lehrerin als Bespiel genommen, wie schlecht es uns geht, weil sie mit 3.5 brutto ihrer Tochter nicht mehr immer jeden Wunsch erfüllen kann. Dumm, dümmer, Deutschland.

Unwillkürlich denke ich an eine DDR-Punkband mit dem bezeichnenden Namen „Die Skeptiker“, die schon vor Jahrzehnten sangen: Der Rufer in der Wüste schweigt. Vergeblich war die Müh. „Drum walte Schicksal“, denkt er noch, „bevor ich weiterzieh“. Apokalyptisch, aber im Moment einfach nur realistisch.

Dafür ist auch Leipzig ein gutes schlechtes Beispiel. In unserem Umweltbericht steht, dass die CO2-Emissionen abnehmen. Ja – nur geringfügig, aber immerhin. Eine Pressemitteilung verkündete neulich außerdem, dass Leipzig bis 2040 klimaneutral wird oder werden will. Dafür dürften wir ab 2026 gar kein CO2 mehr ausstoßen, denn dann ist unser Budget bereits aufgebraucht. Dieser Teil des CO2-Diagramms und der Wahrheit ist auf der städtischen Homepage entfernt worden. Hm.

Manches von dem habe ich schon geschrieben. Ich drehe mich im Kreis. Und dieser Cree-Indianer hatte wohl einfach recht mit seinem Ausspruch, den Greenpeace so gern benutzt: Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.

Unter der geschlossenen Krone des Waldes ist es viel kühler. Er speichert Feuchtigkeit, bindet CO2. Und wenn es ein wechselnd feuchter Auwald wäre, wäre er noch kühler, ein natürlicher, artenreicher Ort. Die Fachleute aus dem NuKLA-nahen Aueninstitut hätten da viele hoffnungsvolle Aussichten. Auch von klareren Flussläufen. Davon ist bis auf weiteres nichts realistisch.

Dass in Bautzen Kahlschläge ohne Umweltverträglichkeitsprüfung und NuKLA-Beteiligung gestoppt und Fahrradspuren auf dem Innenstadtring angeordnet worden, sind kleine Lichtblicke.

Ihr Beitrag könnte ein Besuch des nächsten NuKLA Klassischen Konzertes, dieses Mal als Schauspiel, sein, um echten Auwaldschutz zu fördern. Viel Freude mit „Ewig Dein Mozart“ mit A-cappella-Gesang von und mit Cora Chilcott und alles Gute.

Bisher bestand die Kunst bei NuKLA zumeist aus Konzerten mit durchaus sehr bekannten Künstlern.  Das Experiment am 24.  September ist ein Schauspielprogramm zu Wolfgang Amadeus Mozart, “Ewig Dein Mozart”, von und mit Cora Chilcott, die mit ihren wunderbaren Ein-Frau-Programmen zu Shakespeare, Goethe, Schiller, Kleist, Lenz, Rilke u.a. und bei NuKLA mit ihrem Song-Abend “Moon of Alabama” das Publikum in  ihren Bann zieht. Mit diesem Abend, der gefüllt ist mit gesprochenen und gespielten Auszügen aus Mozarts Briefen und gesungenen Zitaten aus seinen Werken, wollen wir unseren Angeboten an künstlerischen Kleinoden ein weiteres hinzufügen.https://www.nukla.de/ewig-dein-mozart-ein-schauspiel-mit-a-cappella-gesang/

zu den Tickets: https://eveeno.com/287907647

Tickets gibt es an allen bekannten Vorverkaufsstellen und bei eventime

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