Die Auwälder sind in Gefahr – Durch die Dürre, infolge Abschaltung der Aue – und auch durch die Forstwirtschaft und deren Lobbyisten

Frühling in der Burgaue

In der Burgaue. Foto: J. Hansmann

Ein Beitrag aus dem Aueninstitut für Lebendige Flüsse

Am 23. August erschien in der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) ein Artikel “Die Auwälder sind in Gefahr”, der durch die Aussagen vom Leipziger Biologen Rolf Engelmann bestimmt wird. Verwiesen wird dort auf den Artikel “Naturschutz und Klimawandel im Leipziger Auwald” in der Zeitschrift “Biologie in unserer Zeit” (BiuZ, 1/2021) eines Autorenteams der Universität Leipzig (C. Wirth et al.), zu dem auch Rolf Engelmann gehört. Zu diesem Artikel hat NuKLA e.V. einen ausführlichen Artikel geschrieben, in dem das Bild der Lage im Leipziger Auwald aus einem dynamischeren, ökosystemaren Blickwinkel betrachtet wird und in dem auch einige Falschinformationen in diesem BiuZ-Artikel korrigiert werden: “Der Leipziger Auwald im Klimastress, Anmerkungen von B. Gerken, J. Hansmann, A. Schmoll und S. Michel”, zu lesen hier: https://www.nukla.de/2021/03/der-leipziger-auwald-im-klimastress/.

Herr Engelmann ist auch derjenige, der am 19. Oktober 2018 eine vom NABU e.V. (Regionalverband Leipzig) organisierte Exkursion für die Leipziger Stadträte in die Leipziger Burgaue leitete (https://www.nabu-leipzig.de/leipziger-auwald/auwaldschutz/exkursion-für-stadträte/), um für ein Ja zum Forstwirtschaftsplan 2018 zu werben (mit Erfolg). Seinerzeit ging es um jenen Forstwirtschaftsplan, der intensive Altdurchforstungen, Schirmschläge, Sanitärhiebe und Kleinkahlschläge mit einem Entzug von 6.500 Kubikmetern Biomasse (Holzernte) alleine im geschützten FFH-Gebiet „Leipziger Auensystem“ vorsah. Dieser wurde durch NuKLA e.V. erfolgreich beklagt, so dass er bis heute nicht ausgeführt werden kann (https://www.nukla.de/2020/06/wir-haben-gewonnen-auwaldschutz-jetzt/).

Herr Engelmann wird in dem FAZ-Artikel als DER Kenner des Leipziger Auwaldes vorgestellt: “Wie der Auwald stirbt, hat Engelmann minutiös beobachtet – und erforscht”. Die Burgaue biete zwar keinen apokalyptischen Anblick wie der Brocken im Harz, wo statt Wald Zigtausende Fichtenskelette stehen, dennoch sei auch ihr Ende nah. Zu einem solchen Schluss kommt man aber nur, wenn man statt auf das gesamte und sehr komplexe Waldökosystem zu schauen reduktionistisch lediglich auf einzelne Bäume bzw. bestimmte Baumarten fokussiert, in diesem Fall v.a. auf die Esche. In der Tat ist die Esche auch im Leipziger Auwald stark vom Eschentriebsterben betroffen, und auch die Ahorn-Rußrindenkrankheit hat sich ausgebreitet. Aber gerade bei Auenwäldern geht es darum, den Wald in seiner ganzen Dynamik zu betrachten. Und diese kann tatsächlich sehr drastisch ausfallen, wenn z.B. verstärkt Dürrejahre auftreten. Diese wirken sich besonders stark aus, wenn es sich um vorgeschädigte Bestände aufgrund einer verfehlten Forstwirtschaft handelt. Professor Pierre Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde bringt es auf den Punkt: “Es ist ein Missverständnis, dass Flächen mit geschädigten oder abgestorbenen oder entfernten Bäumen aufgehört haben Wald zu sein.” (https://www.naturschutz-initiative.de/neuigkeiten/1256-27-05-2022-wissenschaftler-kritisieren-eckpunktepapier-der-bundesregierung)

Über forstliche Verfehlungen spricht Engelmann allerdings nicht so gerne, dies ist auch in dem o.g. BiuZ-Artikel sehr leicht erkennbar. Er warnt vor dem Ahorn: „Der Ahorn ist überall in Lauerstellung“. Er verhindere das Aufkommen junger Eichen, die für einen Auwald prägend seien. Dass der Ahorn im Wesentlichen nur ein Zeiger der auenuntypischen Standortverhältnisse im Auwald ist und besonders dort profitiert, wo intensive Forstwirtschaft betrieben wird (Altdurchforstungen mit Erntemengen von 100 Kubikmetern pro Hektar und mehr, Schirmschläge und Sanitärhiebe), erwähnt er indes nicht. Die Rettung soll laut Engelmann über ein besonderes „Hilfsprogramm für das Eichennachwuchsproblem“ erfolgen. Und zwar über Kleinkahlschläge, die gerne als Femelschläge bezeichnet werden, dies jedoch auch in forstfachlicher Hinsicht nicht sind. Kleinkahlschläge sind ganz typische Methoden im klassischen, eingriffsintensiven WaldBAU. Zu diesen Kleinkahlschlägen hat sich NuKLA e.V. bereits mehrfach ausführlich und kritisch geäußert (z.B. https://www.nukla.de/wp-content/uploads/2022/05/Broschuere_Leipzig_ist_ueberall.pdf). Solche Kleinkahlschläge haben mit Waldnaturschutz nichts zu tun, sondern stellen schlicht Plantagen zur Erzeugung von Eichenfurnierholz dar. Auch Professor Pierre Ibisch und der Eichenexperte K.-F. Weber hatten bereits im Zuge der Diskussion über den beklagten Forstwirtschaftsplan vor solchen Methoden ausdrücklich gewarnt (https://www.nukla.de/wp-content/uploads/2020/01/Bemerkungen-zur-Femelwirtschaft-Auwald-Leipzig_Ibisch_Weber.pdf).

In dem FAZ-Artikel werden auch kurz die Kritiker dieser Praktiken erwähnt. Warum wird aber dabei das Wort NuKLA auffallend vermieden? Es seien „sogenannte Prozessschützer“, so der Artikel, es sei ein „populärer Ansatz“, der „den Anhängern eines romantischen Naturbegriffs zusagt“. Peter Wohlleben wird mit seiner Grußbotschaft zum NuKLA-Auenökologiesymposium (auch hier wird der konkrete Begriff vermieden, indem von einem „Kongress“ gesprochen wird) erwähnt. Rolf Engelmann kann diesem sogar etwas abgewinnen, in Teilbereichen. Aber sofort wird wieder gewarnt: „Ohne den Menschen verschwände die Eiche“. Die Burgaue sei „keine Wildnis“, „sondern seit Jahrhunderten unter der Kontrolle des Menschen“. Dies ist so jedoch zu kurz gedacht – wir kennen niemanden, der die Burgaue als „Wildnis” bezeichnet – und teils auch nicht richtig: Die Eiche wurde zwar sicherlich zeitweilig durch menschliche Aktivitäten gefördert (z.B. Nutzung als Hutewald), entscheidend war aber die früher existierende Auendynamik, die seit mehr als 100 Jahren nahezu vollständig zerstört wurde. Früher waren Teile der Aue so nass, dass dort kaum eine Nutzung möglich war und auch die Baumartenzusammensetzung komplett anders war als heute (so gab es unter bestehender Auendynamik hier nur wenige Eschen, anders als heute). Insgesamt war die Nutzung kleinräumig wechselnd (angepasst an die Bedingungen einer funktionierenden Aue) und sehr heterogen. Die Mittelwaldnutzung wurde lediglich zwischen 1820 und 1870 betrieben, und dies auch nur in Teilbereichen und mit nur geringen Erfolgen. In der Burgaue finden sich nicht einmal mehr Reste einer solchen früheren Mittelwaldnutzung. Stattdessen sind noch im Auensystem zahlreiche ehemalige Masteichen sowie auch Hute-Eichen zu finden.

Rolf Engelmann hält ein „minimales Waldmanagement“ für erforderlich, um die Artenvielfalt zu retten. Ob er damit wohl die drastischen ökosystemschädigenden Forsteingriffe meint, die er 2018 im Rahmen der Exkursion für die Leipziger Stadträte propagierte? Es sieht zumindest so aus, denn eine Kehrtwende ist von den Verantwortlichen von Stadtforsten und Sachsenforst noch immer nicht erkennbar, ebenso wenig von der Gruppe um C. Wirth et al., die offensichtlich weiterhin alles mitzutragen bereit sind, was die Forstbehörden vorschlagen.

Das Kernproblem des Leipziger Auwaldes ist indes primär die Abkopplung dieses für Mitteleuropa bedeutsamen Auenwaldgebietes vom Wasserregime jener Fließgewässer, der er seine Entstehung verdankt. Dass man Auendynamik wiederherstellen muss, dazu bekennt sich auch Rolf Engelmann. Inwieweit von dort Kritik kommen wird, wenn sich Pläne wie die Errichtung eines riesigen Schlauchwehrs aus Gummi und Plastik als angebliche Maßnahmen zur Auenrevitalisierung verfestigen, wird sich zeigen. Skepsis ist zumindest angebracht, denn in den Anfangszeiten des Projektes Lebendige Luppe, wo ein „Plätscherbach“ ohne jegliche Auendynamik angedacht war, hörte man lange nichts an Kritik seitens der Universität Leipzig und des Helmholz-Zentrums für Umweltforschung UFZ, die in das Projekt über Aufträge zur naturwissenschaftlichen Begleitforschung direkt eingebunden waren.

Bisher wird in jenen Kreisen nur selten davon gesprochen, dass das Auwald-Ökosystem sowohl in seinen südlichen Bereichen (Ratsholz flussaufwärts) als auch in der Nordwestaue einschließlich der Burgaue und eines vielfältigen Gewässernetzes der einstigen Luppe innerhalb weniger Jahre wieder zu einem selbst-regenerierenden Auengebiet entwickelt werden könnte. Das Projekt „Lebendige Luppe“ mit seinen bisher vorgeschlagenen Klein-Klein-Lösungen zur Erzeugung eines kleinen Niederungsfließgewässers mit der Wasserführung eines Baches steht einer wirksamen Auenrevitalisierung eher im Wege.

Der Schlüssel zur Revitalisierung des Leipziger Auwaldes liegt bei Land und Stadt. Die Technik dazu ist bundesweit vielfach erprobt, und Leipzig braucht dazu keinen Schritt wasserbautechnischen Neulandes zu betreten. Hierauf werden wir in einem folgenden Beitrag genauer eingehen (Gerken & Hansmann, in Vorbereitung).

Wir werden die Redaktion der FAZ und den Autor des Artikels Andreas Frey anschreiben und eine Exkursion in die Burgaue sowie zu relevanten Gewässern und Kanälen anbieten, um den ganzheitlichen ökosystemaren Ansatz zum Schutz des Leipziger Auwaldes näher zu erläutern. Dabei werden wir auch die Waldflächen zeigen, die NuKLA e.V. bis heute vor den Kettensägen und Harvestern der Forstbehörden schützen konnte.

Wir halten unsere Leserinnen und Leser auf dem Laufenden!

Prof. Dr. Bernd Gerken, Johannes Hansmann, Axel Schmoll

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