Wieviel Selbstbetrug können wir uns im Naturschutz noch leisten?

Am 03.09.22 fand in Oederan das dritte Sächsische Naturschutzforum unter dem Motto “Wieviel Selbstbetrug können wir uns im Naturschutz noch leisten?” statt. Das Sächsische Naturschutzforum wird seit 2018 vom Verein Naturschutzverband Sachsen (NaSa) e.V. ausgerichtet und ist als “Podium für den Naturschutz gedacht, als Austauschplattforum für aktive Naturschutzkräfte, unabhängig von parteipolitischen Zwängen und behördlichen Vorgaben.”. 1

Thema dieses Jahr war die (selbst)kritische “Standortbestimmung des privaten Naturschutzes in Sachsen”. 2 Viel wird gewollt, viel wird geredet – aber führen die Bemühungen des Naturschutzes überhaupt zum Ziel? Und was ist das Ziel bzw. sind die Ziele? Sind die Naturschutzstrategien überhaupt noch passend in die heutige Zeit?

Im Einleitungsvortrag “Wieviel Selbstbetrug können wir uns im Naturschutz noch leisten?” gab Tobias Mehnert, Vorsitzender GRÜNE LIGA Sachsen e.V. und NaSa e.V., einen umfassenden Überblick darüber, was in Sachsen alles in Bezug auf den Naturschutz schief läuft – vor allem auch in Hinblick auf den behördlichen Naturschutz. So werden all zu oft auch recht gravierende Eingriffe in Schutzgebiete von den Behörden durchgewunken sowie Kritik und Protest einfach ausgesessen. Wenn es Kompensationsmaßnahmen gibt, sind diese oft mehr Schein als Sein. Ganze Populationen bedrohter Arten werden gutgemeint mit öffentlichen Fördergeldern in neu geschaffene künstliche Ersatzlebensräume umgesetzt, wo die Populationen aber hin und wieder zugrunde gehen, da diese künstlichen Lebensräume anscheinend in einigen Fällen einfach nicht geeignet sind und wohl auch nicht gut betreut werden. Hunderttausende Euros an öffentlichen Fördermitteln werden ausgegeben für Aufwertungsmaßnahmen wie bspw. eine angebliche Renaturierung eines Baches, der aber hinterher wie ein Kanal aussah. Ein Grundproblem des Naturschutzes ist es zudem, dass Naturschutz in Sachsen nicht auf großer Fläche stattfindet, sondern dass stets nur auf kleinsten Teil-Flächen herumgebastelt wird. Dies scheint politisch so gewollt zu sein, ist aber nicht zielführend – doch die Land- wie auch die Forstwirtschaft sollen im Freistaat eben möglichst nicht beeinträchtigt werden, zumindest läuft das politische Handeln darauf hinaus. Da wird Naturschutz nur dort und so eingeplant, dass er der ordnungsgemäßen Forst- und Landwirtschaft nicht im Wege steht. Leider ist es absehbar, dass diese Vorgehensweise der Natur nicht helfen wird und auch nichts Grundlegendes ändern wird, was fatal ist in Zeiten des globalen Artensterbens. In Zukunft wird es leider noch weitere Konflikte für den Naturschutz durch Klimaschutzmaßnahmen geben.

Dr. Christine Miller, 1. Vorsitzende Wildes Bayern e.V., berichtete in ihrem Vortrag “Biodiversität auf der Abschussliste – Rotwildmanagement im Erzgebirge” über den sächsischen Umgang mit diesen Herbivoren in Bezug auf die Jagd. Dabei ging es nicht nur um das Rotwild und die Jagd an sich, sondern auch um die spannenden Themenfelder Waldökosysteme und die positiven Auswirkungen von freilebenden Herbivoren auf den Wald. Leider wird Rotwild oftmals regelrecht dämonisiert und zu stark bejagt, weil es es nicht in das Konzept der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft mit ihren Holzplantagen passt. Insbesondere das Vorgehen des Staatsbetriebes Sachsenforst in Bezug auf Rotwild wurde kritisch hinterfragt.

Dr. Norman Pohl (TU Bergakademie Freiberg) gab in seinem Vortrag “Nachhaltiger Selbstbetrug” einen umfassenden Überblick über Sachsens Nachhaltigkeitsstrategie im Zerrbild zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Betreffs Nachhaltigkeit übt man sich seitens der Politik und Verwaltung im schönen Reden, während man es gleichzeitig weiter zulässt und sogar stellenweise die politischen Weichen so stellt, dass sich Nichts ändert in Bezug auf Umwelt und Natur – ein Verhalten, das gravierende Auswirkungen haben dürfte.

Weitere interessante Vorträge gab es von Wolfgang Riether (Pro Naturschutz Sachsen e.V.), Ralf Habel (Bluthshof e.V.) und Egbert Köhler aus Pfaffroda.

Einen positiven Rückblick über die erreichten praktischen Ergebnisse der letzten drei Jahre aus den Vereinen gab zum Schluss noch einmal Tobias Mehnert.

Wir dürfen gespannt sein auf das 4. Naturschutzforum – mit Sicherheit werden auch bei diesem wieder Finger in Wunden gelegt und brisante Themen angesprochen werden!

https://www.saechsisches-naturschutzforum.de/2022

Pressemeldung NaSa e.V. vom 19.07.22

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