Neubau der Gustav-Esche-Brücken im Leipziger Auwald – Leipzigs Naturschutzbehörde ignoriert Beteiligungsrechte anerkannter Naturschutzverbände und toleriert erhebliche Beeinträchtigungen im Schutzgebiet

Baustelle an der Gustav-Esche-Brücke II. Foto: A. Schmoll

Am 20. Januar wurde die Grüne Liga Sachsen e.V. und damit auch NuKLA e.V. von der Unteren Naturschutzbehörde der Stadt Leipzig über die Planung des Neubaus der Gustav-Esche-Brücke I über die Neue Luppe informiert und bekam die Gelegenheit zur Stellungnahme, da das Landschaftsschutzgebiet „Leipziger Auwald“ betroffen ist. So weit so gut. Die Einsichtnahme in die beigefügten naturschutzfachlichen Unterlagen war hingegen gleichermaßen erschreckend wie aufschlussreich. Die Planung sieht u.a. vor, dass im FFH-Gebiet „Leipziger Auwald“ 570 m2 des FFH-Lebensraumtyps Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald, darunter 7 Starkbäume, für eine Behelfsbrücke gerodet werden sollen. Ein Waldbereich, der mehr als 150 Jahre alt ist und in dem daher ein Verlust als irreversibel einzustufen ist. Das beauftragte Planungsbüro sieht das indes anders: „Durch das Bauvorhaben werden sich anlagebedingt nahezu keine Veränderungen ergeben“. Offensichtlicher kann ein Kleinreden bzw. Ignorieren von massiven Beeinträchtigungen gar nicht erfolgen.

Zur Fällung vorgesehener Eichen-Hainbuchenwald an der Gustav-Esche-Brücke I. Foto: A. Schmoll

Die Einsichtnahme in die Unterlagen förderte auch zutage, dass eine Rodung von 1.770 m2 des Lebensraumtyps durch den Neubau einer Behelfsbrücke Gustav-Esche-Brücke II ganz in der Nähe (über einen Nebenarm der Nahle) bereits erfolgt ist, ganz ohne Beteiligung der anerkannten Naturschutzverbände. Darauf hatte bereits die Initiative Stadtnatur im Rahmen einer Fachaufsichtsbeschwerde bei der Landesdirektion Sachsen hingewiesen. Eine Fachkonvention des Bundesamtes für Naturschutz, die bei Planungsvorhaben in FFH-Gebieten zwingend zu beachten ist, besagt eindeutig, dass der Verlust des Lebensraumtyps in einer Größenordnung von 2.340 m2 – und diese Eingriffsschwere ergibt sich bei Beachtung der Kumulationswirkungen – erheblich ist (die Schwelle liegt bei 1.000 m2) und daher eine aufwändige FFH-Abweichungsprüfung durchgeführt werden muss. Dies hat das Planungsbüro jedoch nicht erkannt, dem Vorhabenträger lieber die Unbedenklichkeit bescheinigt. Somit wurden bereits beim Verfahren Gustav-Esche-Brücke II ein Umweltschaden und womöglich auch eine Umweltstraftat ausgelöst.

Auch außerhalb des Waldes sind für die Errichtung der Behelfsbrücke über die Neue Luppe Fällungen geplant: 51 Bäume, darunter 10 Starkbäume am Haus Auensee. Die Planung dieser Behelfsbrücke sieht neben zwei Fahrstreifen von je 3,25 m zwei Radwege bzw. Rad-/Gehwege mit insgesamt 5,10 m vor, also eine Gesamtbreite von 11,6 m. Eine angemessene Beachtung des im Bundesnaturschutzgesetz verankerten Vermeidungs- und Minimierungsgebotes sähe anders aus.

Zum Kahlschlag vorgesehener totholzreicher Wald. Foto: A. Schmoll

Aber damit nicht genug: Als Kompensation für die Eingriffe durch die Gustav-Esche-Brücken I und II soll nordöstlich des Auensees mitten im FFH-Gebiet, Vogelschutzgebiet und Landschaftsschutzgebiet eine als „Waldumbau“ titulierte Kompensationsmaßnahme erfolgen: Ein struktur- und totholzreicher 0,3 Hektar großer Eschenahornbestand (siehe Fotos!) mit u.a. Schwarzem Holunder und Bergahorn soll gerodet werden und durch eine Standardaufforstung in Reih und Glied à la Stadtforsten ersetzt werden. Aus waldökologischer Sicht kontraproduktiv und zudem mit erheblichen Eingriffen in mehrere Schutzgüter verbunden. Auch wenn Eschenahorn keine einheimische Art ist, bietet er zudem dennoch zahlreiche Nistgelegenheiten für Vögel. Diese intensivforstliche Maßnahme wäre allenfalls zur zukünftigen Holzproduktion geeignet, was nicht mit einer ökologischen Aufwertung verwechselt werden darf. Und tatsächlich, die Maßnahme war als „Kahlschlag“ bereits in den Forstwirtschaftsplänen 2018 und 2019 enthalten, wurde glücklicherweise jedoch nie umgesetzt. Und so muss es auch bleiben, denn für den Bestand gibt es nur eine ökologisch sinnvolle Zukunftsperspektive: Überlassen der natürlichen Sukzession und Zulassen einer eigendynamischen Entwicklung!

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass hier versucht wird (bei der Gustav-Esche-Brücke II erfolgreich unter Zustimmung der unteren Naturschutzbehörde), eine im Forstwirtschaftsplan stehende Maßnahme auch noch als naturschutzfachliche Kompensationsmaßnahmen zu verkaufen. Angesichts der Knappheit zur Verfügung stehender Flächen für Kompensationsmaßnahmen ist zu vermuten, dass zukünftig immer häufiger versucht werden wird, Holzernte und naturschutzfachliche Kompensation gewinnbringend miteinander zu verknüpfen…

Es drängt sich geradezu der Verdacht auf, dass die der unteren Naturschutzbehörde vorgelegten naturschutzfachlichen Unterlagen, die vom Vorhabenträger beauftragte Dienstleistungsprodukte darstellen, gar nicht oder zumindest nicht adäquat geprüft wurden. Eine solche Prüfung vorgelegter naturschutzfachlicher Unterlagen ist jedoch grundsätzlich rechtlich zwingend erforderlich, da sich hieraus naturschutzrechtliche Genehmigungen bzw. Einvernehmen ergeben. Beugungen naturschutzrechtlicher Vorschriften können zu strafrechtlichen Konsequenzen führen!

Geplante Fällungen am Auensee. Foto: A. Schmoll

Dies wird in den zuständigen Amtsstuben jedoch offensichtlich anders gesehen. Wie kann es sein , dass die untere Naturschutzbehörde im Oktober 2022 der Landesdirektion Sachsen geschrieben hat, offensichtlich im Zusammenhang mit der Fachaufsichtsbeschwerde zur Gustav-Esche-Brücke II, dass es sich bei der Rodung an dieser Brücke lediglich um eine „temporäre Beanspruchung“ gehandelt habe und es sich beim Ersatzneubau „nicht um einen Neubau im Sinne der Landschaftsschutzgebietsverordnung“ gehandelt habe und daher die „anerkannten Verbände nicht beteiligt“ wurden? Eine offensichtliche Fehleinschätzung! Es stellt sich die Frage: Glaubt die Naturschutzbehörde dies wirklich oder hatte man vielmehr eine Beteiligung der Naturschutzverbände bei dem Vorhaben Gustav-Esche-Brücke II einfach nur vergessen und versucht sich jetzt mit fadenscheinigen Argumenten aus der Nummer herauszuwinden? Diese Frage können wir leider nicht beantworten. Beide Optionen würden ein ähnlich gravierendes behördliches Versagen bedeuten. Eine Fehleinschätzung des nachhaltigen Eingriffs wäre ohnehin bei beiden Varianten gleichermaßen zu konstatieren.

Unsere vollständige Stellungnahme an die untere Naturschutzbehörde der Stadt Leipzig kann man hier einsehen: Stellungnahme GL

Axel Schmoll

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