Protest gegen Kahlschlag auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz/ Update mit 2 Kommentaren

Baumstümpfe nach Fällung trotz Mahnwache
Foto:NuKLA e.V.

Eine Engagierte für den Schutz des Leuschnerplatzes bat mich, dieses Video zu teilen, was ich hiermit tun möchte (https://youtu.be/H4wtSWbGT7k). Zuvor erlaube ich mir, meine Position dazu zu formulieren: NuKLA e.V. unterstützt mental, jedoch ohne Beihilfe, das Engagement des NABU für die Stadtnatur Leipzig, insbesondere auf dem Leuschnerplatz, seit mehreren Jahren. Die Pläne zur Bebauung des Leuschnerplatzes sind seit ca. 2016/17 immer wieder Thema in den hiesigen Medien, denn dieser Platz ist prädestiniert zur Bebauung in einer wachsenden Stadt. Ich kann verstehen, dass es, wie auch beim Baufeld am Bayerischen Bahnhof, angebracht ist, diese Flächen der Allgemeinheit verfügbar zu machen. Wir brauchen innerstädtische Flächen für Wohnungen, Gewerbe etc. Allerdings haben sich in den Jahrzehnten des Brachliegens auf solchen Flächen Pflanzen und Tiere angesiedelt. Deshalb sollten im Vorfeld geplanter Bebauungen IMMER, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist, angemessene Ausgleichsmaßnahmen mit den Verbänden verbindlich und realisierbar ausgehandelt werden.

Foto: NuKLA e.V.

Statt wie beim Leuschnerplatz Proteste zu initiieren, die nichts an den Planungen der Stadtverwaltung ändern werden, aber Kräfte binden, sollten diese Kräfte lieber für den Schutz von Natur in der Natur genutzt werden – z.B. für ein vehementes Einschreiten der Verbände im Vorfeld der von Stadtforsten angekündigten und inzwischen umgesetzten katastrophalen Abholzungen im Vogelschutz- und FFH-Gebiet Plaußiger Wäldchen! Hier, in solchen ureigenen Aufgabenbereichen des Naturschutzes (ist das ursprünglichen Arbeitsfeld des NABU nicht gerade der Vogelschutz?!) hört man nichts von den engagierten (Stadt-)Natur-Schützern. Ganz so, als würden zur Stadt Leipzig gehörende Waldflächen wie das gerade im Auftrag des Stadtforstes zu Schanden gerichtete Pläußiger Wäldchen mit (Stadt-)Natur nichts zu tun haben, als wären nur Bäume an Straßen und auf Plätzen schutzwürdig, Waldbäume, sogar die in geschützten Gebieten, hingegen Wirtschaftsobjekte für die Förster. Man darf sich also weiterhin fragen, welches Denken den lauten Protestkundgebungen für den Erhalt von Bäumen auf einer Bebauungsfläche auf der einen und das Schweigen (bzw. sogar die Zustimmung!) der selben Naturschützer bezogen auf die systematisch angerichteten Zerstörungen der Forstwirschaft auf geschützten Waldflächen auf der anderen Seite zu Grunde liegt.

Autor: W. Stoiber

NuKLA Spendenkonto DE82 8309 4495 0003 164608

Kommentar eines Lesers:

Der Königsplatz 1943 von den Alliierten bombardiert, seine Trümmer liegen unter den Sitzen von Red Bull, wegen der Armut des Sozialismus als Leuschner bis auf das Katakombenbowlen nicht wiederaufgebaut aber opportun als Aufmarschhabitat für den Kampf- und Feiertag der Werktätigen  40 Jahre am 1. Mai bewohnt.

Ja, da stehen Bäume, Sträucher und Goldruten, aktiv gepflanzt, den  Rest nennt man Sukzession, was nach fast  80 Jahren nun mal so ist. Natürlich leben dort Vögel brüten in Hecken und wenigen Höhlen  und es verirrt sich schon mal auch eine Fledermaus dorthin. Wer sucht, der findet sie auch die Allerweltsarten sowohl Spatzen als auch Hummeln. Das internationale Finanzkapital interessiert sich nun aber für den kommerziellen Wiederaufbau des  attraktiv  gelegenen Platzes, viel Glas und Stahl ist absehbar.

Stadtnatur will das aber nicht und der NABU klagt sogar. Die urbane Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies treibt beide an;  man will es nun aber den Naturfrevlern zeigen. Für den Südvorstädtler, der erfolgreich seine Balkontomaten zieht, ein legitimes Motiv. Die gezählten Arten kennt  man ja auch vom Vogelhäuschen her; man will sie retten. Es stimmt schon Ausweichlebensräume sind in der Nähe mager oder schon besiedelt. Die Konsequenz ist der legislative Regelfall.

Doch kann das Projektil ohne Ziel überhaupt treffen ? Verkommt der abgefeuerte Schuss  nicht zur wirkungslosen Platzpatrone, ein lauter Knall sonst nichts. Die grau-grüne Suppe aus beliebiger Tier- und Pflanzenwelt (selbst die Straßentaube muss herhalten), Innenstadtklima, Lebensqualität,  aufgewokt mit Klima wird der Richter bestimmt nicht auslöffeln. Die Zutaten zum egalem Fast Food, alle  gern gemocht,  machen aber nicht satt.  Wir reden hier von urbanen Allerweltsarten nicht vom Milanhorst oder Xylobionten.  Auch den Leuschnerplatz zum Platz der biologischen Vielfalt umzutaufen wird nichts Substantielles bewirken. Der Kläger selbst hat seine Identität schon lange verloren,  Drückerkolonnen mit“ Rotkäppchen lügt“ standen dereinst vor dem Hauptbahnhof  und erst  der Auftritt genau auf diesem Leuchnerplatz bei den Fridays: „Klimaschutz ist der beste Artenschutz“. Der einstige Gourmet (Der NABU schrieb bei der Klage gegen die Umgehung Grimma einst Rechtsgeschichte)  verkommt selbst zum McDonald‘s-Koch.

Und nebenan wird der Auwald heißgeschlagen wie die Savanne, das Offenland  verarmt an Arten, die Windkraft fleddert hunderte Millionen der Vögel und Insekten.

Es gibt so viele Ziele für die es sich zu kämpfen und zu sterben lohnt.

Wer zu wenig Patronen hat, muss eine Barrikade bauen um zu schießen. Das Wichtigste aber ist immer ein justierbares  Ziel.

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Kommentar zum Kommentar eines Lesers zum Artikel “Protest gegen Kahlschlag auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz”
Zu dem Kommentar des Lesers (nicht benannt), der meines Erachtens einige Sachverhalte unrichtig darlegt und in mancherlei Hinsicht gegenüber den Protestlern etwas despektierlich daherkommt (und ich mich auch für den Erhalt des Stadgrüns, auch auf dem Leuschnerplatz, einsetze) möchte ich im Sinne der Meinungsvielfalt, die ein grundsätzlich sehr hohes Gut ist (!), folgendes kommentieren:
zu den Aussagen zu dem Tier- und Pflanzenbestand, dessen Bedeutung und zur Bebaubarkeit des Leuschnerplatz:

Goldruten wurden natürlich nicht gepflanzt. Die Art ist ein typischer Neophyt, der spontan Ruderalstandorte besiedelt. Es wurden insgesamt 16 Brutvogelarten nachgewiesen (ohne spezielle Methodik, d.h. es könnten durchaus auch mehr sein), mehr als in ähnlich großen Bereichen im Clara-Zetkin-Park, darunter auch durchaus mittlerweile selten gewordene Arten wie Gelbspötter oder Dorngrasmücke. Der Haussperling (Spatz) ist auch leider keine Allerweltsart mehr, sondern steht auf Roten Listen. Fledermäuse “verirren” sich sicherlich nicht nur in dem Bereich, sondern finden dort durchaus auch Sommer- und Winterquartiere. Die Nahrungsgrundlage ist hier im Vergleich z.B. zur direkt angrenzenden Innenstadt hervorragend. Solche Bereiche sind für die urbane Fledermausfauna wichtig, und dies sollte man m.E. nicht marginalisieren. Sukzession ist ein Prozess, im Sinne der Entwicklung urbaner Wildnis, der extrem auf dem Rückzug ist, v.a. in Leipzig. Das Zulassen von Sukzession ist auch für eine Stadt überaus wichtig, wie man eigentlich auch bereits erkannt hat (für viele Tier- und Pflanzenarten, aber auch für die Menschen, für Umweltpädagogik, Sinnfindung, Erholung in Stadtoasen usw. usf.), und auch in Leipzig hätte erkennen können. Man sieht dieses Schicksal auf vielen Brachen, die in Leipzig nach und nach fast alle verschwinden. Diese urbane Vielfalt bedarf m.E. eines angemessenen Schutzes, der in Leipzig aber absolut missachtet wird, obwohl sich die Stadt gerne mit dem Titel Kommune für biologische Vielfalt schmückt. Es sind auch nicht nur Hummeln dort anzutreffen, sondern eine Vielzahl spezialisierter wirbelloser Arten, z.B. Wildbienen oder Ödlandschrecken, von denen viele auf den Roten Listen stehen. M.E. sollte man diese Bedeutung nicht herunterspielen, erst recht nicht als eher Fachunkundiger. Natürlich ist das Gelände kein Naturschutzgebiet oder mit dem Auwald vergleichbar, was aber nicht heißt, dass es nicht wertvoll sei.

Es ist richtig, das Finanzkapital will den Platz möglichst gewinnbringend vermarkten, und viel Glas und Stahl ist absehbar. Aber: Wer den Platz kennt, weiß, dass es dort bereits jetzt riesige Bereiche ohne Gehölze gibt, die bebaut werden könnten. Es geht gar nicht darum, dass gar nicht gebaut werden darf, sondern darum, dass das so erfolgen könnte, dass alle oder zumindest fast alle linearen Gehölzstrukturen erhalten werden könnten. Die Abstriche gegenüber den aktuellen Planungen wären nur gering. Darum geht es! Und es ist auch ein Präzedenzfall. Und am Leuschnerplatz zeigt sich besonders deutlich die Ignoranz aller Beteiligten – von Investoren über die Verwaltung bis hin zur Politik – dass der Erhalt urbaner Natur (anderer Natur auch…)  gleichgültig ist. Und natürlich geht es auch darum, dass die Verluste an urbaner Natur von Verwaltung und Politik schöngeredet werden, und zwar gegen jegliche fachliche Standards. Die Kommentierung des Lesers geht in eine ähnliche Richtung, was ich eigentlich schade finde, oder der Leser hat die statements von Verwaltung und Politik unreflektiert aufgegriffen und verinnerlicht.

zur Sehnsucht der Protestler und Südvorstädtler nach dem verlorenen Paradies:

Wie kommt der Leser auf die doch ziemlich despektierliche Aussage, die Initiative Stadtnatur und der NABU seien durch eine “Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies” angetrieben? Und auch der “Südvorstädtler mit seinen Balkontomaten” wird herausgekehrt, um die Stadtnaturschützer in ein eher lächerliches Licht zu rücken. Hat er nachgefragt? Offensichtlich nicht. Natürlich war der Leuschnerplatz schon mehr als 100 Jahre lang kein “Paradies”, also kann es auch nicht verloren gegangen sein. Viele der dort nachgewiesenen Arten kommen übrigens auch nicht am Vogelhäuschen vor, z.B. Gelbspötter und alle Grasmückenarten. Und was haben Vogelhäuschen bitte sehr mit den Lebensstätten der Brutvögel auf dem Leuschnerplatz zu tun? Hier geht es übrigens auch um gesetzlichen Artenschutz, den es eigentlich zu berücksichtigen gäbe, was aber Verwaltung und Politik wohl anders sehen…

zu Projektilen, Platzpatronen und einer grau-grünen Suppe aus beliebiger Tier- und Pflanzenwelt:

Tatsächlich ist es leider sehr häufig der Fall, dass Proteste gerade im Naturschutz keinen Erfolg haben, das kennen wir in dem Streit um Stadtnatur genau so wie z.B. im Waldschutz. Was der Leser als “grau-grüne Suppe aus beliebiger Tier- und Pflanzenwelt” meint, bleibt mir unklar. Sollte er hiermit den Leuschnerplatz meinen, irrt er bzw. zeigt er seine fachliche Unkundigkeit. Der Rotmilan ist eine sehr schützenswerte Art, in der Tat, aber nicht nur der, sondern auch Arten wie der Gelbspötter und ja, auch der Haussperling. Was sollte der Richter auslöffeln oder auch nicht? Es geht hier tatsächlich um eindeutige verstöße gegen das Naturschutzrecht, damit sollte sich ein Richter eigentlich beschäftigen, er muss bzw. müsste es sogar tun. Leider trifft auch dies nicht immer zu, davon können fast alle Naturschützer traurige Lieder singen. Den Leuschnerplatz als Platz der biologischen Vielfalt umzubenennen, dies wäre nicht nur Greenwashing, sondern auch zynisch. Daher wohl eher das Ansinnen der Stadtverwaltung und Politik, oder? Was man eigentlich tuen sollte, der Stadt den Titel Kommune der biologischen Vielfakt entziehen, das würde passen. Den Slogan “Klimaschutz ist der beste Artenschutz” halte ich – gerade angesichts der geplanten weitgehenden Abschaffung des Artenschutzrechts zur Förderung von WEA & Co auch für eher kontraproduktiv, wenngleich natürlich auch der Klimaschutz sehr wichtig ist. Entscheidend ist aber für mich der Slogan “Naturschutz ist der beste Artenschutz”, da dies mehr und mehr vor die Hunde geht. Solche Aufschriften sah ich schon bei den Protesten gegen naturzerstörerische Bebauungen in Leipzig. Leider vermisse ich das bei den FFF-Gruppen, in der Tat. Auch hier wird meinen Erfahrungen nach das Ansinnen mitgetragen, Naturschutz gegen vermeintlichen Klimaschutz auszuspielen.

zum Heißschlagen des Auwalds und Gefährdungen durch WEA:

Für mich ist in der Tat der Schutz des Auwaldes prioritär. Und es ist bekannt, dass ich in dieser Sache einen Konflikt mit den dafür Zuständigen beim NABU Leipzig habe. Und in der Tat, ein trauriges Kapitel die Gefährdung von Arten (z.B. Rotmilan, Fledermäuse …) durch Windindustrieanlagen, die sogar in Schwerpunktzentren geschützter Arten hineingeplant werden, bevorzugtes Ziel in der Zukunft die Landschaftsschutzgebiete… Und auch die völlige Degradierung der “Normallandschaft”. Das alles heißt aber nicht, dass der Schutz von Stadtnatur nicht essenziell wichtig ist, m.E.! Eine Stadt, die ihr Grün verliert, verliert ihre Lebensqualität, und irgendwann dann auch ihre Überlebensfähigkeit, sieht m.E. zumindest so aus. Das alles ist auch eng miteinander verzahnt.

zum kämpfen und sterben:

Genau! Hinsichtlich Naturschutz heißt das für mich prioritär Waldschutz, aber auch Schutz des Stadgrüns, wo immer es auch noch vorkommt… Sterben möchte ich aber zunächst noch lieber nicht…

Und natürlich, die Bürger sind zunächst mal besonders dort sensibilisiert, was sie vom Fenster aus sehen. Immerhin, gut so.

zu zu wenig Patronen, Barrikaden und justierbare Ziele:

Patronen zu wenig – auch wenn ich den Waffenjargon nicht so sehr mag… – hat der Naturschutz fast immer. Ob Barrikaden gebraucht werden weiß ich nicht, eine Innere? Ich glaube nicht, es geht auch immer um viel gute Kommunikation! Daher auch mein Motto und mein Ziel (auch wenns manchmal schwer fällt): Verbinden statt spalten. gemeinsame Ziele haben und kooperieren wo immer es geht. Differenzen aushalten und dann vielleicht durch Argumentationskräfte entschärfen oder auflösen. Und wo sie bleiben, dann differenziert und ohne Feindseligkeiten argumentieren, ohne pauschale Aburteilungen. Einiges klappt, anderes halt nicht, so ist das Leben. „Immer versucht. Immer gescheitert. Einerlei. Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.“ (S. Beckett).

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