Naturnahes Vorbild des Ahrlaufs – Verzweigte Gerinne – natürliche Lösung von Hochwassergefahren!

Hier der Link zum Film.

Dieser Film zeigt wahrhaftig ein Lehrbeispiel für eine naturnahe Laufentwicklung der Ahr und gibt auch ein vergleichbares für europäische Mittelgebirgsflüsse!
Mehrere parallele und teilweise miteinander vernetzte Gerinne  führen im April 2023 ein kleines Hochwasser zu Tal. Aber was ist an solchen verzweigten Gerinnen so wichtig, außer dass die Landschaft in manchen Bildern sogar an kanadische oder schwedische Gewässerlandschaft erinnert? Verzweigte Gerinne bilden Modelle einer natürlichen Lösung von Hochwassergefahren! Und an der Ahr braucht es solche Lösungen, denn die Ahr-Landschaft ist einerseits ein Siedlungs- und touristischer Schwerpunkt und andererseits einer der deutschen Hotspots der Artenvielfalt Der Lauf der Ahr ist u.a. bereits vor Jahren als FFH-Gebiet ausgewiesen worden.

Die Landschaft des Ahr-Flusses (Rhld.-Pfalz) ist jedoch auch eineinhalb Jahre nach der Katastrophe (15. Juli 2021!) noch immer Schauplatz von umfangreichen Bau- und Aufräumarbeiten. Viele Häuser stehen noch, als wäre der Hochwasser-Sturm erst vor vier Wochen gewesen. Historische Brücken sollen abgerissen werden, und dabei soll auch Kulturgut, das noch vor Kurzem als Denkmal weithin gefeiert und typisch für die Ahr proklamiert wurde, entfernt werden.
Die Ursachen des Hochwassers warten weiterhin auf Aufarbeitung. Und die Heilung der Schäden an Siedlung und Stadt sowie Naturschutzgebieten schreitet nur langsam voran. Naturschutzgebiete kamen besonders schlecht weg. Ausgerechnet eines der bedeutendsten NSG, das Langfigtal, wurde in einer Weise malträtiert wie es schlimmer kaum vorstellbar war. Suchen wir einen Vergleich mögen wir mit Blick auf den Leipziger Auwald uns die Schadwirkung von zig Harvestern vorstellen, die das Naturschutzgebiet flächendeckend plattwalzten, teilweise die Sedimente umdrehten, hunderte Kubikmeter Erde und Geschiebe auftürmten oder hin und her transportierten und Bäume entfernten.
Inzwischen besinnt man sich besserer Möglichkeiten und wir entdecken hie und da sehr gute Maßnahmen. Jedoch besteht in der gesamten Auenfläche weiterhin großer Nachholbedarf. Während gewartet, empfohlen oder geplant wird, wird die Ahr selbst wie wasserbaulich kontra-innovativ auf ein Trapezprofil reduziert.

Die Aue wird noch weiterhin verfüllt, und wie bereits unmittelbar nach dem Hochwasser wurden ausgerechnet auch Seitenarme der Ahr verfüllt. Deren Retentionspotenzial wurde anscheinend überhaupt nicht bewusst erkannt – und wo es solche gab, wurden an ihrer Stelle nun Wiese oder Acker oder erneut Campingplätze angelegt. Diese Flächen liegen zumeist im Einzugsbereich künftiger Hochfluten. Hochwasser, die erneut sehr gefährliche Ausmaße annehmen können, sind absehbar zu erwarten! Darauf muss sich die Region vorbereiten, aber wie ich beobachte geschieht dies viel zu langsam.

Verzweigte Gerinne, die von Natur aus geschwungen sind und auf deren Inseln flächiger oder galerieartiger Strauch- und Baumwuchs gedeihen kann, teilen die Kraft des Abflusses und bewirken eine Abfluss-Verlangsamung. Das gilt vor allem, wenn naturnahe Vegetation erlaubt wird. Jede Senke in der Aue wirkt wie ein Zwischenspeicher für Wassermassen, so dass die Abflussmenge zeitlich gestreckt wird und das Wasser weniger hoch steigt, als wenn nur  e i n  gestrecktes Gerinne zur Verfügung steht.
Bei unseren Exkursionen entlang des Laufs der Ahr, auf der Suche nach Problembereichen des Abflusses, nach Möglichkeiten Ortschaften zu schützen, und nach Kerngebieten des Lebensraum- und Artenschutzes sowie weiterer naturkundlich bedeutender Bereiche fanden wir einen sehr interessanten Abschnitt der Ahr oberhalb der kleinen Ortschaft Schuld.
Dort sind sehr naturnahe verzweigte Gerinne, Inseln und Ausuferungen erhalten geblieben. Dieser Bereich kann als Vorbild dienen, wie die Hochwassergefahr in der Ahr-Niederung, wo immer sie genügend breit ist, künftig durch Seitengerinne reduziert werden kann.
Fließwasserstrecken mit verzweigten Gerinnen und Inseln bilden auch Orte erhöhter Bedeutung für den Natur- und Landschaftsschutz. Dieser wiederum ist relevant für den Tourismus, denn Menschen möchten lebende, vielfältige und dynamische Landschaft erleben.

Der im Film ausführlich gezeigte Gewässerabschnitt ist (zum Glück!) frei von Bebauung geblieben. Auch der Lauf der Ahr selbst muss sich nicht mit einem Normalprofil begnügen, sondern schwingt in wechselnder Breite mit Inseln und Baumbestand darin.
Erinnern wir uns: Die drastischen Schäden und Todesfälle entstanden dort, wo mehr-minder  i n  die Aue, beinahe in den Stromstrich (!) gebaut worden war.
Eine hauptsächliche Ursache der Schäden und Todesfälle besteht letztlich in einer verfehlten Siedlungsplanung. Dabei ist es bekannt, u.a. auch laut einer bei Wikipedia veröffentlichten auf das 14. Jahrhundert zurückgehenden Hochwasserstatistik, dass sehr gefährliche Hochflut- Ereignisse an der Ahr durchaus häufig verzeichnet sind.
Begleiten Sie uns nun in diesem Film zu diesem sehr naturnahen Abschnitt der Ahr. Dabei handelt es sich um Privatgelände, wo der Ahr-Ausbau um 1912 offenbar nicht so ganz wirken durfte.
Der Film ist in der Reihe “Die Ahr nach der Katastrophe” erschienen.
Viel Freude beim Betrachten – und auf Ihre Fragen und Anregungen antworten wir gerne!
Ihr NuKLA-Aueninstitut für Lebendige Flüsse, Prof. Dr. Bernd Gerken

Kontakt: s.a.m.nukla@nukla.de

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