Neues und eigentlich doch nichts Neues aus dem Auwald

Bunte Schaubilder mit vielen Kästchen bei Impulsforum 2023. Foto: J. Hansmann

Ein Beitrag aus dem Aueninstitut für Lebendige Flüsse

Am 02.11.2023 fand das dritte “Impulsforum Leipziger Auwald 2023” in der Konsumzentrale Leipzig statt. Selbstverständlich haben auch Vertreter von NuKLA e.V. diesem Ereignis beigewohnt und berichten nun gern von dieser Veranstaltung. Für eilige Leser aber gleich zu Anfang eine kurze Zusammenfassung aus unseren Augen: Weder wurde beim Impulsforum etwas verkündet, was irgendwie einen größeren Impuls setzen würde für die dringend anstehende Revitalisierung des Leipziger Auwaldes. Noch wurde sonst etwas wirklich Neues verkündet. Irgendeine Beteiligung der Öffentlichkeit bei den Weichenstellungen der Bestrebungen zur Revitalisierung der Leipziger Aue scheint es (vorerst) ebenso nicht zu geben. In Anbetracht der Komplexität des Ganzen werden wir im folgenden Text noch nicht in die Details gehen, sondern erstmal einen groben Überblick geben. Dennoch werden wir in weiteren zukünftigen Beiträgen natürlich weiter in die Tiefe gehen, es wird also bald den einen und anderen Nachtisch geben.

Die im Programm angekündigten „‘ausgewählten Highlights’ seit dem Impulsforum 2022“ bestanden in der Vorstellung der lediglich kleinräumig wirkenden Alibi-Maßnahmen der vergangenen Monate, welche allesamt nichts, rein gar nichts grundsätzlich am Zustand der Aue ändern und auch nicht mal im Ansatz an die wesentliche Problematik des Leipziger Gewässerknotens gehen. Die Rahmenstrategie „Elster-Luppe-Flusslandschaft 2050“ ist zwar ein wichtiger Ansatz, jedoch wurde hier klar kommuniziert, dass man innerhalb der nächsten 10 Jahre („mit der Option der Verlängerung“) erst einmal noch weiter strategisch planen möchte und viele schöne Konzepte und Papiere zu produzieren gedenkt, anstatt wirklich anzufangen. Vermutlich meint man, dann 2050 (vielleicht auch hier mit der „Option der Verlängerung“?) dann mit der Revitalisierung anzufangen? Die uns präsentierten „Auenentwicklungskonzepte Elster-Pleiße-Luppe-Aue als Grundlage für den Masterplan ‚Elster-Luppe-Flusslandschaft 2050‘“ sind lediglich ideenlose Auflistungen derjenigen teils bereits o.g. Projekte und Ideen, welche schon längst bekannt sind. Ja, es hieß, man wolle dann auch in Zukunft den südlichen Auwald bedenken, aber wenn man schon betreffs der nordwestlichen Aue so dermaßen unambitioniert, ideen- und impulslos ist, mag dies für den südlichen Auwald auch nichts Gutes bedeuten. Eigentlich kann man diese zusammenhangslose Zusammenstückelung von nur jeweils minimal-lokal wirkenden Klein-Klein-Maßnahmen, die keine natürliche Auendynamik herstellen und nur optisch eine solche begrenzt vortäuschen, nicht einmal „Konzept“ nennen. Aber, so wurde uns versichert, man arbeitet mit Hochdruck daran, noch mehr solcher Konzepte, die mit fantasievollen Abkürzungen betitelt werden und voller leerer und schön klingender Worthülsen sind, zu erstellen (vielleicht auch dies bis 2050 – mit „Option auf Verlängerung“?). Sicher vermögen die Vielzahl der mit kryptischen Abkürzungen getauften Papiere und die seit 2022 noch komplexer gewordenen bunten Schaubilder manch Zeitgenossen zu beeindrucken. Im Endeffekt ist das alles aber nur Blabla.

Im Dschungel von Strategien, Konzepten, Papieren und lustigen Abkürzungen beim Impulsforum. Foto: W. Stoiber

Weiterhin wurde verkündet, dass man gerade an einem Antrag zum Naturschutzgroßprojekt „Leipziger Auwald“ arbeitet. Hier werden ebenso erst einmal weitere Skizzen erstellt, das dauert wohl mindestens noch drei Jahre, dann muss ja dieser Antrag erst einmal bewilligt werden und das Projekt wird dann noch weitere 10 Jahre in Anspruch nehmen – sicher wird man hier in der Tradition des Projektes LL ebenso aber danach noch mal ein paar Jahre verlängern und Fördermittel abgreifen, usw. usf… ein Schelm wer Böses dabei denkt! Neben vielen nichtssagenden Platitüden wurde dann weiterhin vermittelt, dass man zwar betreffs der Forstwirtschaft nichts ändern möchte, außer dass diese „auenverträglich“ werden soll, was auch immer dies bedeuten soll (hierzu gäbe es wohl schon bestehende „Leitlinienpapiere“, welche aber öffentlich nicht bekannt sind und auch ohne jegliche Verbandsbeteiligung erstellt worden sind). Zwar gab es eine Frage aus dem Publikum, die darauf abzielte, dass es doch gar keinen Sinn mache, forstwirtschaftlich in einer Aue planend zu arbeiten, wenn in dieser zeitgleich Revitalisierungsmaßnahmen geplant werden, welche alles in der Aue grundlegend ändern werden und somit jede forstliche Planung langfristig konterkarieren. Aber irgendwie gab es darauf keine Antwort von den anwesenden Fachleuten. Auch die Landwirtschaft soll auenverträglich werden und überhaupt soll alles, auch wassertouristische Nutzungskonzepte, mit den Zielen des NGP in Einklang gebracht werden. Doch was versteht man unter „auenverträglich“? Derzeit existiert die Aue ohne jegliche natürliche Dynamik und ist somit eine Aue in Umstellung auf einen Nicht-Auen-Zustand. Was uns an Maßnahmen und „Konzepten“ vorgestellt wurde, wird dies auch in den kommenden Jahren bis Jahrzehnten nicht ändern. Mit was sollen Forst- und Landwirtschaft sowie Tourismus also verträglich sein? Könnten sie denn überhaupt mit einer echten revitalisierten Aue im Sinne des Naturschutzes verträglich sein?

Zusammengefasst: Es steht eher zu befürchten, dass man insgeheim langfristig wirklich so plant, dass man mit viel Augenwischerei und Schönrederei über Jahre und Jahrzehnte hinweg weitere solcher kosmetisch wirkenden kleinteiligen Maßnahmen aufblasen und jeweils als Meilenstein darstellen wird, aber dabei die Wiederherstellung der natürlichen Auendynamik – beginnend von Süd bis nach Nordwest – immer wieder weiter auf den Sankt-Nimmerleinstag verschieben wird. Dazu steht zu befürchten, dass den wirtschaftlichen Nutzungen ein grünes Mäntelchen in Form von Strategiepapieren und Absichtsbekundungen umhängt wird, aber dass sie letztlich auch weiter so machen dürfen wie bisher – warum auch nicht, denn sie können ja weiter wirtschaften, eine wirkliche Auenrevitalisierung scheint offenbar in weiter Ferne zu liegen (vielleicht kommt die dann im Jahre 2050 – „mit Option der Verlängerung“!).

Partielle Entfernung von Verwallungen am Burgauenbach Januar 2023: nett, aber mehr als weit entfernt von echter Auendynamik. Vor allem: wird das sich hier anstauende Wasser nicht eher langfristig einen Bruchwald zur Folge haben? Foto: J. Hansmann

Was haben Stadt, Freistaat und LTV denn nun eigentlich bisher getan? Es wurde hier und da ein wenig an den Deichen gekratzt, es wurden ein paar Verwallungen an einem kleinen Bach in der Burgaue entfernt, woraufhin sich dort nun das Wasser staut (was übrigens auf Dauer und auf größerer Fläche auenuntypisch ist). Man bastelt an einem weiteren kleinen Bach, der gar keinen großen Einfluss auf die Aue hat und auch keine Auendynamik in die Aue bringt und hübscht damit die Aue am Rand etwas auf. Das ist alles nett, aber ändert wirklich nichts Grundsätzliches. Man hat ein Wehr an der Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt neu gebaut, damit man nun künstlich mehr Wasser in einen alten Luppelauf geben kann. Das schaut dann auch da etwas schöner aus, aber hat halt ebenso nichts mit natürlicher Auendynamik zu tun. Ein kleines Stückchen Acker soll eine Wiese werden. Aktuell hat man dann noch damit begonnen, Geschiebe künstlich in die Neue Luppe zu geben: so etwas kann man schon machen, aber auch dies, sie raten es schon, werte Lesende, hat nichts mit natürlicher Auendynamik zu tun. Natürlich aber kostet all dies Unmengen von Geld, vor allem weil man ja für jeden Furz erst drei Trillionen Konzepte, Strategiepapiere etc. erstellen muss und sich dafür Jahre bis Jahrzehnte Zeit nimmt.

Das Palmengartenwehr: Teil des Leipziger Gewässerknotens, den vorerst niemand beabsichtigt zu entwirren. Foto: J. Hansmann

Und was soll in der Zukunft passieren? Man will bei einigen Lachen irgendwie das Management verbessern. Leider wurde betreffs dieses Konzepts nicht in die Tiefe gegangen, aber es kann ebenso wieder nur lokal, kleinräumig wirken und wird gewiss nichts am Leipziger Gewässerknoten ändern. Stadt wie Freistaat versuchen Flächen zu kaufen – kann sinnvoll sein, aber bereits jetzt gehört ein Großteil der Aue der Stadt und dem Land. Anstatt vorhandene alte Flussbetten neu zu durchfluten, plant man im Rahmen des Projekts „Lebendige Luppe“ weiterhin mit einem teilweise neu gebaggerten Flussbett, welches perverserweise stellenweise sogar mitten durch die alten Flussbetten durchgegraben werden soll. Anstatt so zu planen, dass die natürlichen Fluss- und Sedimentdynamiken durch die Gesamt-Aue geführt werden, kippt man Sediment in die Neue Luppe, welche man zudem mit Kosmetik zu einem neuen künstlichen Hauptfluss in der Aue aufhübschen will. Warum? Auf diese Weise kann man den unangenehmen Dingen, denen man sich aber langfristig ebenso stellen muss, vorerst aus dem Weg gehen, da wären: das Abwassermanagement welches grundsätzlich überdacht werden müsste, die dringend anstehende Sanierung von Mülldeponien, das Eingeständnis, dass ein WTNK und eine wirkliche Revitalisierung der Gesamt-Aue zusammen nicht möglich sind, die Erkenntnis, dass eine wirtschaftliche Landnutzung in einer revitalisierten Aue grundsätzlich umdenken muss, so sie überhaupt wie bisher in dynamischen Bereichen möglich oder gar sinnvoll wäre. All diesen Dingen geht man aus dem Weg und vermag trotzdem Millionen von Fördergeldern lokal zu verbraten und – eigentlich wirklich ein Husarenstück – sich dann noch der Öffentlichkeit als großer Naturschützer zu produzieren. Weiterhin wird die Wirtschaft nur am Rande beeinträchtigt, selbst das WTNK kann erst einmal weiter geplant werden. Nur wird das, was da entsteht und noch weiter entstehen soll, wirklich je eine lebendige Aue sein?

Zudem wurde es im Rahmen des Impulsforums offensichtlich, dass offenbar bereits jetzt jede Menge an Konzepten, Papern und Planungen betreffs der Aue geschrieben wurden und stattgefunden haben – ohne Öffentlichkeitsbeteiligung oder Verbandsbeteiligung. Es steht zu vermuten, dass Öffentlichkeit wie Verbände stattdessen an einem bestimmten Punkt, wenn alle Weichen bereits gestellt sind, irgendwann scheinbeteiligt werden und dann dort zwar ihre Meinung sagen dürfen und etwaig in geringem Maße als Brosamen hier und da ein Zugeständnis bekommen, aber die grundsätzliche Planung fand und findet jetzt insgeheim hinter verschlossenen Türen unter Ausschluss jeder Öffentlichkeit statt. Ja, man könnte sagen, dafür gäbe es doch die Impulsforen? Aber a) sind die Informationen, die man dort bekommt, stets unbefriedigend unkonkret (man bekommt ja keinen Einblick in die Konzepte, Strategiepapiere usw. usf.) und b) konnte man zwar Fragen und Meinungen per Smartphone versenden, auch in einem sehr begrenzten zeitlichen Rahmen öffentlich stellen oder gar hinterher versuchen, mit den Vortragenden das Gespräch zu suchen. Aber all dies ist kein Ersatz zu einer richtigen Verbandsbeteiligung. Und was passiert schon mit den Fragen und Meinungen? Die sind dann dokumentiert – aber inwiefern sie berücksichtigt werden, ist doch mehr als unklar. Eine richtige Diskussion gab es nicht, weder 2022 noch 2023. Wem es zu diesen komplexen Fragen wirklich um einen Austausch, verbunden mit einer Offenlegung aller Ideen und Fragen geht, der würde einen mehrtägigen Workshop anbieten sowie die Bereitschaft zeigen, Fragen und Meinungsäußerungen nicht nur pro forma weihevoll entgegenzunehmen und ansonsten zu ignorieren, sondern sie auch zu durchdenken und öffentlich mit sachkundigen Bürgern zu erörtern. Dieser Vorgang könnte nicht „schnell-schnell“ abgeschlossen werden, sondern würde Zeit und Offenheit erfordern. Was jedoch jetzt erneut vorgelegt wurde, und die Vortragenden selbst sowie durch den Bürgermeister und den Umweltminister höchst belobigt wurde ist auenökologisch unverdaulich. Ein Berg von vorgeblich wichtigen Aufgaben wurde aufgetürmt, dabei hält die Natur alle Modelle bereit, wie mit frei fließendem Wasser zum Nutzen aller umgegangen werden kann – es ist viel einfacher!

Final gab es dann noch Abschlussworte von Politikern, welche sich selbst für ihre guten Taten gegenseitig lobten und verkündeten, wie schön alles sei und wie schöner es noch werden würde. Nun – wir lassen uns gern davon in Zukunft überzeugen – aber was uns bisher wie auch am 2.11.23 präsentiert wurde, ist nicht dafür geeignet und lässt uns eher noch pessimistischer in die Zukunft blicken. Für die Leipziger Auen sieht es noch auf Jahre und vermutlich einige Jahrzehnte sehr trübe aus!

Wenigstens gab es ein Buffet, an welchem man sich gegen Ende des Abends ob diesen ganzen Geredes stärken konnte, auch wenn die Speisen passenderweise etwas versalzen waren. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Vielleicht wird uns ja beim Impulsforum 2024 endlich verkündet, dass man dann nun endlich etwas Grundsätzliches betreffs der Auenrevitalisierung in Angriff zu unternehmen gedenkt. Wahrscheinlicher werden es aber auch im kommenden Jahr wieder nur weitere hunderte von Konzepten, Papieren und Schaubildern sein, mit welchem man allen und sich selbst vortäuscht, man würde hier viel und voller Elan an der Auenrevitalisierung arbeiten. In Wirklichkeit belügt man sich aber selbst und baut nur weiter an Potemkinschen Dörfern. Immerhin bringt all dies Fördergelder in die Region und manch Mensch wird hier gewiss auch weiter in Zukunft als Begleitforscher, Konzeptschreiber und Schönfärber seinen Lohn und sein Brot verdienen können.

Prof. Dr. Bernd Gerken, Johannes Hansmann

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