“Früher kaufte man Anzüge, die 20 Jahre halten sollten. Heute kaufen wir zwei Anzüge im Jahr.”

PEFC-Schild in der Leipziger Burgaue. Foto: J. Hansmann

Ein Beitrag aus dem Aueninstitut für Lebendige Flüsse

Für Leser, die es eilig haben: wir haben unten in diesem Beitrag für Sie einen Link zu einer interessanten Dokumentation darüber, wie ein schwedischer Möbelkonzern global Wälder zerstört, es aber dank Greenwashing wie dem FSC-Siegel hinbekommt, sich stets ein grünes Image zu verschaffen. Allerdings ist diese Problematik viel weitreichender. Warum?

In der Natur hat alles seinen Platz und seine Funktion. Das bedeutet, dass alles, was wir Menschen der Natur entnehmen, hinterher immer fehlt. Wenn wir nur ein wenig entnehmen, eben das, was wir wirklich zum leben brauchen, kann der Naturhaushalt dies ausgleichen. Unsere Wirtschaft ist jedoch darauf ausgerichtet, Gewinn zu machen und immer mehr zu wachsen. Darum reicht es nicht aus, nur das zu nehmen, was wir zum leben brauchen. Dinge, die wir täglich benötigen, Kleidung, Geschirr, Werkzeuge, eigentlich alles, wird so produziert, dass es in der Regel nur eine kleine Zeitspanne lang hält, sodass wir schnell wieder neue Produkte kaufen müssen und Unternehmer schnell wieder Geld verdienen können. Technische Geräte würden hin und wieder auch länger funktionieren, passen aber, sobald sie etwas älter sind, nicht mehr zu den sich stets weiter entwickelnden technischen Standards. Funktionierende Geräte landen im Müll, weil sie nicht mehr kompatibel sind mit den aktuellen Betriebssystemen oder weil sie als alte Geräte im Internet unsicher geworden sind. Aber dies ist im Sinne der Wirtschaft, denn diese verdient ja daran, dass wir immerzu neue Geräte erwerben. Überdies lässt sich die Wirtschaft sogar in einem fort neue Produkte einfallen, welche wir Menschen eigentlich gar nicht brauchen zum Leben: aber Marketing ist bekanntlich die Kunst, Bedürfnisse zu erwecken, wo eigentlich gar keine sind. Man kann gut mit solchen eigentlich nicht wichtigen Dingen Geld verdienen wenn man nur ein gutes Marketing hat.

Selbst als wir Menschen schon vor Jahrzehnten erkannt haben, wie problematisch unsere Art zu wirtschaften ist, wurde weiter gemacht – bis heute. Anstatt etwas zu ändern, hat man stattdessen Greenwashing als neue Marketingspielart perfektioniert und macht der Gesellschaft glauben, man könne weiter so Raubbau betreiben wie bisher, wenn man stattdessen nur hier und da ein paar Bäume pflanzt oder ähnliches. Aber diese modernen Ablasshandlungen, wenn sie denn überhaupt stattfinden und nicht nur vorgetäuscht sind, können die großen Probleme nicht mehr ungeschehen machen. Vielmehr sind sie inzwischen selbst teilweise ein komplexer Markt geworden, auf dem man mit Ablassbriefen viel Geld verdienen kann.

Dies betrifft unser gesamtes Wirtschaftssystem, nicht nur hier, sondern global. Jedes größere Unternehmen hat allein deshalb schon unsere Umwelt auf dem Gewissen, weil es eben nur groß werden konnte, indem es unserer Natur, die wir alle zum Überleben benötigen, bewusst oder unbewusst irreparablen Schaden zugeführt hat – entweder selbst oder durch Zulieferer oder durch seine Vorgänger. Sei es Luft, Wasser und Erde, die verschmutzt worden sind, seien es Ökosysteme, die zerstört worden sind, seien es ganze Arten, die ausgerottet worden sind: all dies geschah immer, weil ein Mensch Gewinn machen wollte.

Kein Industriezweig ist hier unschuldig, und auch neue Technologien haben hierfür keine Lösung, sondern führen nur zu weiteren, eben nur anderen neuen Umweltzerstörungen. Letztlich ist aber eigentlich jeder Teil dieser komplexen Systeme – auch wir Verbraucher. Und niemand kann sich so einfach diesen Systemen entziehen, denn die Systeme durchziehen unser gesamtes Leben von der Geburt bis hin zum Tod sowie auch alle unsere Gesellschaften.

“Früher kaufte man Anzüge, die 20 Jahre halten sollten. Heute kaufen wir zwei Anzüge im Jahr.”
Ingvar Kamprad 1969

Der Ikea-Gründer war ein Kind seiner Zeit und erkannte die Chance für sein Unternehmen, zu wachsen, in dem man anstatt Qualitätsmöbeln Wegwerfmöbel herstellte und verkaufte. Er hatte sich dieses System nicht selbst ausgedacht, aber vorausschauend die Zeichen seiner Zeit erkannt. Heutzutage sind fast alle unserer Waren, nicht nur Möbel, solche Wegwerfwaren. So wird in immer kürzerer Zeit immer mehr Geld verdient – und wir Menschen entnehmen immer mehr und mehr aus der Natur, plündern unseren Planeten, hinterlassen Müll und schier ewig giftige Chemikalien sowie strahlendes radioaktives Material.

PEFC-zertifizierter “Wald” beim Staatsbetrieb Sachsenforst. Noitzscher Heide im März 2024. Foto: J. Hansmann

Wenden wir unseren Blick auf Waldökosysteme: sie werden zerschnitten durch immer mehr Straßen, Windräder und Leitungen aller Art, was sie langfristig noch verletzlicher macht als ohnehin im Klimawandel. Wälder werden zerstört zugunsten von Holzplantagen um Strom oder billiges Holz für die Papier- und Möbelindustrie zu produzieren. Die Forstwirtschaft (die Wissenschaft der Holzproduktion, nicht die Wissenschaft der Waldökologie!) wiegt sich in dem Glauben, man könne, wenn man nur die richtige Technik anwendet, trotzdem weiter so machen wie bisher. Aber dies ist Hybris. Die Forstwirtschaft dient stets als verlängerter Arm der globalen Wirtschaft. Sie wurde ja auch einst als Wissenschaft ersonnen, um für andere Wirtschaftszweige möglichst schnell und effizient passendes Holz auf lange Zeiträume hin zu produzieren. Dies ist quasi ihre ureigene DNA.

Auch in diesem Sektor gibt es Marketinginstrumente, die der Welt glauben machen wollen, man könne im Rahmen der bestehenden Wirtschaftssysteme und vor allem Wirtschaftsdenkweisen Wald mehr oder weniger weiter so bewirtschaften wie bisher ohne den Wald (oder was man halt “Wald” nennt) zu zerstören: die Siegel PEFC und FSC.

Beide Siegel sind eigentlich nichts wert. Sie sind letztendlich nur Augenwischerei. Übrigens haben auch einige Wälder in Sachsen solche Zertifikate – auch der Leipziger Auwald. Aber dass ein Wald dieses Siegel mal bekomme hat, bedeutet nicht, dass unsere Wälder damit nun wirklich naturverträglicher bewirtschaftet werden würden als anderswo. Diese Siegel bedeuten keinen wirklichen Naturschutz und auch keinen Waldschutz, auch wenn sie das Bemühen vorgeben, diese berücksichtigen zu wollen. Sie bleiben eben nur Marketinginstrumente, damit der Verbraucher sich in scheinbar ruhigem Gewissen wiegen kann, wenn er sich ein neues Regal oder Klopapier mit FSC- oder PEFC-Siegel kauft. So oder so musste hierfür ein Baum gefällt werden – und in der Regel passiert dies eben in einer Holzplantage mit einem Harvester und nicht in einem Wald mit einer Säge und einem Rückepferd. Erschreckend oft werden weltweit sogar Urwälder und Naturwälder ausgeschlachtet bis hin zu kahlgeschlagen – das Holz bekommt hinterher dennoch das entsprechende Siegel fürs Marketing, um den Schein zu waren.

All dies geht auch nicht anders, denn sonst könnten ja weder Möbelhaus, noch Möbelfabrik, noch Sägewerk oder Forstwirtschaftsbetrieb jeweils Gewinn machen – und ohne Gewinn gäbe es diese Unternehmen nicht!

Es wird eine Herausforderung für die Menschheit jetzt und in der Zukunft sein, eine neue Wirtschaft zu entwickeln, die die wirklichen Bedürfnisse der heute lebenden Menschen deckt, ohne unseren Planeten zu zerstören. Das Ziel muss es werden, den Lebewesen von morgen, Menschen, Tieren, Pflanzen und allen anderen, eine Welt zu hinterlassen, in der sie leben können. Ob eine auf reines Wachstum und Gewinn orientierte Wirtschaft wie die jetzige in diesem Sinne zukunftsfähig ist? Wohl nein. Ein Kraftakt wird es sein, sich aus diesen komplexen Systemen zu befreien, ein globaler Kraftakt, den die Menschen nur gemeinsam werden schaffen können. Das mag wie eine unmögliche Aufgabe klingen, aber möglicherweise haben wir langfristig keine andere Wahl.

https://www.arte.tv/de/videos/112297-000-A/wie-ikea-den-planeten-pluendert/?fbclid=IwAR1WOa3vlucMc1Nd_e0BEYBepYs0eM2htqyQX4P9AcKa7ovGdDdDEdGXgjk

Die Dokumentation kann noch bis zum 02.06.2024 angesehen werden.

Johannes Hansmann

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