Leipziger Auwald ohne Eichen: Forscher warnen vor Artensterben

So titelte die Leipziger Volkszeitung am 21.02.19. Früh morgens, zu der Stunde als NuKLA diesen LVZ Artikel las (s. link unten), waren wir gerade auf dem Weg in den Wald, um gemeinsam mit Naturschutzbeauftragten des Sachsenforst in den Fällgebieten gefundene Larven und Kotpillen von streng geschützen Käfer-Arten zu sichern.

Sofort schrieben wir einen “Offenen Brief” an Herrn Professor Wirth, den die LVZ in dem Artikel zitiert, und machten unserem Unverständniss Luft. Diese Diskussion geht in eine völlig falsche Richtung:Wir brauchen keine kleinen Eichen mit gekappten Wurzeln und in Plantagenanordnung an Stellen, wo vorher ökologisch wertvolle alte große Bäume (BIOTOPBÄUME), Eschen, Eichen oder Bergahorn, abgeholzt wurden!

Foto: NuKLA

Den Arten, deren Aussterben immer wieder herbeibeschworen wird, sofern diese absurden Vorgehen nicht weiter umgesetzt würde, ist es ziemlich egal, was die Wissenschaftler sagen. Es musste erst ein Naturschutzverein wie NuKLA kommen, der im sogenannten “Stadtwald”, der ein schlummernder, auf Revitalisierung durch Wasser geduldig ausharrender Auwald ist, viele weitere  Funde dieser extrem seltenen Käfer findet. Wäre dies eher geschehen, hätten die Flächen, auf denen er vorkommt, sogar für Spaziergänger abgesperrt werden müssen. Statt dessen sind schwere Maschinen dort durchgefahren und haben “Holz geerntet” und die Lebensräume der Winzlinge und sie selbst zerstört. Danke an die Wissenschaft und die Behörden, welche für diese Zerstörung von Naturraum die Verantwortung zu tragen haben und diese immer noch und immer wieder gut heißen. Ohne sie wüssten wir nicht, welch bedeutendes Vorkommen seltener, streng geschützter Käfer direkt vor unserer Nase liegt.

Offener Brief” vom 21.2.19                                                                                                              Sehr geehrter Herr Prof. Wirth,

ja, in Leipzig vermehrt sich derzeit auf natürlich Weise vor allem der Ahorn (der Spitzahorn). Und das vor allem da, wo die Forstwirtschaft ihm viel Licht geschaffen hat: in den Femellöchern und auf den sog. Mittelwaldflächen, wo der schnellwachsende Ahorn (mit Brombeere, Holunder und Co.) die langsam wachsenden Eichensetzlinge überholt und dann erstickt. Wenn diese nicht schon von den gern auf diesen Lichtungen spielenden Kindern niedergetrampelt und von Moutainbikern überfahren wurden.

Der Ahorn ist eine invasive, auenuntypische Art, der sich hier ausbreiten kann, weil unser Auwald kein Wasser hat! Würde es immer mal großflächig Wasser in der Aue geben, würde der Trockenheilt liebende Ahorn absterben und die Wasser vertragenden auentypischen Bäume, u.a. Eichen!, übrig bleiben. Der Förster zieht also seine Daseins- und Fällberechtigung daraus, dass der Aue von den verantwortlichen Menschen weiterhin die natürlichen Lebensbedingungen verwehrt werden: Mit Wasser keine (angebliche) Notwendig für forstliche Eingriffe. Angeblich deswegen, weil auf den forstlich behandelten, nacktgefällten und dann plantagenbepflanzten (trockenen) Flächen auch nur nicht die Eichen sich durchsetzen. Das kann man sich ansehen. Abgesehen davon, dass ein künstlich gepflanzter Baum immer eine gekappte, verkrüppelte Wurzel hat, also per se schon ein behinderter Baum ist, der viel weniger dem Sturm standhalten und bei längerer Trockenheit an tiefer liegende Wasserschichten herankommen kann, wie es natürlich nachwachsende Bäume können.

Wasser ist der Zusammenhang: die seit fast 100 Jahren fehlenden Wasserschwankungen und fehlende großfläche Überflutungen (die hier vor Ort so gestaltet werden können, dass keinerlei Schaden entsteht) sorgen dafür, dass die Eiche sich nicht auf natürliche Weise verjüngen kann. Die Aue braucht Wasser, keine Kettensägen, die die ökologisch wertvollen alten Bäume entnehmen (die übrigens auch Lebensraum vom Aussterben bedrohter und zu schütztender Arten sind!) und Wüsten hinterlassen.

Sehr geehrter Herr Prof. Wirth, das alles wissen Sie. Sie reden ja auch vom fehlenden Wasser. Allerdings nicht im Zusammenhang mit der (Baum)Artenzusammensetzuing und der drohenden Reduzierung der Artenvielfalt. Das fehlende Wasser, das die Lebendige Luppe bringen soll: auf max. 25 Metern Fläche nach rechts und nach links (wobei dieser Wissenstand noch aus den Hochphasen kühner Planungen der Naturschützer stammt und vermutlich längst veraltet ist, da ja immer noch nicht klar ist, woher überhaupt das Wasser für diese Projektchen kommen soll) kommt mit den geringen Wassermengen keine hydrologische Dynamik zu Stande, die zu morphologischer Dynamik führen würde. Das aber ist das Kriterium für Renaturierung: dass so viel Wasser fließen kann und so viel Raum ist, der ein Fließgewässer sich sein Bett selbst gestaltet.

Es wäre die Aufgabe der Wissenschaftler, darauf hinzuwirken, dass Wasser in die Aue kommt. Statt dessen beforschen sie den Artenverlust und unterstützen die forstliche Zerstörung der noch bestehenden Altauenflächen und damit den Verlust der letzten einigermaßen auentypischen Lebensräume, aus denen heraus sich wieder auentypischer Artenreichtum entwickeln könnte – wenn wir denn Wasser großflächig in die Aue ließen.

Sehr geehrter Herr Prof. Wirth, während Sie in der heutigen LVZ Ihre wissenschaftlichen Wahrheiten unter die Leute bringen lassen, sind Naturschutzbeauftragte des Sachsenforst zur Stunde mit unserem NuKLA-Mitglied Hannes Hansmann im FFH Gebiet damit beschäftigt, durch die Holzfällungen vom Tod bedrohte Tiere vor dem Sterben zu retten und den Schaden, der durch die von Ihnen erneut unterstützte Zerstörung von deren Lebensräumen angerichtet wurde, zumindest zu begrenzen.

Hier zitieren wir einen Kommentar aus dem Artikel der Leipziger Internetzeitung unter dem Titel: “Wie sieben Köche die Herstellung der Leipziger Flussaue verhindern”

Kommentar Robin W: ein Kenner der Szene?

“Auch ich war tief entsetzt über den LVZ-Artikel, der hier ja verlinkt ist.

Natürlich weiß Herr Professor Wirth, dass ein Hartholzauwald nur mittel- und langfristig Bestand haben kann, wenn die Hydrodynamik stimmt. Er kennt die hydrologischen Parameter und weiß, was getan werden könnte und müsste.

Natürlich weiß Herr Professor Wirth, dass auf den Mittelwaldflächen in der Burgaue nur der Ahorn gefördert wurde und wird und die freigestellten Altbäume, die vorher Jahrzehnte und Jahrhunderte im geschützten Wald standen, jetzt zu viel Sonne abbekommen und durch einen der nächsten Stürme angesichts der jetzt bestehenden Exponiertheit einfach umgeblasen werden . Er kennt die Auswirkungen des Klimawandels.

Natürlich weiß Herr Professor Wirth, dass die Eiche konkurrenzfähiger ist als es die Stadt- und Staatsförster gerne vorgeben. Es bedarf keiner riesigen Femellöcher von > 0,5 ha, um Eiche aufwachsen zu lassen. Er wird die neueren Forschungen kennen, die belegen, dass auch sehr kleine Auflichtungen ausreichend sind und sogar viel besser funktionieren – z.B. Praxisforschung durch das Lehr- und Versuchsforstamt Arnsberg in NRW – und bei natürlicher Flussdynamik natürliche Eichenverjüngung auch funktionieren kann, z.B. im NSG Kühkopf-Knoblochsaue am hessischen Oberrhein (Forschungsergebnis). Ggf. kann man das dann ja auch mit behutsamen Eichenförderungen verbinden im Leipziger Auwald, diese Idee muss Herrn Professort Wirth sicherlich auch selbst gekommen sein.

Natürlich weiß Herr Professor Wirth, dass die dichten Aufforstungen in den Femellöchern mit wurzelverkrüppelter Standardforstware (Standardmethode der Intensivforstwirtschaft) nicht zu naturnahen Wäldern werden sondern zu monotonen Eichenforsten verkommen und auch der genetischen Vielfalt völlig zuwider laufen (denn genetische Vielfalt ist bei einem solchen Vorgehen verpönt, man nimmt nur die forstlich günstigen, oft nur von einem einzigen Baum, der besonders gut zur Ernte taugt). Er kennt natürlich die Forschungen zu naturnahen Waldbegründungen und weiß, wie man gut geschichtete und artenreiche Wälder entwickeln kann bzw. könnte.

Natürlich weiß Herr Professor Wirth, dass aus dem Auwald Unmengen an Alteichen und Alteschen herausgenommen wurden und weiterhin herausgenommen werden, Altbäume, die für den Wert des Waldes unabdingbar sind. Natürlich weiß Herr Professor Wirth, welch ein Unsinn die sog. Sanitärhiebe aus ökologischer Sicht sind, denn genau so kann man das Eschentriebsterben nicht in den Griff bekommen (Peter Wohlleben spricht sich sogar für einen Hiebsstopp aus, damit sich besser Resistenzen entwickeln können; ja es gibt auch praktizierende Förster mit Sinn für den Natur- und Artenschutz).

Natürlich weiß Herr Professor Wirth, dass die hohe Artenvielfalt auf und an Eichen nur vorhanden ist und überhaupt dann nur einen Sinn macht, wenn diese Eichen in einer intakten Waldstruktur stehen und nicht in einem naturfernen Eichenforst.

Natürlich weiß Herr Professor Wirth auch, dass das Projekt Lebendige Luppe, wie es derzeit planungsmäßig dasteht, kaum ein Tropfen auf den heißen Stein ist bei der Lösung der massiven Auwaldprobleme.

Natürlich weiß Herr Professor Wirth, was man eigentlich erforschen sollte im Auwald. Nämlich Lösungen zu finden, wie man den Auwald als Auwald für die nächsten Generationen retten kann und Alternativem zu finden für die intensive Forstwirtschaft, wie sie leider gegenwärtig praktiziert wird. Aber das wird wohl nicht gewünscht.

Natürlich weiß Herr Professor Wirth, dass der LVZ-Artikel hauptsächlich von Laien gelesen wird. Warum spricht aber Herr Professor Wirth die wahren Probleme nicht deutlich aus und warnt hingegen einfältig vor zu viel Prozessschutz (und das als Biodiversitätsforscher)?

Das ganze wird nur dann verständlich, wenn man es als Auftragswerk und Gefälligkeitsbeitrag für Stadtforsten und Sachsenforst liest. Denn von dort bezieht er wichtige Drittmittel, dort hat er seinen Auwaldkran stehen und darf forschen. Auch bei allem Grübeln fällt mir kein anderer Grund ein. Abstrusen Försterideologien unter dem Motto „Nur ein vom Förster gestalteter Wald kann ein guter Wald sein“ wird er ja wohl kaum anhängen. Eigentlich eine sehr bittere Situation für einen Professor, der sich doch eigentlich für Biodiversität interessiert.

 Natürlich ist der Beitrag von der LVZ und Professor Wirth ganz gezielt lanciert worden. Ganz gezielt als Gegenbeitrag zu dem Engagement von NuKla und Grüner Liga, mit denen Stadtforsten und Sachsenforst im Clinch stehen, und zu den vielen guten Artikeln in der L-IZ. Und ganz gezielt nimmt er wohl auch in Kauf, dass er sich über diesen Versuch der Volksverdummung zumindest bei denen, die im Thema stehen, nur selbst diskreditiert.”

Zum Thema Wasser kommen wir an gesonderter Stelle nochmal zurück.

Zu den Eichen, melden wir uns in Kürze.

Hier der Link zur LVZ: http://www.lvz.de/Leipzig/Lokales/Leipziger-Auwald-ohne-Eichen-Forscher-warnen-vor-Artensterben

Hier der Link zur L-IZ: https: https://www.l-iz.de/politik/brennpunkt/2019/02/Wie-sieben-Koeche-die-Herstellung-der-Leipziger-Flussaue-verhindern-260099?highlight=nukla

Hier sehen Sie, wie NuKLA mit den Naturschutzbeauftragten versucht hat, die Lebensräume der Käferlarve ersatzweise wiederherzustellen und so deren Überleben zu sichern (die Larven brauchen 3 Jahre, bevor die Käfer aus ihnen schlüpfen).

Fotos: NuKLA

 

 

 

 

Der Spitzahorn ist im Übrigen durchaus ein genehmer Baum, wenn er denn an der richtigen Stelle steht, und ein Baum der auch seine Berechtigung hat, aber eben nicht in einem Auwald, da er bei längeren Nässeperioden (Überflutungen) nach kurzer Zeit im Wasser eingeht: er gehört eben natürlicher Weise nicht in einen Auen-Wald!

In Kürze für die, welche unbedingt die Eiche verjüngen wollen: 1000de Eichen für Leipzig

 

 

 

 

 

 

 

 

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