Artenvielfalt im Leipziger Auwald – Quo Vadis? Platz für tausende von jungen Eichen

Der Pfingstanger: eine intensiv landwirtschaftlich genutzte Fläche mitten in der Aue.

Genauso wenig, wie wir Menschen immer und ewig gleich bleiben, genauso wenig verbleibt die Natur dauerhaft in einem Stadium. Das Leben besteht generell aus Veränderung – Ökologen nennen es Sukzession.

Erich Fried sagte einmal: „Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt“.

Man kann wollen, dass der Leipziger Auwald so bleibt, wie er ist. Man kann auch wollen, dass der Leipziger Auwald wieder genau so wird, wie er vielleicht einmal war, sollte sich dann aber verdeutlichen, dass die Welt heute schlicht eine andere ist als damals und dies wahrscheinlich so gar nicht möglich sein wird. Prinzipiell aber haben wir es hier mit Natur und ihren durchweg offenen Kreisläufen zu tun, welche sich unabhängig vom menschlichem Wollen entwickeln – insofern, als sich Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren schlicht an ändernde Umweltbedingungen anpassen. So wächst dann eben auch mal Spitzahorn da, wo Mensch es nicht möchte oder als Wissenschaftler nicht erwartet– weil diese Baumart gut mit urbanem Stadtklima und dem Stickstoffreichtum unserer Landschaften umgehen kann. Wir Menschen sind dabei selbstverständlich ein Einfluss von vielen, und je nach dem, was wir tun, ändern sich (banal) auch die von uns verursachten Einflüsse, aber das, was wir tun und verursachen, ist komplex und nicht so einfach, wie manche es sich wünschen. Vor allem ist eine Aue nicht einfach steuerbar: Natur ist keine Maschine, bei der man auf ein paar Knöpfe drücken kann und dann passiert das, was man sich gerade wünscht.

Die eigentliche Luppe: an manchen Stellen ist sie sogar noch ein wenig mit Wasser gefüllt. Sogar Weidengürtel haben sich erhalten.

Eine Aue ist ein ganz besonderer Lebensraum, dessen besonderes Merkmal seine existentielle Bindung an Flüsse ist. Zwar haben wir Menschen scheinbar unsere Flüsse gebändigt und steuern ihre Wasserstände weitestgehend technisch im Rahmen unserer Möglichkeiten. Natürlich ist dies aber nicht. Ein natürlicher Fluss führt so viel oder wenig Wasser, wie es Niederschläge gibt. Somit schwanken die Wasserstände im Laufe der Jahreszeiten, Jahrzehnte, Jahrhunderte. Elementar ist dabei das Schwanken. Nichts bleibt dauerhaft in einem Stadium.

Genau diesen Schwankungen passen sich die Lebensgemeinschaften einer Aue an. Wie und wo sich welcher Typus von Weichholz- oder Hartholzaue entwickelt, wo sich Feuchtwiesen oder Tümpel entwickeln (oder eben nicht), all dies ist dynamisch, schwankt mit dem Wasser der Flüsse, welche im übrigen auch nie gleich bleiben, sondern stets und ständig ihren Lauf verändern und mäandrieren.

Eben diese stetigen Veränderungen schaffen eine Vielzahl von Biotopen unterschiedlichster Art, mal von längerer, mal von kürzerer Dauer, wodurch Organismen mit verschiedensten Ansprüchen nachvollziehbarer Weise in einer Aue Heimatnischen finden. Theoretisch, denn aktuell werden unsere Flüsse gezwungen, menschengemachte Wasserstände einzuhalten. Und durch diese konstant gehaltenen künstlichen Wasserstände wird der Aue schon seit langer Zeit ihr substantielles, basales Charakteristikum entzogen: die hydrologische Dynamik.

Dennoch haben Lebensgemeinschaften der Aue, wenn auch teilweise nur noch in Relikten, überlebt. Man könnte so die Aue als „schlafend“ bezeichnen. Pessimisten würden sagen, sie stirbt. Prinzipiell kann sie aber nicht sterben, sondern sich nur verändern, sich eben anpassen auf den vorwiegend menschlichen Einfluss, der ihr vor allem den Atem der Flüsse vorenthält.

Die Halbaue am Elsterbecken als Zwischenstadium einer Aue, da ihr Schwankungen des Wassers weitestgehend vorenthalten werden.

Abgesehen vom Einfluss des schwankenden Wassers wird eine reale Aue nicht, wie in einem Lehrbuch, nur aus zwei scharf voneinander abtrennbaren Bereichen, der Hartholzaue und der Weichholzaue, bestehen. Natürlicherweise gibt es hier Übergangsbereiche, in mancher Hinsicht auch sogenannte Durchdringung. Und wenn der Taktgeber der Aue, das sich stets verändernde Wasser, wieder den Takt angibt, werden diese beiden Bereiche und ihre Übergänge sich mit dem Wasser bewegen und dem Wasser folgen.

Je nach Klima und geografischen, ökologischen wie geologischen Gegebenheiten muss eine Hartholzaue auch nicht zwingend immer aus hauptsächlich Eichen, Eschen und Ulmen bestehen. So gibt es auch Hartholzauwälder, in welchen hauptsächlich Erlen und Eschen den Lebensraum prägen. Oder auch Auwälder, in denen mehrheitlich Erlen, Eschen und Traubenkirschen vorkommen. Oder solche, in denen weder Esche, noch Ulme noch Stieleiche auftreten. Es gibt auch Zwischenstände zwischen diesen Arten von Auen, und da alles im Wandel ist, mag es auch sein, dass sich ein Auengebiet auch einmal von diesem Auentypus zu jenem Auentypus um-entwickelt. So, wie es eben das Wasser, so es natürlich fließen darf, vorgibt. Vielleicht gibt es in einigen hundert Jahren, Jahrtausenden auch ganz andere Auentypen mit anderen Bäumen, welche sich an die hoffentlich dann wieder vorhandene hydrologische Dynamik, nur unter vermutlich anderem Klima, angepasst haben? Im Tertiär vor 20 Mio Jahren hatten wir in Europa auch Auenwälder, doch mit überwiegend uns heute fremden Baumarten.

Auch die hier im Leipziger Auensystem lebenden Organismen sind an den Wandel des Wassers und den Wechsel der Baumarten angepasst, u.a. indem sie Nischen und Stadien nutzen, welche die Veränderungen verursachen.

Eichen in der Burgaue. Diesen Winter durften sie noch stehen bleiben. Mögen sie es auch in Zukunft bleiben und alt werden dürfen!

Natürlich spielen Eichen eine wichtige Rolle in einer Aue, Eichen sind aber nicht der Ursprung der Artenvielfalt. Sie sind ein wichtiges Element, aber sie sind nicht der Taktgeber in einer Aue. Taktgeber ist in Auen einzig das Wasser. Die Tiere können auch auf andere Baumarten ausweichen. Um hier ein paar, auch den Leipziger Auwald betreffende Beispiele zu nennen: Eine Mopsfledermaus braucht vor allem alte Starkbäume. Sie profitiert durchaus von Eichen, lebt aber auch gut mit Eschen, wenn diese durch abplatzende Rinden und abbrechende Starkäste Spalten aufweisen. Auch andere Baumarten, so diese ab einem gewissen Alter entsprechende Habitatstrukturen aufweisen, ja sogar eine nicht einheimische Baumart wie eine Roteiche, mag ihr ein Quartier geben, so diese Roteiche zufällig Spalten hat. Wichtig scheint der Mopsfledermaus eher zu sein, dass diese Starkbäume im Großen und Ganzen eine halbwegs grobe Borke haben. Unter Umständen weicht sie auch auf jüngere Bäume aus, wenn diese schöne Spalten haben. Das Große Mausohr, eine weitere Art im FFH-Gebiet „Leipziger Auensystem“, leidet unter Quartiernot, da sie als gebäudebewohnende Fledermaus nicht mehr in die komplett sanierten und abgedichteten Dachböden von Kirchen, Scheunen oder Ställen hinein kommt. Bei den Jagdhabitaten ist das Mausohr recht flexibel, es nimmt hallenartige Wälder ebenso wie Parks oder naturnahes Grünland an. Der Eremit als FFH-Art profitiert durchaus von Eichen, nimmt aber auch ebenso Buchen, Hainbuchen, Rotbuchen, Eschen, Rosskastanien, Kopfweiden und Obstbäume an, sobald diese Bäume das entsprechende Alter und die entsprechenden Habitatstrukturen aufweisen. Unter Umständen gehen Eremiten sogar in Platanen, Robinien, Esskastanien und andere nicht einheimische Bäume, so diese alt werden dürfen. Der Maivogel dagegen ist eng gebunden an die Esche, nicht die Eiche (!) und er wird in Zukunft u.U. Probleme bekommen, da gerade grob fahrlässig mit dieser Baumart umgegangen und eine wirksame natürliche Ausbildung von Resistenzen gegen Krankheiten und Anpassungen an sich änderndes Klima durch die Vernichtung von Altbäumen verhindert werden. Der Maivogel kommt jetzt schon kaum noch im Auwald Leipzig vor. Die Gründe sind – unbekannt?

Aus Heckenstruktur naturverjüngte, mehrjährige Eichen. Mutterbaum links im Bild. Gefunden in Leipzig nahe der Weißen Elster.

Die meisten anderen FFH-Zielarten im FFH-Gebiet „Leipziger Auensystem“ brauchen dagegen gesunde, natürliche Flüsse und werden vor allem von einer Wiederherstellung der Wasserdynamik profitieren. Wie viele Eichen wo stehen, es ist dem Biber egal, er braucht vor allem Weiden und Pappeln. Ein Fisch wie der Bitterling braucht saubere Gewässer, ebenso profitiert der Fischotter von gesunden Flüssen. Kamm-Molch und Rotbauchunke brauchen sauberes, flaches Wasser (wie kleine Tümpel, welche temporär durch Überflutungen entstehen). Die Grüne Keiljungfer braucht natürliche Flüsse mit Sand- und Kiesbänken. Der Dunkle und der Helle Wiesenknopf-Ameisenbläuling dagegen brauchen gesunde Wiesen, welche nicht zu oft gemäht werden dürfen. Intensiv genutztes, überdüngtes Grünland nützen ihnen nicht. Von Leipziger Flächen mit FFH-Status wurden sie durch agroindustrielle Nutzung weitestgehend vollständig vertrieben.

Es darf gefragt werden, welche der FFH-Arten, für die dieses FFH-Gebiet ausgewiesen wurde, aussterben würde, wenn die Eiche „keine Chance“ mehr hätte, wie in einem Artikel der LVZ von einem Leipziger Wissenschaftler behauptet wurde. Die hier aufgeführten FFH-Arten sind doch vielmehr unabhängig von der Eiche, und eine Art braucht dagegen vielmehr sogar Eschen als Eichen?

Mehrjährige naturverjüngte Stieleiche in Schilfgürtel in der Leipziger Aue.

Es ist übrigens davon auszugehen, dass die Eiche, selbst wenn man das gesamte FFH-Gebiet ohne menschlichen Einfluss belassen würde (was gar nicht möglich ist!) auch nicht aussterben würde. Gerade entlang der Weißen Elster ist eine hohe Anzahl naturverjüngter, auch mehrjähriger Eichen zu finden, und zwar genau da, wo sich diese Baumart auch in anderen Regionen Deutschlands von allein verbreitet.

Die Eiche verjüngt sich gern an Flussufern und vor allem auch in Hecken und Säumen entlang von Wegen, Waldrändern und Lichtungen aus dem Gebüsch heraus. Dornige Sträucher wie Hartriegel, Weißdorn und Schlehe stellen hierbei natürliche Verbiss-Schutze dar. Wo es keinen Mutterbaum gibt, sorgen Tiere wie Eichelhäher für Verbreitung.

Wir können an sehr vielen Stellen im Auwald natürliche Verjüngung von Eiche zeigen. Wir fanden bisher nicht, dass diese gefördert würde. Wenn man das Leipziger Auensystem als Ganzes betrachtet und mal aus dem Auto aussteigt, zu Fuß oder per Rad diese Landschaft durchquert, wird man aktuell an vielen Stellen so viele junge Eichen sehen, dass man sich keine Sorgen mehr macht um die Eiche. Mangelnde Naturverjüngung an Eiche gibt es lokal im dichten Auwald, wo die Flussdynamik als auch große Weidetiere fehlen, welche in Wäldern von Natur aus und bis in die neuzeitliche Kulturlandschaft hinein eine wichtige ökologische Schlüsselrolle spielen. Diese beiden Schlüsselfaktoren würden sehr wahrscheinlich für Auflichtungen auch im dichteren Auwald sorgen, so sie dürften. Wo dies nicht genügt, werden Wind- und Eisbruch nachhelfen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Eichen (im Gegensatz zu Spitzahorn!) Autoabgase und hohen Stickstoffreichtum nicht so gut vertragen. Unser moderner Lebensstil und die konventionelle Landwirtschaft sind somit zwei Faktoren, die dazu beitragen, dass sich gerade in den urbanen Bereichen der zudem trocken fallenden Aue eher bspw. der schnell wachsende Spitzahorn rascher verjüngt als andere Baumarten.

Diese mehrjährige Eiche ist in einer Saumstruktur an einem Deich gewachsen. Dornige Sträucher und ein Gewirr toter Äste und Zweige gaben ihr Schutz.

Es ist auch bekannt, dass Windwurf natürliche „Löcher“ in einen dichten Wald schafft, wo sich Eichen verjüngen können. Wichtig hierbei ist, das Totholz am Boden zu belassen, da übereinander liegende Baumstämme und Astwerk ebenfalls als natürlicher Verbiss-Schutz dienen, aus dem heraus sich die Eichen an so mancher Stelle verjüngen können. Dickichte sind ja sogar besondere Lebensräume, welche es kaum noch gibt! Schlussendlich gibt es auch Beobachtungen und Dokumentationen aus anderen Regionen, die belegen, dass Waldbeweidungskonzepte förderlich sind für die natürliche Auflichtung auf dichtbewachsenen Flächen – das ist nachvollziehbar, gehören doch große Pflanzenfresser von Natur aus in den Wald, insbesondere einen Auwald! Auch viele andere, naturnahe und weniger invasive Konzepte zur Eichenverjüngung gäbe es zu erforschen und zu testen.

Aktuell wird in der Leipziger Aue keine natürliche Flussdynamik zugelassen. Hecken und Säume werden an den Waldrändern, Wegen, Wiesen und Feldern vielerorts regelmäßig zu Tode verschnitten und komplett niedergemäht. Windwurf und Windbruch werden regelmäßig beräumt und enden als Feuerholz. So entzieht der Mensch selbst der natürlichen Eichenverjüngung regelmäßig die Grundlage, ja, zerstört die sich naturverjüngenden Eichen auch noch. Schließlich behauptet er dann noch, es gäbe keine Naturverjüngung und schlussfolgert, der Mensch müsse nun korrigierend eingreifen und Eichen aufforsten.

Zerstörter Brutbaum vom Großen Rosenkäfer. Die Stark-Esche wurde offenbar durch das Astloch (links im Bild) von den Tieren besiedelt, die Baumhöhle war mehrere Meter tief und wurde diesen Winter komplett zerstört. Larven und Puppenwiegen wurden über den Waldboden gestreut und getötet bzw. zerstört.

Nun wäre nicht einmal etwas dagegen zu sagen, dass man Eichen pflanzt, aber so, wie man momentan diesen Waldumbau betreibt, richtet man mehr Schaden an, als Gutes damit zu bewirken: In den vergangenen Jahren wurden regelmäßig Starkbäume entnommen, große Femellöcher wurden angelegt und Eichen wie auf einem Kartoffelacker dicht an dicht in Reihen aufgeforstet. Entstanden sind auf diese Weise naturferne, künstliche Eichenfelder, aus denen erst in vielleicht 150 Jahren wieder Starkbäume entstanden sein könnten, die Habitatstrukturen für die FFH-Arten aufweisen. Besonders bizarr wird es, wenn bei der Rodung für die Femellöcher sogar Habitatbäume von bedrohten und gesetzlich geschützten Arten gefällt werden und nur sehr langsam auf die private Initiative von interessierten Bürgern reagiert wird. So sind allein in diesen Februar acht Brutbäume von Großem Rosenkäfer und/oder Eremiten gefällt worden. Larven wurden getötet, Puppenwiegen zerstört. Wir müssen davon ausgehen, dass auch in den Vorjahren solche Brutbäume zerstört wurden, nur hat das niemand festgestellt. Übrigens hätte ein gutes Monitoring des FFH-Gebiets solches schnell erkannt – und man hätte doch sicher gegengesteuert! Diese für die geschützten Arten nachweislich existentiell wichtigen Bäume befanden sich übrigens an kleinen Auflichtungen, wie sie durch Waldwege oder sich kreuzende Rückegassen entstanden. Brauchen manche Arten also doch nicht soviel Licht? Und vor allem, was bringt ihnen mehr Licht, wenn sie jetzt bei den waldbaulichen Maßnahmen getötet werden? Da wir zudem immer noch nicht wissen, wo im hiesigen Auwald bspw. die Mopsfledermaus ihre Wochenstubenreviere hat bzw. hatte, ist es sehr wahrscheinlich, das bereits jetzt durch die bisherigen forstwirtschaftlichen Maßnahmen Wochenstubenreviere zerstört worden sind, was u. U. gravierende Folgen für lokale Populationen hat.

Zerstörte Puppenwiegen des Großen Rosenkäfers, eines geschützten engen Verwandten des Eremiten, welcher ebenfalls vom Aussterben bedroht ist.

Auch unzählige weitere Organismen werden unter den Maßnahmen gelitten haben. Die unter FFH-Siegel als schutzbedürftig genannten Arten sind ja Zielarten, oder Leitarten, Zeigerarten oder Leuchtturm-Arten. Ihr Vorkommen ist für Kundige der Hinweis, dass da eine ganze Lebensgemeinschaft steckt, die ebenso schutzwürdig und schutzbedürftig ist. Und das soll sogar durch Maßnahmen im Namen der Artenvielfalt geschehen sein?

Es wäre deshalb der Sache weitaus dienlicher, Eichen, so man sie fördern mag, dort zu schützen, wo sie erstens aktuell altern und bereits Habitatbäume sind, und zweitens dort, wo sie sich aktuell auch selbst verjüngen: in den Hecken und Säumen entlang von Wiesen, Weiden, Lichtungen und Waldrändern. Hierzu ist ein Umdenken nicht nur im Auwald, sondern um den Auwald erforderlich. Heinrich Benjes sagte einst: „Eine Hecke zieht Tiere an wie ein Magnet, sie ist der Finger an der Hand des Waldes“. Der Auwald als aktuell bestehender Lebensraum für Eremit und Mopsfledermaus als Schirmarten und einer Vielzahl weiterer Arten in ihrem Gefolge sollte unbedingt vorerst so bestehen bleiben, wie er ist. Kleinere Eingriffe im Rahmen von Wegesicherung werden sowieso auch in Zukunft entlang von Straßen und offiziellen Wegen durchgeführt werden. Großflächige künstliche Auflichtungen hat es in der Vergangenheit wohl nun genug gegeben – zu welchem bitteren Preis, können wir nur erahnen. Ob im FFH-Gebiet nun exakt soundsoviel Prozent Eichen stehen oder nicht, ist für die Arten anscheinend nicht einmal relevant – Käfer und Fledermäuse lesen selten Managementpläne und gehen offenbar auch gern in alte Stark-Eschen. Die bisher geschaffenen Femellöcher sollten nun erst einmal beobachtet werden, ob sie wirklich den Nutzen bringen, wie behauptet wird. Bei einigen sieht es momentan nicht besonders beeindruckend aus, was man dort schuf.

Edelkastanien auf einem Femel in der Leipziger Aue.

Es sind auch Femellöcher zu finden, auf denen mit fremdländischen und standortuntypischen Baumarten wie Roteiche, Schwarznuss und Edelkastanie experimentiert wird, und das auf Naturschutzflächen. Was daran auentypisch sein soll und inwiefern solches zielführend ist in Lebensraumtypen, welche als Hartholzaue eingeordnet wurden, ist rätselhaft. Derlei Experimente sollten zwingend zumindest so lange unterbrochen werde, bis zumindest ein mittelfristiger Nutzen für die Artenvielfalt nachgewiesen werden konnte – und bis die Aue wieder einen längeren Zeitraum auentypische Wasserstands-Schwankungen erhalten hat – also die Wiederbelebung begann. Die ebenfalls mit diesem Ziel künstlich angelegten Mittelwaldflächen lassen da eher wenig Positives erahnen. Die dadurch gewonnene Zeit gäbe Raum für dringende weitere Forschungen, bevor man das Kind weiter mit dem Bade ausgießt. So ist es z.B. absolut wichtig, herauszufinden, wo bspw. die Mopsfledermaus ihre Wochenstubenreviere (noch?) hat. Auch sollte man dringend Eschen als Habitatbäume neu untersuchen und bewerten, sie scheinen doch wichtiger zu sein, als man bisher verlauten ließ, v.a. da sie offenbar derzeit beliebte Brutbäume für bedrohte Arten wie Rosenkäfer und/oder Eremiten waren und sicher irgendwo noch sind.

Vor allem jedoch wäre diese Zeit prioritär dafür zu nutzen, die auentypischen Bedingungen wieder herzustellen, um dann zu schauen, inwiefern sich das FFH-Gebiet und seine Baumartenzusammensetzung entwickeln werden. Erst dann lässt sich abschätzen, inwiefern der Mensch tatsächlich künstlich eingreifen und den Wald „umbauen“ muss. Es ist sehr wahrscheinlich, dass man dann feststellt, dass gar nicht eingegriffen werden muss, wenn auentypische Bedingungen wieder wirken dürfen!

Ausbringung von Gülle Anfang Februar 2019, teilweise mit nur geringem Abstand zum Gewässer und zudem auf teilweise gefrorenen Boden.

Wenn man mag, wäre es dennoch durchaus von Nutzen, auch Eichen zu pflanzen. Schon lange ist die Gestaltung der landwirtschaftlichen Flächen in und um Leipzig ein Thema. Seit 2007 (!) thematisieren die Grünen im Stadtrat, dass Biolandbau und die Anpflanzung von Hecken auf landwirtschaftlichen Flächen, die der Stadt sogar gehören und an konventionell landwirtschaftende Betriebe verpachtet sind, gefördert und ausgebaut werden sollten. Seit über 10 Jahren ist, wie es in einem Artikel der L-IZ vom 19. Februar 2019 zu lesen ist, dazu nichts passiert. Statt dessen wird mitten im FFH-Gebiet heute noch bei gefrorenem Boden mit teilweise viel zu geringem Abstand zu Gewässern Gülle ausgebracht, was für Amphibien und Fische eine Katastrophe ist und – für die Menschen ebenfalls eine Katastrophe ist, da so die betroffenen Gewässer verunreinigt werden, langfristig verbunden mit durchaus auch schädlichen Auswirkungen auf das Grundwasser und damit dem Trinkwasser der Zukunft! Auch bedrohte Pflanzengesellschaften leiden darunter. Und wieder befördert man damit stickstoffliebende Pflanzen – wie den Spitzahorn.

Landwirtschaftliche Nutzfläche in der Aue: hier wird auch noch bis zum Wegrand millimetergenau gemäht, auf dass nichts blühen kann.

Laut der Anfragen der Partei der Grünen gehören 1.800 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche der Stadt. Die Stadt ist Eigentümerin und könnte als solche durchaus Einfluss nehmen, wenn sie wollte! Alle Fuß- und Radwege, Bäche und Gräben u.Ä. sollten Hecken als Saumstrukturen bekommen! Vor allem schützt jede Heckenstruktur nicht nur den Boden vor Erosion, hält Wasser fest (was in heißen Sommern hohe Relevanz hat), sie schützt nicht nur den dort sich erholenden Wanderer mit angenehmen Klima, sie ist zudem ein Schlüsselelement unserer einheimischen Natur und ein Lebensraum von hoher Relevanz für weitere zahlreiche bedrohten Arten. Ein Lebensraum, welcher deutschlandweit im Rückgang begriffen ist, da überall am besten noch bis zum letzten Zentimeter das Gras auf wenige Millimeter gemäht wird!

Und nicht nur Hecken sollten hier zugelassen werden, sondern genau hier wäre auch Raum für ganze Eichenalleen, welche man dort pflanzen könnte. Soweit wir aktuell wissen, haben einzeln oder in kleinen Gruppen stehende Eichen später auch einen besonders hohen Biotopwert. Bei 1.800 Hektar und all den diese Flächen durchziehenden Wegen und Fließgewässern aller Größen und Arten müssen das hunderte Eichen, wenn nicht tausende sein, die man nach und nach dort setzen könnte.

Futterrüben, welche gedüngt und mit Insektiziden besprüht werden müssen, haben mitten in der Aue nicht zu suchen, hier gehört extensiv bewirtschaftetes Weideland hin. Die Kühe würden dankbar sein, wenn man sie dort grasen ließe. Und sie wären noch dankbarer über Einzelbäume und Heckenstrukturen, welche ihnen Schatten im Sommer spenden.

Auch wäre eine gezielte Pflanzung von Eichen in den ehemaligen Auengebieten, welche heute Parks und Grünanlagen sind, in Betracht zu ziehen, abgesehen davon, dass auch so manchem Park und so mancher Grünanlage mehr naturnahe Hecken und Säume sehr gut zu Gesicht stünden! Der Kritik des NABU Leipzig in Bezug auf den Umgang mit dem Stadtgrün, wie es jüngst der Presse zu entnehmen war, ist in dieser Sache absolut zuzustimmen! Auch in die Parks gehören naturnahe Hecken, unter denen man eben nicht mit Laubgebläse fast schon zwanghaft jedes noch so kleine Blättchen wegpustet und jedes noch so kleine Wildblümchen wegmäht, lange bevor es sich wenigstens aussäen könnte. Was übrigens auch noch hohe Personalkosten und Kosten für Benzin sowie Abgase verursacht… in dieser jetzt schon unmäßig eutrophierten Umwelt!

Wenn man wollte, könnte man auch die Eiche vermehrt als Straßenbaum pflanzen. Eventuell mag das in besonders vom Stadtklima geprägten Bereichen zu überdenken sein, in den eher ländlichen Randbereichen jedoch spricht nichts dagegen, auch hier kleine, ruhige Straßen und Wege in prachtvolle Eichenalleen samt Hecken und Säumen zu verwandeln. Auch für das Stadtklima, also für uns Menschen, wäre das von größtem Gewinn!

Es gäbe viele Wege, das eine zu tun, ohne das andere noch weiter zu zerstören. Es gibt viele Möglichkeiten, die Eiche auf dem Zuständigkeitsgebiet der Stadt Leipzig zu fördern. Vereine wie Parteien weisen schon jetzt – ganz unabhängig voneinander – auf die verschiedenen Möglichkeiten hin, die es gäbe. Die Bürger wünschen auch mehr Grün und ein besseres Stadtklima, profitieren sie doch direkt davon in heißen Sommern. Maßnahmen zur Förderung der Artenvielfalt und Maßnahmen zur Verbesserung des Stadtklimas sowie zum Erhalt der Allgemeingüter Luft, Wasser und Boden; sie gehen Hand in Hand und gehören zusammen.

Autoren: Johannes Hansmann, Leipzig. Bernd Gerken, Hindenburgstraße 12, 76 470 Ötigheim/Rhein, Mail: profdrberndgerken@gmail.com

 

 

 

 

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